BASF richtet Forschung globaler und näher an den Kundenindustrien aus
Dr. Andreas Kreimeyer, Mitglied des Vorstands und Sprecher der Forschung der BASF, im Interview
Mit einem Wachstum von mindestens 2 Prozentpunkten über der Chemieproduktion will der BASF-Konzern bis zum Jahr 2020 einen Umsatz von 115 Mrd. € erzielen.
Einen maßgeblichen Anteil davon, 30 Mrd. €, sollen Innovationen erwirtschaften, die nicht länger als zehn Jahre auf dem Markt sind. Die Basis für diesen Erfolg ist demnach BASF-Forschung von heute. Ende vergangenen Jahres richtete der Konzern seine Forschung neu aus.
CHEManager befragte dazu Dr. Andreas Kreimeyer, Mitglied des Vorstands und Sprecher der Forschung der BASF. Die Fragen stellte Dr. Andrea Gruß.
CHEManager: Mit der Unternehmensstrategie „We create Chemistry" will die BASF auch in Zukunft das weltweit führende Chemieunternehmen bleiben. Wo sehen Sie die Wachstumstreiber für Ihr Unternehmen in der Zukunft?
Dr. Andreas Kreimeyer: Ein wichtiger Wachstumstreiber werden Innovationen für eine nachhaltige Zukunft sein. Im Jahr 2050 werden 9 Mrd. Menschen auf der Erde leben. Daraus ergeben sich enorme Herausforderungen, aber auch viele Chancen für die Chemieindustrie. Insbesondere in drei übergreifenden Bereichen werden Innovationen aus der Chemie zukünftig eine wesentliche Rolle spielen: Rohstoffe, Umwelt und Klima, Nahrungsmittel und Ernährung sowie Lebensqualität. Neue Produkte und Systemlösungen werden beispielsweise dazu beitragen, Ressourcen zu schonen, den Energiebedarf zu decken, gesunde Ernährung und sauberes Trinkwasser zu sichern sowie die individuelle Lebensqualität der Menschen weltweit zu verbessern.
Welchen Beitrag leistet die BASF-Forschung, um die eingangs genannten, ehrgeizigen Unternehmensziele zu erreichen?
Dr. Andreas Kreimeyer: Innovationen basierend auf chemisch-technischem Know-how waren, sind und bleiben das unverzichtbare Fundament für profitables Wachstum und nachhaltigen Geschäftserfolg der BASF. Zukünftig wollen wir unsere F&E-Aktivitäten noch stärker an den Bedürfnissen unserer Zielmärkte und Kundenindustrien ausrichten. Um weiterhin im Markt erfolgreich zu sein, genügt es nicht mehr ausschließlich, neue Moleküle zu erfinden. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, brauchen wir Systemlösungen, funktionale Materialien, Komponenten und neue chemische Effekte. Das Produkt der Chemieindustrie von morgen ist nicht mehr die Chemikalie allein, sondern Kompetenz in Chemie. Systemlösungen und Anwendungs-Know-how wollen wir interdisziplinär gemeinsam mit unseren Partnern und Kunden entwickeln, auch um die Zeit bis zur Marktreife eines Produkts zu verkürzen. Darüber hinaus legen wir künftig einen noch stärkeren Fokus auf langfristige Themen, die wir auch in so genannten Wachstumsfeldern bündeln, und eine stärkere Globalisierung unserer Forschung und Entwicklung.
Wie misst die BASF die Ergebnisse ihrer Forschung?
Dr. Andreas Kreimeyer: Als deutlich sichtbares Ergebnis unserer konsequenten F&E-Orientierung haben wir im vergangenen Jahr mit neuen Produkten, die weniger als 5 Jahre am Markt sind, einen Umsatz von etwa 8 Mrd. € erzielt. Ab 2020 wollen wir jährlich einen Umsatz von etwa 30 Mrd. € mit Innovationen erwirtschaften, die dann nicht älter sind als 10 Jahre. Der Erfolg unserer Innovationsplattformen wird permanent durch strategisches und operatives Controlling begleitet. Dazu haben wir eine Reihe von Indikatoren (KPIs) etabliert, um die Effektivität und Effizienz unserer Forschung zu überprüfen.
Geht mit der neuen Unternehmensstrategie auch eine Veränderung in der Aufstellung der Forschung und Entwicklung einher?
Dr. Andreas Kreimeyer: An der grundsätzlichen Ausrichtung und den Kernkompetenzen unserer vier großen Technologieplattformen hat sich wenig geändert. Im Detail haben wir die Organisation allerdings an vielen Stellen weiter optimiert und an die Herausforderungen der Zukunft angepasst. Dies betrifft insbesondere Arbeitsgebiete, die sich schnell entwickeln oder in den vergangenen Jahren durch Akquisitionen hinzugekommen sind. Ausdruck dieser Weiterentwicklung und der damit verbundenen Globalisierung ist auch der neue Zuschnitt der Technologieplattformen: Process Research & Chemical Engineering (Schwerpunktthemen; neue Technologien, Verfahren und Katalyse), Biological & Effect Systems Research (Schwerpunktthemen: Pflanzenschutz, Weiße Biotechnologie, Organische Elektronik), Advanced Materials & Systems Research (Schwerpunktthemen: polymere Materialien und Systemlösungen) und die BASF Plant Science (Schwerpunktthema: Pflanzenbiotechnologie).
