Analysengeräte brauchen keinen Schlaf
Wie Lean-Management den Kostendruck der Pharmaindustrie senken kann
In der Automobilproduktion hat sich „Lean Management" längst bewährt. Inzwischen versuchen auch Unternehmen anderer Branchen, Verschwendung aufzudecken und konsequent zu beseitigen: Arzneimittelhersteller haben Porsche Consulting beauftragt, sich die komplexen Prozesse in der Pharmaindustrie vorzunehmen. Mit verblüffenden Ergebnissen: Meldungen über die Nebenwirkungen von Präparaten werden bis zu 60 % schneller bearbeitet. Und im Bioanalytiklabor senkten die Porsche-Leute den Zeitbedarf um ein Viertel.
Neue, fortschrittliche Medikamente zur Marktreife zu bringen, ist ein hartes Geschäft: Während Staaten und Krankenversicherungen weltweit versuchen, Gesundheitsbudgets zu begrenzen, stellen Zulassungsbehörden immer höhere Anforderungen an die Sicherheit der Präparate. Unterm Strich schrumpfen die Margen der Pharmaunternehmen - und damit steigt der Druck, noch wirtschaftlicher zu entwickeln und zu produzieren. Effizienz ist das Gebot der Stunde. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis die forschende Pharmaindustrie dabei die Methoden des „Lean Management" für sich entdecken würde. Ursprünglich bei Toyota entwickelt, hat sich das Prinzip der schlanken Prozesse inzwischen auch bei Wettbewerbern des japanischen Automobilherstellers durchgesetzt. Porsche z.B. hat das Thema bei der Produktion seiner Premiumfahrzeuge von der Pflicht zur Kür weiterentwickelt - so weit, dass daraus 1994 eine Unternehmensberatung als schnell wachsende Tochtergesellschaft entstanden ist. In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Branchen daran ein Beispiel genommen: Anlagen- und Maschinenbauer, Bauunternehmen und sogar Krankenhäuser nutzen heute Ansätze des Lean Management. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Leitidee „Werte ohne Verschwendung schaffen" überall funktioniert.
Auch Arzneimittelhersteller beauftragen Porsche Consulting also, ihre Entwicklungs- und Administrationsprozesse unter die Lupe zu nehmen. Die Methode ist die gleiche wie in anderen Branchen: Die Berater reduzieren Durchlaufzeiten und Kosten, ohne dass die Qualität der Arbeit leidet. In Workshops analysieren sie die Abläufe gemeinsam mit Mitarbeitern des Kunden. Das Motto lautet dann: „KAIZEN", japanisch für „der Weg zum Besseren". Das Projektteam verbessert akribisch den gesamten Arbeitsgang - vom Eingang bis zur Ablage im Archiv. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Wird konsequent nach dem Lean-Management-Prinzip gearbeitet, lassen sich z.B. die Meldungen über Nebenwirkungen bis zu 60 % schneller bearbeiten. Im Durchschnitt sind meldepflichtige Fälle bereits nach drei Tagen abgelegt, und bis zu 10% Personalkapazität werden frei.
KAIZEN - die Idee und das Potenzial
Dazu müssen Berater und Mitarbeiter des Kunden die Methoden des Lean Management aber zunächst auf die Arbeitsabläufe in Pharmaunternehmen übertragen. Und die sind speziell, etwa im Umgang mit Nebenwirkungen: Lizenzpartner, Auftragsforscher, Ärzte und Apotheker geben Fälle möglicher unerwünschter pharmakologischer Effekte regelmäßig an die Hersteller weiter, wo sich dann eigene Abteilungen um die Evaluierung und Berichte kümmern. Die Zahl der Fälle, die Pharmafirmen untersuchen und möglicherweise an die Behörden weiterleiten müssen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen - es sind oft viele tausend Fälle pro Jahr. Dennoch verlangt der Gesetzgeber, dass Pharmafirmen Nebenwirkungen binnen 15 Tagen an die Behörden melden.
Das KAIZEN-Team muss Doppelarbeiten und unnötige Abstimmungsschleifen ans Licht bringen, die den Prozess bremsen: Vielfach bleiben Vorgänge in der Verwaltung tagelang unbearbeitet, weil sie zwischen verschiedenen Abteilungen hin- und herwandern und Wartezeiten in den Eingangsstapeln entstehen. Ständig sind Dutzende Fälle im Umlauf. Zudem sitzen die Beteiligten oft auch räumlich getrennt voneinander, können sich nicht direkt miteinander absprechen.
