Führungskräftemangel: Wer führt (uns) in die Zukunft?
Wird der Führungskräftemangel zum Flaschenhals für wirtschaftliches Wachstum?
Selbst wenn allem Anschein nach das größte Problem der Wirtschaft derzeit der Fachkräftemangel ist, zeichnen sich auch auf den verschiedenen Führungsebenen immer öfter Vakanzen ab, die nicht einmal eben zu besetzen sind. Dies war der Grund dafür, dass sich ein ausgewählter Kreis von Personalchefs zu einem Round-Table-Gespräch mit dem Thema „Wird der Führungskräftemangel zum Flaschenhals für wirtschaftliches Wachstum?" bei der Personalberatung Barfeld & Partner traf.
Vertreter der Chemie- und Energiewirtschaft diskutierten angeregt über Lösungsansätze für die Zukunft. Grundtenor war, dass sich die Unternehmen heute schon Gedanken über die Besetzungsprobleme von morgen machen. Die einen aus der akuten Not heraus, weil sie in der jüngsten Vergangenheit zu viel Management abgebaut haben, und die anderen deshalb, weil in naher Zukunft Expansionspläne bestehen, die mit dem bestehenden Führungspersonal nicht erfüllt werden können.
Mobilität des Managements
Auf die Mobilität des Managements angesprochen, erklärte die Mehrheit der Diskussionsteilnehmer, dass es zunehmend schwieriger wird, offene Stellen mit eigenen oder von außen rekrutierten Führungskräften zu besetzen. Insbesondere im Alter zwischen Mitte 40 und Mitte 50 scheint zumindest die innerdeutsche Mobilität bedingt durch familiäre Gründe (Beruf des Ehepartners, Eigenheim, Kinder etc.) stark eingeschränkt zu sein. Man wartet anscheinend lieber länger, bis der nächste Job vor Ort frei wird, selbst wenn eine Stelle in einer anderen Stadt einen nächsten Karriereschritt bedeutet und höhere finanzielle Anreize bietet. Es ist dagegen laut Aussage eines Chemievertreters einfacher, Führungskräfte für Positionen im Ausland - insbesondere in China - zu finden. Mit zunehmendem Alter nimmt die innerdeutsche Mobilitätsbereitschaft dann wieder zu, wobei von dem Angebot des Pendelns immer mehr Gebrauch gemacht wird.
Nicht mehr Karriere um jeden Preis
Unisono konstatierten die Gesprächsteilnehmer, dass immer mehr Führungskräfte Wert darauf legen, dass ihre Work-Life-Balance stimmt. Die Leistungsbereitschaft hat heute somit ihre Grenzen. Dies ist laut Aussage eines Personalvorstands aus der Mineralölindustrie die Folge eines allgemeinen Wertewandels in der Gesellschaft. Die Führungskräfte wollen heute nicht mehr um jeden Preis Karriere machen, sondern achten eher darauf, dass ihnen die Arbeitgeber u. a. flexible Arbeitszeiten anbieten, damit sie sich mehr um die Familie kümmern können. Die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verwischen somit zunehmend. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, erwartet man heute von den Unternehmen, dass keine konkreten Arbeitszeiten vorgeschrieben werden, sondern dass sich das Unternehmen mehr an den erreichten Arbeitsergebnissen orientiert. Die Teilnehmer des Round Table waren sich jedoch einig, dass die Ermöglichung von flexiblen Arbeitszeiten die Gefahr birgt, dass die Unternehmen die selbst vorgegebenen Ziele nicht mehr erreichen und im „Ranking" gegenüber Konkurrenten zurückfallen.
Höhere Risiken auf der Top-Etage
Ein weiterer Grund, weshalb Führungskräfte - insbesondere auf der ersten Ebene - nicht mehr Karriere um jeden Preis machen wollen, liegt in den Risiken des Jobs, die sich aus Compliance-Richtlinien, Corporate Governance und dergleichen ergeben, vom Umgang mit der Presse mal ganz abgesehen. Die Bereitschaft, dafür einzustehen, sinkt zunehmend, wie bei der Besetzung von Geschäftsführer- und Vorstandspositionen festgestellt wurde. Das hohe Gehalt wird hier als „Schmerzensgeld" angesehen.
Herausforderung für das Management
Fast alle Teilnehmer der Runde sahen das Problem, dass sowohl die heutigen als auch die zukünftigen Führungskräfte in der Lage sein müssen, heterogene Mannschaften zu führen. Sie müssen mehr Verständnis für die Arbeitsweise der nachfolgenden Generation mitbringen, als früher erforderlich war. Da die Jüngeren andere Wertvorstellungen haben als die Älteren, ist es für Letztere schwierig, auf die Belange der Jungen einzugehen. Hier besteht ein hoher Schulungsbedarf bei den derzeitigen Führungskadern.
