A.T. Kearney Analyse: So werden Sie zu Hidden Champions der Standortdienstleister
25.02.2014 -
Die meisten Standortbetreiber halten ein umfassendes Dienstleistungsportfolio vor, das auf die Bedürfnisse der am Standort ansässigen Unternehmen abgestimmt ist. Dieser Umstand ist historisch gewachsen und geht vor allem darauf zurück, dass viele Standortbetreiber einst aus dem gleichen Mutterunternehmen ausgegründet wurden wie ihre heutigen Kunden. Daher sind sie oftmals bestens mit den Anforderungen der ansässigen Kundenunternehmen und Besonderheiten des Standortes vertraut.
Im Zuge der zunehmenden Globalisierung jedoch kommt es immer häufiger vor, dass Chemieunternehmen innerhalb eines Chemieparks ihr Geschäftsportfolio verändern. Zwangsläufig geht damit auch eine Veränderung ihrer Anforderungen an Standortdienstleistungen einher. Verstärkt wird dieser Effekt durch Neuansiedlungen, die aus der Chemie- aber auch aus anderen Industrien stammen können. In der Folge können neue Bereiche gegründet oder ausgebaut werden, wie etwa Vertrieb, Ansiedlungsmanagement oder die Vermarktung von Freiflächen. Andererseits kann es auch zur Restrukturierung oder sogar Schließung unprofitabler Bereiche kommen.
Vor dem Hintergrund, dass die nachgefragten Leistungen immer heterogener werden, sind die Betreiber heute mehr denn je aufgefordert, ihr Dienstleistungsportfolio zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Besonders im Fokus stehen dabei oftmals zwei benachbarte Leistungsfelder: Engineering und Maintenance.
Beide gelten per se nicht mehr als Kernkompetenz eines Chemieparkbetreibers und werden auch von spezialisierten Anbietern am Markt angeboten. Dennoch haben sie durchaus das Potential, sich am Standort unverzichtbar zu machen, etwa indem sie den Kunden Eigenentwicklungen anbieten können, die diesen Wettbewerbsvorteile sichern.
Wirtschaftlicher Druck steigt
Grundvoraussetzung indes für den nachhaltigen Erfolg von Engineering- und Maintenance-Abteilungen unter dem Dach von Standortbetreibern ist Profitabilität. Diese aber ist in letzter Zeit zunehmend unter Druck geraten. Die Wahlfreiheit der Kunden zwischen standortinternen und -externen Anbietern hat in vielen Fällen zu Umsatzrückgängen geführt. Darüber hinaus ist der Kostendruck gestiegen. Denn vielen Anbietern gelingt es nicht oder nur schwer, die gewachsenen (Personal-)Strukturen, ihr Leistungsportfolio und die betrieblichen Prozesse an die Nachfrageveränderungen anzupassen.
Deshalb hat A.T. Kearney einen Ansatz entwickelt, der die Effizienz und Flexibilität von Engineering- und Maintenance-Abteilungen konsequent steigert und den langfristigen Erfolg beider Einheiten sicherstellen kann.
Analyse der Leistungsfähigkeit
In einem ersten Schritt wird das Leistungsportfolio der Engineering- und Maintenance-Abteilungen ausführlich analysiert. Ziel ist es, maximale Transparenz über die Leistungsfähigkeit und Effizienz der beiden Einheiten zu erhalten.
Dazu wird ein umfassendes quantitatives Benchmarking der wesentlichen Effizienz-Kennzahlen durchgeführt. Parallel dazu erfolgt eine detaillierte, qualitative Analyse des Leistungsniveaus auf Basis etablierter Industriestandards (vgl. Abb. 1). Auf diese Weise lässt sich die Leistungsfähigkeit der beiden Funktionen im Industrievergleich erfassen. Zudem lassen sich Schwachstellen sowie Verbesserungspotentiale gegenüber der Vergleichsgruppe aufdecken. Der reine Kennzahlenvergleich ist sehr gut geeignet, um die Größenordnung der Effizienzlücke aufzuzeigen. Allerdings können daraus noch keine Lösungsansätze abgeleitet werden, um diese Lücke zu schließen.