In der Phase der Prozessanalyse dokumentieren die Workshopteilnehmer jeden Arbeitsschritt auf Moderationskarten und kleben diese in chronologischer Reihenfolge an die Wand - am Ende wird das Bild in der Regel viele Meter lang. Dabei kommen zahlreiche unnötige Schnittstellen und Abstimmungsschleifen zum Vorschein. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse erarbeitet das Team nun gemeinsam den idealen Ablauf, „Soll-Prozess" genannt. Sehr oft sind im Unternehmen längst IT-Systeme installiert, mit denen sich Arbeitsschritte vereinfachen und elektronisch erledigen lassen. Neue Hard- oder Software anzuschaffen, ist selten nötig. Wichtig ist ein zentraler „Arbeitsvorrat" für die verschiedenen Spezialistengruppen, damit jeder Mitarbeiter jederzeit seinen Part öffnen und erledigen kann.
Der Vorteil dieser Lösung ist, dass sich die Vorgänge nicht mehr in den persönlichen Posteingängen stapeln. Denn ohne Lean Management ist die Vorgehensweise in der Regel, dass Mitarbeiter in der Regel das zuerst erledigen, was zuletzt dazu gekommen ist, also „Last in - First out". Optimal ist aber das gegenteilige Prinzip: „First in - First out", damit kein Vorgang unnötig lange liegen bleibt. Der Ablauf wird so nicht nur schneller, sondern auch besser: Nach den KAIZEN-Workshops berichten Teilnehmer immer wieder, dass sie sich jetzt fundierter mit ihren Kollegen abstimmen können.
Effizienz im Labor
Ähnliche Effizienzreserven verbergen sich in den Bioanalytiklaboren der Pharmahersteller. Nach der Optimierung mit Hilfe der Methoden des Lean Management können Labormitarbeiter die Analysen von Blut, Plasma oder Urin aus den Versuchsreihen zu neuen Medikamenten bis zu 25 % schneller fertig stellen. Zudem werden bis zu 15 % der Laborkapazitäten frei, die sich dann für zusätzliche Analyseaufträge nutzen lassen. Ganz konkret heißt das: Bei Auftragsspitzen müssen die hausinternen Labore weniger von externen Dienstleistern erledigen lassen.
Als Teil der Medikamentenzulassung sind die Analysen von Blut, Plasma oder Urin etwa mit Hilfe von Massenspektrometern besonders wichtig. Entwickler schicken kontinuierlich Proben in das firmeneigene Labor. Und jede zusätzliche Stunde Wartezeit auf die Ergebnisse heißt letztlich: Das Präparat kommt später auf den Markt. Zudem sind die verwendeten Analysengeräte teuer - ein Massenspektrometer kostet etwa eine halbe Million Euro. Es ist also besonders wichtig, die kostspieligen Geräte permanent auszulasten. Möglichst wenige Geräte müssen reichen, um die Analysenaufträge aus der Medikamentenentwicklung abzuarbeiten.
Interdisziplinär und universell
Beim Lean-Management-Workshop im Labor genügt es nicht, wenn Berater und Labormitarbeiter sich die Abläufe anschauen. Hier gehören auch die internen Kunden mit ins Team, also Vertreter der Abteilungen, die Aufträge an das hausinterne Labor vergeben. Denn sie wissen am besten, was wirklich analysiert und dokumentiert werden muss. Und was eben nicht. Überflüssige Tätigkeiten sollen schließlich wegfallen.
Zeit lässt sich aber vor allem bei Planung und Steuerung der Analysen sparen. Hier zeigt sich meist, dass Aufträge ohne Ankündigung hereinkommen und es unklar ist, welche Priorität sie haben. Die Geräte laufen zu häufig tagsüber, dabei könnte man sie genauso gut am Ende der Arbeitszeit mit Proben bestücken. Sie laufen nachts automatisch, und die Ergebnisse sind am nächsten Morgen fertig.
Die Prozesse lassen sich also so umgestalten, dass die verfügbaren Gerätekapazitäten möglichst optimal ausgenutzt werden. Am Ende stehen klare Spielregeln, wie Aufträge zu priorisieren sind, und es ist tagesgenau festgelegt, wann welches Gerät von wem verwendet wird. Die Durchlaufzeiten sinken vor allem durch die Einführung des Flussprinzips. Das bedeutet: Jeder Auftrag wird erst komplett erledigt, bevor man den nächsten angeht - und zwar inklusive der Dokumentation.
Mit der nötigen Sorgfalt lässt sich Lean Management also nicht nur in Werkshallen und klassischen Verwaltungen anwenden. Der Ansatz passt auch zu den sehr speziellen Prozessen der Pharmaindustrie. Schlanke Abläufe sind eben ein universelles Prinzip.
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