Haltermann: Eigentümerwechsel stärkt Marktposition
Neustart vor dem Hintergrund von 100 Jahren Geschichte, ehemaliger Dow-Bereich gehört nun H.I.G. Europe
Seit mehr als einem Jahrhundert steht der Name Haltermann für hochreine Raffineriechemikalien, die in der Automobil-, Pharma- und Kosmetikindustrie, in der Druck-, Laborchemikalien- und Elektronikindustrie sowie in der Kunststoffverarbeitung Anwendung finden. Zum 16. Juli 2011 wurde das für zehn Jahre zu Dow Chemical gehörende Unternehmen Haltermann in die H.I.G. Europe, Teil der H.I.G. Capital, übernommen. Das neue Unternehmen will nun die Vorteile seiner Eigenständigkeit nutzen und, auf seiner langen Tradition aufbauend, neues Wachstum generieren. CEO der neuen Haltermann ist Dr. Uwe Nickel, zuvor Vorstandsmitglied von Clariant sowie Leiter der Chemiegruppe der Beratungsgesellschaft Arthur D. Little. CHEManager interviewte ihn zu den ersten 100 Tagen des Neustartes von Haltermann.
CHEManager: Herr Dr. Nickel, Sie sind vor einem halben Jahr vielversprechend mit einem neuen Unternehmen gestartet, das auf mehr als 100 Jahre Spezialchemiegeschäft zurückblickt. Welche ersten Ziele hatten Sie sich gesteckt?
Dr. Uwe Nickel: Unsere Priorität Nummer eins war die übergangslose Versorgung unserer Kunden mit Produkten, während wir uns im Hintergrund neu organisierten. Unser Ziel war der reibungslose Übergang in ein eigenständiges Unternehmen mit allem, was an Infrastruktur dazugehört - also der Aufbau von Organisationsstrukturen, IT-Systemen und internen Services, die vorher von Dow aus verschiedenen Ser¬viceabteilungen zur Verfügung gestellt wurden. All dies mussten wir jetzt auf Haltermann als ein mittelständisches Unternehmen zuschneiden. Heute kann ich festhalten: Dieses Ziel ist vollumfänglich erreicht.
Unser zweites Ziel ist die Wiederbelebung der Marke Haltermann. Dabei bauen wir u. a. auf die über 100-jährige Firmengeschichte, auch wenn sich das heutige Portfolio grundlegend von dem unterscheidet, mit dem Johann Haltermann einst angefangen hat.
Wie sehen Ihre Mitarbeiter und Kunden den Neustart?
Dr. Uwe Nickel: Wir haben von allen Seiten ein durchweg positives Echo bekommen, weil wir bereits nach kurzer Zeit unter Beweis stellen konnten, dass wir als jetzt wieder eigenständiges Unternehmen sehr flexibel und schnell agieren und entscheiden können. Dies gilt vor allem im Bereich der Test- und Referenzkraftstoffe, aber auch bei Produkten mit großem Volumen für die Bauchemie.
Stärkt der Eigentümerwechsel von einem Großkonzern zu einer Beteiligungsgesellschaft die Marktposition von Haltermann?
Dr. Uwe Nickel: Ohne Zweifel, dieser Wechsel stärkt unsere Marktposition. Ein Unternehmen in der Größenordnung von Haltermann lebt von Individualität und Flexibilität. Beides ist nur durch schnelle und kurze Entscheidungswege zu erreichen. In einem Großkonzern ist dies nur begrenzt möglich, selbst wenn er aus ergebnisverantwortlichen Business Units besteht, die in eigenem Interesse so gut wie möglich Prozesse vorantreiben. Ein Mittelständler ist in einer vorteilhafteren Ausgangsposition, wenn es um schnelle Entscheidungen und deren Umsetzung geht. Was in der Vergangenheit langer Entscheidungswege bedurfte, geht heute innerhalb kurzer Zeit, manchmal sogar innerhalb von Stunden. Damit können wir aufkommende Marktchancen nutzen und entsprechend agieren. Hier kommt uns zugute, dass unser Investor mit dem Mittelstand bestens vertraut ist und uns aktiv unterstützt. Darüber hinaus verfolgt H.I.G. Europe mit Haltermann eine Wachstumsstrategie, zu der auch Zukäufe gehören. Das wird unsere Marktposition weiter stärken.
Wo sehen Sie denn kurz-, mittel- und langfristig Wachstumschancen?