Was unterscheidet die neuen Wachstumsfelder von den früheren Wachstumsclustern der BASF?
Dr. Andreas Kreimeyer: Mit unserer neuen Strategie fokussieren wir uns noch stärker auch auf zukunftsorientierte Wachstumsfelder in unseren Zielindustrien und bauen unsere Position in wegweisenden Querschnittstechnologien weiter aus. Diese neuen Wachstums- und Technologiefelder leiten sich von den früheren Wachstumsclustern ab und ergänzen bzw. ersetzen diese. Unsere Wachstumsfelder sind für BASF neue strategische Arbeitsgebiete mit überdurchschnittlichem Wachstums- und Umsatzpotential wie beispielsweise Pflanzenbiotechnologie, Organische Elektronik, Energiemanagement, Leichtbaumaterialien für mobile Anwendungen, Windenergie, Enzyme, Batteriematerialien, oder Wasseraufbereitung. Die Technologiefelder decken Querschnittstechnologien ab, die für die Bearbeitung der Wachstumsfelder notwendig sind: Rohstoffwandel, Materialien/Systeme und Nanotechnologie sowie Weiße Biotechnologie.
Welche Rolle spielt die BASF Future Business (BFB) in der neuen Struktur?
Dr. Andreas Kreimeyer: Die BASF Future Business hat Verantwortung für die Identifizierung, Analyse und Entwicklung von neuen Geschäftsfeldern. Ihre Aufgabe ist es, neue Wachstumsfelder zu bewerten, strategisch zu positionieren und damit letztlich ein attraktives Geschäft für BASF aufzubauen. Darum haben wir die operative Verantwortung der BFB durch die Etablierung von Innovation Business Units gestärkt. Zurzeit liegt der Fokus hier auf den Wachstumsfeldern Energiemanagement, Medizinprodukte und Organische Elektronik. Das Scouting-Team der BFB wird interessante Technologietrends aus allen Märkten der Welt aufnehmen und für die BASF zugänglich machen.
Die BASF pflegt in der Forschung und Entwicklung weltweit derzeit fast 2000 Kooperationen. Wo setzen Sie auf externes Know-how?
Dr. Andreas Kreimeyer: Unter den etwa 1950 F&E-Kooperationen, die wir im Jahr 2011 in der BASF-Gruppe unterhielten, sind Kooperationen mit Kunden und Start-up-Unternehmen, aber auch über 600 Forschungspartnerschaften mit Hochschulen. Unser weltweiter Know-how-Verbund beruht also auf einer intensiven Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Davon profitieren beide Seiten, denn Ergebnisse aus der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung können nur mit einem Industriepartner zu Produkten und Verfahren mit Marktrelevanz entwickelt werden. So gehören wir zu den Vorreitern bei „Industry-on-campus" Projekten wie dem Catalysis Research Laboratory CaRLa an der Universität Heidelberg, dem Batterie- und Elektrochemielabor BELLA am Karlsruher Institut für Technologie KIT oder der BASF Advanced Research Initiative an der Harvard University. Wir sind ein geschätzter Partner für Wissenschaftler aus aller Welt und erhalten weit mehr Kooperationsangebote als wir durchführen können.
Wie wird die BASF-Forschung künftig international aufgestellt sein? Welche Rolle spielt dabei Europa als Forschungsstandort für die BASF?
Dr. Andreas Kreimeyer: Verglichen mit unseren Hauptwettbewerbern ist unsere Forschung und Entwicklung momentan stark auf Europa, insbesondere Ludwigshafen, konzentriert. Um Kontakt zu neuen Kunden in den Wachstumsmärkten zu erhalten und den Zugang zu lokalen Talent-Pools sowie Innovations- und Technologiezentren sicherzustellen, ist eine forcierte Globalisierung unserer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten notwendig. Wir haben uns daher das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2020 50 % unserer Forschung und Entwicklung außerhalb Europas zu betreiben. Unsere Forschungsausgaben in Europa werden wir dabei weiterhin auf einem konstant hohen Niveau halten. Insgesamt erwarten wir, dass langfristig in Europa ein großer Teil der Finanzmittel und Mitarbeiter angesiedelt bleibt. Gleichzeitig sehen wir, dass insbesondere die Region Asien in Zukunft ein größeres Gewicht in der Forschungslandschaft haben wird. Ein Beispiel dafür ist das neue Forschungslabor, das wir demnächst in Schanghai eröffnen.