Standorte & Services

Dr. Winfried Wunderlich: Deutsche Kunststoff-Industrie behauptet ihre führende Stellung

Erfolge im globalen Wettbewerb

22.11.2010 -

Stärke und Dynamik der deutschen Kunststoff-Industrie dokumentiert ein Branchenbericht der deutschen Industriebank. Erfasst wurden die Sektoren Kunststofferzeugung und -verarbeitung, die Verarbeitung von Kautschuk und Elastomeren sowie der Gummi- und Kunststoffmaschinenbau. Insgesamt erzielte die Branche, die 3.860 Unternehmen mit rd. 407.000 Beschäftigten umfasst, im Jahr 2006 einen Umsatz von 84,1 Mrd. €. Einen differenzierten Überblick der Leistungsstruktur gibt Abbildung 1.

Alle Teilbereiche sind voll auf den globalen Markt und Wettbewerb ausgerichtet, steigende Exportquoten und rege Investitionstätigkeit im Ausland zeugen von ihrer führenden Position, die sich im Wesentlichen auf Innovation und Technologieführerschaft der oft mittelständischen Unternehmen gründet. Weitere Erfolgsfaktoren sind die enge Vernetzung der Sektoren untereinander, intensive Zusammenarbeit mit den Kunden sowie eine leistungsfähige Forschungsszene in unserem Lande. Auf diese Weise ist die deutsche Kunststoff-Industrie in der Lage, die weltweit steigende Nachfrage voll und ganz zu nutzen. Das jährliche Wachstum des Pro-Kopf-Verbrauchs wird weltweit in den kommenden Jahren auf 5% geschätzt.

Während wir in Heft 6/2007 bereits ausführlich über die Entwicklung des Kunststoffmaschinenbaus berichtet haben und in unserem Bericht zur K2007 auf die optimistischen Prognosen und Wachstumsraten der Kunststoffverarbeitung eingegangen sind, soll im Folgenden eine differenzierte Darstellung der Entwicklung des Kunststoffverbrauchs und der Märkte für Thermoplaste in Europa gegeben werden. Grundlage dafür ist der kürzlich erschienene „AMI's 2007 European Plastics Industry Report".

EU-Erweiterung bringt neue Impulse

Die von AMI ermittelten Zahlen zum europäischen Kunststoffverbrauch belegen eindeutig eine erhebliche Verbesserung der Marktlage für die Kunststofferzeuger in den Jahren 2006 und 2007. Im vergangenen Jahr stieg der Verbrauch von Thermoplasten um etwa 3,0% auf fast 41 Mio. t mit einem Wert von rd. 150 Mrd. € an! Motor dieser Entwicklung war Deutschland (+4,8%), während Frankreich (+0,4%) und UK (+0,3%) weiter stagnierten. Beachtlich ist der auf großem Nachholbedarf beruhende Anstieg des Verbrauchs in Osteuropa (+10,2%). Abbildung 2 fasst die regionalen Anteile des europäischen Kunststoffmarktes 2006 zusammen.

Das hervorragende Abschneiden der deutschen Kunststoff-Industrie beruht vor allem auf dem exzellenten Exportgeschäft, das durch die EU-Erweiterung neuen Auftrieb erhielt. Hohe Potentiale für die Zukunft liegen laut AMI weiter in den osteuropäischen EU-Staaten, aber auch in Russland, der Ukraine sowie in der Türkei.