Dr. Uwe Nickel: Die vielen Bereiche, in denen wir tätig sind, haben teilweise nur eine begrenzte Abhängigkeit von Konjunkturzyklen oder werden durch entsprechende Trends positiv überlagert. Nehmen Sie z. B. die Bauchemie. Dort hat nicht nur der erneute Bauboom einen Beitrag zum Aufschwung geleistet, sondern Energiesparprogramme haben die Nachfrage nach Produkten, bei denen Haltermann gut positioniert ist, ebenfalls gesteigert. Ein anderes Beispiel ist die wieder boomende Automobilindustrie. Auch dort sind Innovationen gefragt, was sich in der Nachfrage nach unseren Spezialmischungen und Referenzkraftstoffen manifestiert. Und nicht zuletzt möchte ich Pharmaprodukte nennen, einen Markt, der insbesondere außerhalb Europas durch Generika wächst. Auch hier sehen wir Wachstumschancen.
Sie erwähnten Wachstum durch Zukäufe. Sie können sich also auch vorstellen, über Kooperationen oder Akquisitionen zu wachsen?
Dr. Uwe Nickel: Wir können uns dies sehr gut vorstellen und arbeiten dabei intensiv mit unserem Investor zusammen. Die Marke Haltermann genießt in der chemischen Industrie einen sehr guten Ruf. Sie steht für Qualität und Zuverlässigkeit und bietet somit die Möglichkeit für Diversifizierungen, nicht nur in branchennahe Bereiche, sondern auch für die Ausweitung bei der einen oder anderen Produktgruppe. Von Bedeutung ist dabei, dass eine gute Kenntnis des Marktes und der Branche jenseits des aktuellen Portfolios besteht. Hier sind wir mit der chemiespezifischen Kompetenz von H.I.G. Europe und der eigenen Erfahrung exzellent aufgestellt. Relevant ist dabei auch, dass H.I.G. Capital weltweit an über 70 Firmen beteiligt ist und wir somit Zugang zu einem großen und branchenübergreifenden Netzwerk haben.
Unsere Organisationsstruktur ist bewusst so gewählt, dass eine Expansion ohne wesentliche Adaptionen der Organisationsstruktur möglich sein sollte, solange sich Haltermann weiterhin in der Größenordnung des Mittelstands bewegt.
Nachhaltige Produkte und Verfahren werden künftig eine noch bedeutendere Rolle spielen. Wie sieht es damit bei Haltermann aus?
Dr. Uwe Nickel: Wir arbeiten daran und werden diesem Aspekt in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Nachhaltige Produkte werden kurzfristig sicher nicht unser Basisgeschäft mit rohölbasierten Produkten ersetzen. Dort, wo es ökologisch und ökonomisch Sinn macht, werden wir unsere Arbeit im Bereich dieser zukunftsweisenden Ergänzungen aber intensivieren.
Sie selbst blicken auf eine lange Laufbahn in und nahe der chemischen Industrie zurück. Welche Erfahrungen aus Ihren vorherigen Positionen helfen Ihnen bei Ihrer neuen Aufgabe und welche neuen Erfahrungen machen Sie jetzt?
Dr. Uwe Nickel: Als CEO von Haltermann habe ich die Ehre und auch die Pflicht, die gesamte Palette meines erworbenen Wissens, sei es in Produktion, F&E/New Business De¬velopment, im Produktmanagement oder bei M&A-Prozessen auf globaler Ebene einzusetzen. Das gilt insbesondere für mein Verständnis der Spezialchemie, genauer: das Verstehen von Produktpaletten und Märkten mit hohem Servicecharakter, was sich dann in Form von Kundenberatung und schnellen Reaktionszeiten auf Kundenanfragen umsetzen lässt.
Neben dem technischen Wissen um die Bedeutung der eigenen Produkte hilft mir natürlich auch meine internationale Managementerfahrung. Als ganz wichtig empfinde ich für meine Rolle, dass ich oftmals ohne den Rückgriff auf vorhandene Konzernstrukturen mit einem kleinen Team schnell und effizient viel bewegt habe. Auch meine frühere Beratungstätigkeit ist hilfreich, weil ich mich mit Problemstellungen in unterschiedlichen Bereichen der chemischen Industrie auseinandergesetzt habe. Aber ganz gleich, ob man an der Spitze eines Unternehmens mit 1,5 Mrd. € oder mit 200 Mio. € Umsatz steht, die persönlichen Herausforderungen sind ähnlich. Im Tagesgeschäft ist entscheidend, mit welcher Schnelligkeit man Dinge entscheiden und umsetzen kann und wie engagiert die Mitarbeiter sind. Bei Haltermann befinde ich mich hier in einer glücklichen Position, es wird einfach angepackt und umgesetzt. Wenn man dies auf einen Milliardenkonzern übertragen könnte, wäre dieser wohl unschlagbar; aber es wäre auch eine Herkulesaufgabe, weil man es mit sehr viel mehr Komplexität und Kulturen zu tun hat als in einem Mittelstandsunternehmen!
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