Woran man bei der Unternehmensnachfolge denken sollte
Nicht jeder Erbe fühlt sich berufen
Der deutsche Mittelstand kämpft mit massiven Nachfolgeproblemen.
Auch vor der Chemiebranche macht das Nachfolgeproblem nicht Halt. Laut einer Umfrage, die TNS Emnid im Auftrag der Deutschen Unternehmerbörse durchgeführt hat, haben sich 58% der befragten Unternehmen noch nicht abschließend oder noch gar nicht mit dem Thema Nachfolge befasst.
Dabei stehen bis 2014 bei mehr als 100.000 Unternehmen derartige Entscheidungen ins Haus, die über ihre weitere Existenz bestimmen.
„Gehen Sie das Thema Unternehmensnachfolge nicht erst nach dem ersten oder zweiten Herzinfarkt an", rät Claus-Peter Barfeld, Geschäftsführer der Managementberatung Barfeld & Partner. Er berät seit mehr als 30 Jahren die Branche und hat bereits mehr als 150 Transaktionen begleitet. Grundsätzlich sind zwei Nachfolgelösungen möglich: Entweder kommt der Nachfolger aus dem internen Kreis oder es wird ein Externer hinzugeholt. „Ganz so einfach, wie es zunächst klingen mag, ist die Angelegenheit jedoch nicht. Denn sowohl bei der internen als auch bei der externen Lösung gibt es eine Palette an Möglichkeiten und ebenso viel zu bedenken", so der erfahrene Personal- und Transaktionsberater.
Muss es in der Familie bleiben?
Die am nächsten liegende Einbindung der eigenen Familie scheidet in der Praxis nicht selten aus, wenn die beruflichen Interessen der Kinder in eine andere Richtung gehen. Dies ist laut TNS Emnid bei 63 % der befragten Unternehmen der Fall. „Lassen Sie den Nachwuchs machen, wozu er sich berufen fühlt", empfiehlt Barfeld „Denn selbst, wenn der Vater ein passionierter Unternehmer ist, muss das für den Sohn oder die Tochter noch lange nicht gelten." Falls doch ein Mitglied der Familie an der Fortführung des Unternehmens interessiert ist, sollten einige Punkte beachtet werden.
Zunächst sind praktische Erfahrungen, gerne auch ein Studium, essentiell denn auch im klassischen Handelsgeschäft ist heutzutage wirtschaftlicher Sachverstand gefragt. Nur so ist man in der Lage, Schwachstellen der Unternehmung zu erkennen und darauf richtig zu reagieren. Was aber auch ein abgeschlossenes Studium schwer vermitteln kann, sind Unternehmergeist und Führungsqualitäten. „Leute mitzunehmen und motivieren zu können, sind ganz wesentliche Voraussetzungen", sagt Barfeld. Und nicht zuletzt ist im Umgang mit Partnern wie Banken oder Lieferanten sicheres Auftreten geboten.
Wie kann man den zukünftigen Junior-Chef oder die zukünftige Junior-Chefin praktisch auf ihre neuen Aufgaben vorbereiten? Am Besten mit einem Blick über den Tellerrand. Der Rat des Experten: Eine drei- bis fünfjährigen Mitarbeit in einem befreundeten Unternehmen. So bekommt der Nachwuchs nicht nur einen anderen Blickwinkel, sondern bei den eigenen Mitarbeitern erhöht sich auch die Akzeptanz für den neuen Chef bzw. die neue Chefin. Gleichzeitig steigt die Anerkennung durch die Stakeholder. Eine solche Vorgehensweise empfiehlt sich natürlich auch, wenn der designierte Nachfolger zwar nicht der eigenen Familie entspringt, aber dennoch lange im Unternehmen tätig war.
Warnung vor dem Peter-Prinzip
Bei der Übergabe des Unternehmens an den Nachwuchs ist Vorsicht geboten. Barfeld warnt in diesem Zusammenhang vor dem Peter-Prinzip: „Jenes Prinzip, benannt nach seinem Erfinder Laurence J. Peter, besagt, dass in einer Hierarchie jeder Beschäftigte dazu neigt, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen." Der beste Verkaufsleiter muss deshalb nicht automatisch der beste Geschäftsführer sein. Auf Familienunternehmen bezogen lässt sich folgende Befürchtung ableiten:
Das Unternehmerkind dient nicht von der Pike auf, um später das Kommando zu übernehmen, sondern es steigt an der Spitze ein. Somit erreicht es nur schneller die Stufe seiner Inkompetenz. Um entsprechende Fähigkeiten zu beurteilen und Risiken zu minimieren, empfiehlt sich immer das Hinzuziehen eines erfahrenen Beraters. So steigt die Chance, ein neutrales Bild der Sachlage zu bekommen.