Eine Führungskraft muss heute realisieren, dass z. B. das Hierarchiedenken der jungen Belegschaft ein anderes ist und die jungen Manager teils auf ganz anderem Wege kommunizieren (z. B. per E-Mail, Internet etc.) als die älteren. Die Gesprächsteilnehmer waren sich jedoch nicht sicher, ob es gelingt, den älteren Führungskräften das entsprechende Verständnis für die junge Generation „beizubringen". Wenn das nicht gelingt, könnte es ihrer Ansicht nach demnächst zu einem verhaltensbedingten Führungskräfteengpass kommen!
Heute schon an morgen denken
Es war die übereinstimmende Meinung der Teilnehmer, dass für die meisten Unternehmen der Führungskräftemangel in ca. 10 bis 15 Jahren ein großes Thema werden wird. Bei einigen schon in den nächsten drei bis fünf Jahren. Dies hängt mit der demografischen Situation in den einzelnen Firmen zusammen, denn die meisten Führungskräfte auf den oberen Ebenen liegen heute im Alter zwischen Ende 40 und Ende 50. Darunter gibt es ein echtes Gap!
Aufgrund der demografischen Entwicklung und der niedrigen Geburtenrate kam man zu dem Schluss, dass viele Unternehmen zukünftig einen Teil ihrer Führungskräfte aus dem Ausland rekrutieren müssen. Diese werden nach Ansicht der Personalverantwortlichen überwiegend aus Osteuropa kommen, da man mit dem dort in den Tochtergesellschaften arbeitenden Führungsnachwuchs gute Erfahrungen gemacht hat. Einige Teilnehmer waren sogar der Auffassung, dass das Potential der osteuropäischen Führungskräfte so groß ist, dass es auf Dauer zu einer Bedrohung für die deutschen Manager werden könnte, insbesondere für die, die es sich auf ihrem „hohen Ross" bequem gemacht haben. Interessant war es aber zu erfahren, dass auch die ausländischen Manager zwischenzeitlich auf eine gute Work-Life-Balance achten.
Ob sich im Übrigen grundsätzlich alle ausländischen Führungskräfte für die in Deutschland ansässigen Unternehmen eignen, wurde hingegen bezweifelt und hängt sicherlich von den Branchen und den jeweiligen Unternehmen ab. Die technische Expertise der ausländischen Kräfte scheint in vielen Fällen vergleichbar mit der der Deutschen zu sein, bei den kaufmännischen Kenntnissen hapert es dagegen anscheinend noch ein wenig.
Fazit
Einhellig war man der Meinung, dass es in naher Zukunft zu einem erheblichen Führungskräftebedarf kommen wird. Die Unternehmen sollten sich demnach heute schon auf diese Situation einstellen und schon jetzt um hoch qualifizierte Talente „buhlen". Die Diskussionsteilnehmer haben jedoch erkannt, dass der Top-Nachwuchs andere Ansprüche an die Unternehmen stellt bzw. stellen wird. Statt Karriere um jeden Preis haben diese Führungskräfte immer öfter das Bedürfnis nach Work-Life-Balance und sind immer weniger bereit, für einen Karrieresprung den Wohnort zu wechseln. Auf diese Bedürfnisse müssen die Unternehmen, die in einem harten nationalen und internationalen Wettbewerb stehen, reagieren. Die Firmen sind heute eher als in der Vergangenheit gefordert, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die von dem jungen Managementnachwuchs akzeptiert werden. Hire & Fire ist out! Daneben sind aber auch die Hochschulen gefordert, gemeinsam mit den Unternehmen duale Systeme anzubieten, die es dem Führungsnachwuchs möglich machen, schon frühzeitig Praxisluft zu schnuppern und mit den Alltagsthemen der Wirtschaft in Berührung zu kommen. Teure akademisch vorgebildete Lehrlinge kann sich heutzutage kein Unternehmen mehr erlauben. Also muss hier die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter intensiviert werden. Die deutschen Führungskräfte müssen sich aber auch darauf einstellen, dass sie erhebliche Konkurrenz aus dem Ausland bekommen werden, sei es aus Osteuropa oder Asien. Die Arbeitswelt wird bunter, oder sollte man lieber sagen, multikultureller. Eine echte Herausforderung für alle am Wirtschaftsprozess beteiligten Personen!
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