Steigerung der Effizienz
Bei der qualitativen Analyse des Leistungsportfolios werden zum einen strategisch/organisatorische Faktoren analysiert, wie etwa die Instandhaltungsstrategie oder die Aufbauorganisation. Zum anderen werden auch Kernprozesse - wie bspw. die Projektdurchführung oder Bau und Inbetriebnahme von Anlagen - sowie unterstützende Funktionen und Prozesse - wie etwa das Personal- und Performancemanagement - gegenüber absoluten Industriestandards bewertet und einer so genannten Exzellenzstufe zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgt auf Basis klarer Kriterien, die das Leistungsniveau jeder Exzellenzstufe detailliert beschreiben. Die Kriterien decken zwölf Themengebiete ab, darunter Strategie, Organisation und operatives Auftragsmanagement. So ergibt sich ein klares Bild des Leistungs- und Effizienzniveaus der einzelnen Bereiche im Industrievergleich. Die Gesamtbewertung gibt unmittelbar Aufschluss über die Ursachen der zuvor quantifizierten Effizienzlücken. Auf dieser Basis lassen sich im weiteren Verlauf Maßnahmen ableiten, um das Leistungsniveau gezielt und nachhaltig zu steigern.
Das Ziel ist dabei nicht unbedingt, die Engineering- und Maintenance-Funktionen in allen Bereichen auf die höchste Exzellenzstufe zu heben. Vielmehr geht es darum, basierend auf der Strategie und den Kernkompetenzen, ein Effizienzniveau zu erreichen, das den jeweiligen Kundenbedürfnissen gerecht wird. Werden bspw. durch einen Standortdienstleister Anlagenbauprojekte selbständig durchgeführt, müssen die Montage- und Inbetriebnahme-Prozesse ein entsprechend hohes Effizienzniveau haben. Dieses Niveau wäre jedoch nicht erforderlich, wenn diese Leistungen weitestgehend zugekauft würden; in diesem Fall müssten neben dem Engineering insbesondere das Lieferantenmanagement und die Beschaffungsprozesse ein hohes Leistungsniveau haben.
Die Kombination aus qualitativen Bewertungen und quantitativen Benchmarks ermöglicht es schließlich, die Größenordnung des Verbesserungspotentials jeder Maßnahme einzuschätzen. Somit kann die Umsetzung der Effizienzmaßnahmen klar priorisiert werden.
Dabei liegt das Hauptaugenmerk vor allem auf den Leistungen und Prozessen, die strategisch wichtig sind für die Kunden am Standort und somit die Kernkompetenz der Engineering- und Maintenance-Funktion darstellen sollten. Hierfür werden zunächst in Abstimmung mit den Kunden Leistungskataloge erstellt. Auf dieser Basis kann - wo möglich - anstelle der weit verbreiteten Stundenschreibung eine leistungsbezogene Vergütung eingeführt werden. Zusätzlich wird auch die Vergütung der Mitarbeiter stärker an den erbrachten Leistungen bemessen, wie sie in den Leistungskatalogen definiert wurden. Durch diese Maßnahmen wird sichergestellt, dass nur die für die Kunden erforderlichen Leistungen erbracht und entsprechend vergütet werden. Darüber hinaus werden Anreize zum zielorientierten, effizienten Arbeiten geschaffen.
Steigerung der Flexibilität
In vielen Fällen geht mit der Effizienzsteigerung auch eine deutliche Erhöhung der Flexibilität einher. Dazu trägt insbesondere die optimierte Nutzung von Fremdvergaben bei. Die klare Unterscheidung in Leistungen, die durch das Stammpersonal erbracht werden müssen, solche, die durch Zeitarbeitskräfte ausgeführt werden können und solche, die bei externen Anbietern bezogen werden, zielt darauf ab, insbesondere Standardleistungen günstig am Markt zuzukaufen. Denn viele externe Dienstleister profitieren von tariflichen Kostenvorteilen gegenüber den zumeist an den Chemie-Tarifvertrag gebundenen Standortdienstleistern. Durch die Wahrung von Know-how in der Stammbelegschaft wird dabei sichergestellt, dass diese Leistungen in Krisenzeiten wieder internalisiert werden können, um die Auslastung der Stammbelegschaft abzusichern.
Zurück zum Hidden Champion
In zahlreichen Fällen konnten die Unternehmen die einmal definierten und optimierten Kernkompetenzen - insbesondere im Bereich Engineering - wettbewerbsfähig am Markt außerhalb des Standortes anbieten. Damit haben sie nicht nur zusätzlichen Außenumsatz generiert, sondern auch die Auslastung durch Drittgeschäft weiter verbessert.
In gemeinsamen Initiativen mit Standortbetreibern haben die gezielte Verbesserung des Leistungsportfolios sowie der ausgewogenen Einsatz von Fremdfirmen dazu geführt, dass die Effizienz um 10 bis 15% gesteigert und Kosten in gleicher Größenordnung gesenkt werden konnten.
Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass sich die höhere Transparenz über das Leistungsportfolio sowie die dafür anfallenden Kosten positiv auf die Kundenzufriedenheit ausgewirkt haben.