Wachstumsträger: Klimaschutz

Energieeinsparung und Ressourcenschonung bleiben nach wie vor die wichtigsten Träger einer nachhaltigen Entwicklung, in der Thermoplaste in allen Anwendungsbereichen dank neuer, innovativer Problemlösungen weiter Boden gewinnen. Auffälligstes Beispiel ist EPS: In den letzten beiden Jahren entwickelte sich ein traditionelles Produkt, geschäumtes Polystyrol (EPS), mit einem Wachstum von 11,5% zum absoluten Renner, weil sich die Wärmeisolierung von Gebäuden als effizienter Weg zur Energieeinsparung erwies. Rechtzeitig gelang es der BASF durch die Entwicklung von Neopor, einem EPS mit deutlich verbessertem Vermögen der Wärmeisolierung, diesen Trend weiter zu beschleunigen. PET, jüngster Favorit der Verpackungsbranche, bleibt mit knapp 5% jährlichem Wachstum stark, obwohl wachsender Einsatz von Recyclingware den Bedarf an Neuprodukten dämpft. Erfreulich ist auch die Entwicklung der Polyolefine (LL/LDPE) und PP. Nur Polyethylen hoher Dichte (HDPE), das unter dem Rückgang der Tragetaschenfertigung leidet, bildet eine Ausnahme. PVC hielt seine Stellung dank wachsender Nachfrage im Baubereich, insbesondere aus Osteuropa. Die technischen Kunststoffe weisen mit Ausnahme von Polyamid gute Wachstumsraten aus. Auffällig ist die Renaissance von ABS/SAN, aus Sicht des Verfassers ein Ergebnis intensiver Bemühungen, die Kostenstruktur dieser Produkte zu verbessern. Eine Übersicht der Entwicklung der einzelnen Produktlinien gibt die Tabelle 1.

Stabile Entwicklung der Anwendungsfelder

Obwohl nicht alle Produkte am Anstieg des Verbrauchs in gleicher Weise teilhaben, ergaben sich nur geringfügige Veränderungen bei der Gewichtung der einzelnen Teilmärkte, die in Abbildung 3 dargestellt sind. Vergleicht man mit den Ergebnissen aus dem Vorjahr, ergeben sich signifikante Gewinne für den Bau- und den Automobilbereich. Dagegen verlieren die Gebiete Elektro/Elektronik und Fasern Anteile. Während im Automobilbau die Substitution von Metallwerkstoffen weiter fortschreitet, reflektieren die Zahlen des Bausektors die verbesserte Baukonjunktur, insbesondere aber auch den Reparatur- und Erneuerungsbedarf in Osteuropa. Das Absinken der E&E-Zahlen signalisiert ebenso wie der niedrige Faserwert das Abwandern von Produktion nach Asien.

Das Verpackungsgebiet bleibt mit einem Anteil von nahezu 50% das mit Abstand größte Anwendungsfeld für Kunststoffe, die sich, von Verbraucherwünschen getrieben, immer wieder neue, anspruchsvolle Anwendungen erobern und sich dabei vielfach zu Hightech-Werkstoffen entwickelt haben.

Ausblick

Trotz der im Ganzen gesehenen sehr erfreulichen Entwicklung, vermehren sich die Unsicherheitsfaktoren für die Zukunft. Drastisch steigende Rohstoffpreise, die Regulierungswut der europäischen Behörden (Reach u.a.) sowie die Schwäche des US-Marktes lassen nicht nur Kosten steigen und Margen sinken, sondern stellen auch zukünftiges Wachstum infrage. Absehbar ist außerdem eine Verschärfung des Wettbewerbs aufgrund wesentlicher Veränderungen bei einigen bedeutenden Marktteilnehmern (z.B. Sabic, Basell, Evonik). Ein Zeichen für neue Herausforderungen ist auch die allenthalben bei den etablierten Unternehmen zu beobachtende Neuausrichtung der Organisationsstrukturen und eine Verstärkung und weitere Internationalisierung der R&D-Aktivitäten. Die deutsche Kunststoff-Industrie präsentiert sich dabei technologisch und organisatorisch auf die Herausforderungen der Zukunft gut vorbereitet. Es ist zu hoffen, dass die Politik diese Entwicklung mit Augenmaß begleitet.

Bei dieser Meldung handelt es sich um eine Archiv-Meldung, bei der die Abbildungen entfernt wurden.