Entscheidet man sich für eine interne Lösung, ist der große Pluspunkt der tiefe Einblick des Nachfolgers ins Unternehmen. Aus seiner Erfahrung resultiert daraus jedoch auch das Problem der mangelnden emotionalen Distanz. „Im klassischen Chemiegeschäft ist es mitunter der Fall, dass sich der altehrwürdige Unternehmer noch mit 70 oder 75 Jahren im Unternehmen tummelt. Dieses Nicht-Loslassen-Können führt dann zu einem frustrierten Nachfolger, der nie so richtig zum Zuge kommt", erklärt Barfeld.
Frische Impulse durch Externe
Eine bewährte externe Lösung ist die Bestellung eines „fremden" Geschäftsführers, ohne oder - nach einer bestimmten Bewährungszeit - mit Beteiligung. Vorteil dieser Variante: Eine sehr viel höhere Bindung des Geschäftsführers an das Unternehmen, gepaart mit einer geringeren Wechselbereitschaft. „Wirklich geeignete Leute zu finden, ist trotz Jobanzeigen und Headhunting nicht einfach. Auch hier empfiehlt sich neutrale Expertise, um die Kandidaten zu beurteilen", erläutert der Berater.
Ist die Hürde der Personalfindung genommen, können dem Unternehmen frische Impulse des neuen Geschäftsführers zugutekommen - dass der „Neue" betriebsblind ist, ist, anders als bei internen Lösungen, ausgeschlossen. Zudem liegt es beim Veräußerer, ob er die Anteilshoheit behält. Aber auch der Nachteil des externen Geschäftsführers liegt auf der Hand, denn es steht eine längere Einarbeitungszeit an.
In den letzten Jahren kristallisierte sich in der Branche neben dem Komplettverkauf, der einen klaren Schnitt bedeutet, zunehmend eine andere Option als Favorit heraus. Der Verkauf einer maßgeblichen Beteiligung. Der Unternehmer tätigt den Verkauf dabei nicht aus Altersgründen, sondern aus wettbewerblichen Überlegungen. Langfristige Sicherheit, Logistik und die Finanzierung - insbesondere wenn man vor größeren Investitionen steht - können eine Rolle spielen.
Auf der anderen Seite hat der Käufer den Vorteil, dass er sich kein neues Führungspersonal suchen muss. In erster Linie umgeht er mit der Beibehaltung des Führungspersonals ein gravierendes Problem, das sich oft nach solchen Prozessen einstellt: Kundenverlust. „Die Erfahrungen zeigt, dass vollständige Übernahmen vielfach dazu führen, dass bis zu 30% der Kunden abspringen, die man beim Kauf mitbezahlt hat", weiß Barfeld.
Zeitfaktor nicht unterschätzen
In welchem Zeitraum läuft ein Verkauf ab? Laut einer Faustregel beträgt der Richtwert für den gesamten Prozess rund zwölf Monate. Wichtig ist, dass alle relevanten Unterlagen, die etwa Absatz, Personal und Bilanzen betreffen, griffbereit liegen. Dies stellt eine realistische Begutachtung des Unternehmenswertes sicher.
„Der Verkauf wird oft vergleichsweise unprofessionell gehandhabt", kritisiert Barfeld. Sind die Verkaufsverhandlungen zum Abschluss gebracht, kann mit dem Kartellamt noch eine Hürde lauern. Geht es jedoch um eine rein mittelständische Fusion, ist meist mit keinen Einwänden der Kartellhüter zu rechnen. Was es zum Abschluss einer familieninternen Transaktion ferner zu bedenken gilt, ist die anstehende Auszahlung möglicher Miterben und Steuern, was die Liquidität belastet.
Fazit
Oft befassen sich Unternehmer erst mit der Nachfolgethematik, wenn es fast schon zu spät ist, d.h. wenn Krankheit die eigene Arbeit behindert oder unmöglich macht. Darum ist es ratsam, sich möglichst früh dafür zu sensibilisieren. Jeder Fall muss jedoch einzeln betrachtet werden. Es gibt Menschen, die mit 70 noch so fit sind, wie andere nicht mit 35. Grundsätzlich sollten Unternehmenseigner jedoch ab Anfang 60 entsprechende Vorkehrungen treffen. Denn auch das Aufbauen eines Nachfolgers braucht seine Zeit - mehr als die oft dargstellten sechs bis zwölf Monate.
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