Logistik & Supply Chain

Hohe Supply Chain-Performance erfordert ein intelligentes Störfallmanagement

24.01.2013 -

Störungen in Supply Chains hatten fatale Auswirkungen. Durch einen Brand in einem der größten deutschen Chemieparks in Marl entstanden laut Evonik Industries in 2012 Lieferengpässe bei einem wichtigen Vorprodukt für die Automobil- und die Photovoltaikindustrie. In 2011 führte die Atomkatastrophe von Fukushima zur Schließung einer Lackfabrik des Pharma- und Chemiekonzerns Merck.

Als weltweit einziger Hersteller spezieller Fahrzeuglacke sorgte dies für Engpässe in der Automobilindustrie. Solche Störungen können für ein Unternehmen erhebliche Zusatzkosten, einen Rückgang des Umsatzes und damit einen Gewinneinbruch bedeuten.

Der Kosten- und damit Effizienzdruck in der Branche führt zu Lean Supply Chains mit stark reduzierten Bestandsreichweiten. Zugleich werden die Logistiknetzwerke aber komplexer und damit störungsanfälliger. Die eigene Wertschöpfungstiefe wird reduziert (Outsourcing) und Vorprodukte weltweit bezogen (Global Sourcing). Mit der zunehmenden Auslagerung von Wertschöpfungsprozessen an Lieferanten und Dienstleister werden Störungspotentiale aus dem eigenen Unternehmen verlagert, wodurch der Zugriff auf die Störungsursachen eingeschränkt wird.

Die Zunahme an Akteuren in einer Supply Chain führt zu zusätzlichen Transporten, zudem erhöht sich allein wegen der größeren Distanzen die Transportleistung. Dies birgt zusätzliches Potential für Störungen. Störungen können bei Lean Supply Chains aber nicht mehr klassisch über Bestände „abgepuffert" werden. Frei nach dem Leitsatz „Informationen ersetzen Bestände" ist ein intelligentes Störfallmanagement notwendig, das zumindest teilweise die traditionelle Absicherungsfunktion von Beständen ersetzt.

Speziell die Chemie- und die Pharmaindustrie reagieren aufgrund ihrer Charakteristika sehr sensibel auf Störungen in ihren Supply Chains:

  • Volatilitäten in der Nachfrage eines Produktes sind durch die übliche Batch-Produktion schwer abzubilden. Das Herunter- oder Hochfahren einer Anlage ist zeitintensiv und teuer. In der Regel sind die Anlagen rund um die Uhr im Betrieb. Kapazitätsanpassungen im laufenden Betrieb sind nur eingeschränkt möglich.
  • Chemische ebenso wie pharmazeutische Produkte, sind im Handling oftmals hoch sensibel. Gefahrgüter verlangen eine individuelle Handhabung, spezifische Aufbewahrung und Sicherheitsmaßnahmen während des Transports. Bei pharmazeutischen Produkten ist besonders auf Temperaturführung, Hygiene und Sauberkeit, begrenzte Haltbarkeit sowie Schutz vor unbefugtem Zugriff zu achten.
  • Unternehmen diverser Branchen fragen chemische Produkte nach. Es folgen bis zum Endkunden oftmals mehrere Wertschöpfungsstufen, so dass sich die Störungen in den Supply Chains „fortpflanzen".
  • In der Pharmaindustrie dürfen Eingangsprodukte nur von anerkannten Lieferanten bezogen werden. Ein Wechsel zu einem anderen Lieferanten ist wegen des komplizierten Freigabeprozesses mit erheblichem Aufwand verbunden.
  • Chemische und pharmazeutische Produkte werden mehr und mehr in globalen Produktionsverbünden hergestellt. Dies setzt komplexe Logistiknetzwerke mit einer hohen Performance voraus.

Störungen in Supply Chains der chemischen und pharmazeutischen Industrie können aus Sicht eines Herstellers bei Vorlieferanten, bei Lieferanten, bei externen Produktions- und Logistikdienstleistern oder im eigenen Unternehmen auftreten. Etwa könnte bei einem Vorlieferanten die Produktion durch einen Defekt einer Anlage ausfallen; bei einem Lieferanten weniger Behältnisse und Ladungsträger für die herzustellenden Produkte verfügbar sein als benötigt, die somit langsamer im Produktionsprozess zirkulieren als es der Produktionsplan vorsieht; oder ein Logistikdienstleister bei einem Transportprozess eine Grenze passieren, bei der durch den Verzollungsprozess eine Verzögerung auftritt.

Gründe dafür liegen oftmals an der Regulierung der dortigen Beschaffungs- und Absatzmärkte, Ineffizienzen in administrativen Prozessen oder politischer Instabilität. Bei temperaturgeführten Produkten erfordert dies für die Wartezeit eine temperierte Zwischenlagerung. Zudem ist die Verfügbarkeit von temperierten Containern häufig unzureichend, so dass neben der Verzögerung auch Qualitätsrisiken auftreten können. Im eigenen Unternehmen könnte eine produzierte Charge ins Lager verschoben werden. Die alte Charge blockiert dort aber noch den Lagerplatz und macht eine Einlagerung der neuen Charge unmöglich.

Diese Einzelbeispiele für mögliche Störungen zeigen auf, dass ein intelligentes Störfallmanagement in der Wertschöpfungskette benötigt wird. Ein professionelles Supply Chain Risk Management trägt strategisch dazu bei, dass Störungsrisiken vermieden werden. Zusätzlich identifiziert und bewertet ein effektives Business Continuity Mangement mögliche Störungen in der Supply Chain und bereitet geeignete Gegenmaßnahmen vor. Dies erlaubt beim Auftreten eines Engpasses, auf bereits bestehende Störfallkonzepte zuzugreifen und eine rein improvisierte Störfallbekämpfung zu vermeiden.

Die deutsche Bundesvereinigung Logistik und der Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen erarbeiten gemeinsam mit Vertretern aus Industrie, Handel und Dienstleistung im Arbeitskreis Engpassmanagement solche Störfallkonzepte. Im Mittelpunkt stehen mögliche Störungen in der Distribution, der Produktion, bei den Lieferanten und auch auf den Vorstufen der Supply Chain.

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