Europas Chemieindustrie wächst nur moderat
07.12.2011 -
Europas Chemieindustrie wächst nur moderat. Einbruch der Konjunktur wird nicht erwartet. Die Weltwirtschaft hat an Fahrt verloren. Dies gilt insbesondere für die Vereinigten Staaten, in denen sich das Wachstum wegen der Immobilien- und Finanzmarktkrise im bisherigen Jahresverlauf deutlich abgeschwächt hat. Inzwischen hat die wirtschaftliche Dynamik aber auch in Europa und einigen asiatischen Ländern nachgelassen. Die Preise für Öl und andere Rohstoffe zogen im ersten Halbjahr erneut an. Der Euro blieb stark. Diesen weltwirtschaftlichen Turbulenzen konnte sich die europäische Chemieindustrie nicht entziehen. Sie hatte bereits im Vorjahr einen Gang zurückgeschaltet. Zu Beginn des Jahres 2008 hat sich das Produktionswachstum weiter verlangsamt. Der zunehmende Kostendruck zwang die Unternehmen die Chemikalienpreise weiter anzuheben. Dies dämpfte im bisherigen Jahresverlauf das Umsatzwachstum. Auch bei den Exporten schwächte sich die Dynamik ab.
Für die kommenden Monate ist keine Besserung in Sicht. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum ist schwächer, der Euro stärker und das Öl deutlich teuerer, als man es noch vor ein paar Monaten erwartet hatte. Nicht nur in der Chemie, sondern auch in vielen anderen Branchen hat sich die Stimmung zuletzt eingetrübt. Die Verunsicherung nahm zu. Zahlreiche Wirtschaftsforscher haben zuletzt ihre Prognosen nach unten korrigiert. Insbesondere für 2009 wird eine deutliche Wachstumsabschwächung erwartet. Vor diesem Hintergrund wird das europäische Chemiegeschäft seinen Aufwärtstrend in den kommenden Monaten nur mit geringem Tempo fortsetzen.
Chemieproduktion wächst kaum
Dem Aufschwung im europäischen Chemiegeschäft ist die Puste ausgegangen. Nach dem rasanten Wachstum der vorangegangenen Jahre konnte die Chemieproduktion in Europa seit Mitte des Jahres 2007 kaum noch zulegen. Im zweiten Quartal ist das Wachstum auf nur noch 1% abgeschmolzen (Grafik 1). Damit lag die europäische Chemieproduktion im ersten Halbjahr 2008 nur rund 1,5% höher als ein Jahr zuvor.
Dabei liefen die Chemiegeschäfte in den einzelnen Chemiesparten unterschiedlich (Grafik 2): Allein die Pharmaproduktion konnte an die hohen Wachstumsraten der Vorjahre anknüpfen. In den ersten 4 Monaten des Jahres stieg die europäische Pharmaproduktion um knapp 4%. Die übrigen Chemiesparten hingegen enttäuschten und stagnierten auf dem Vorjahresniveau. Besonders stark traf die Konjunkturabkühlung die konsumnahen Chemikalien sowie die Hersteller von Fein- und Spezialchemikalien. In beiden Sparten wurde die Produktion gedrosselt. In den ersten vier Monaten lag sie rund 1,5% bzw. 1% niedriger als ein Jahr zuvor. Die drei Grundstoffsparten konnten demgegenüber zwar zulegen. Sie mussten sich zu Jahresbeginn aber mit einem leichten Produktionsplus begnügen.
Preisauftrieb beschleunigt
Seit Beginn des Jahres 2008 setzt sich der Preisauftrieb für chemische Erzeugnisse beschleunigt fort. Im vergangenen Jahr waren die Preise durchschnittlich noch um 2% gestiegen. In den beiden ersten Quartalen des Jahres 2008 verteuerten sich Chemikalien um rund 4% (Grafik 3). Die erneut kräftig steigenden Preise für Öl, Gas, und andere Rohstoffe zwangen die Chemieunternehmen zu deutlichen Preiserhöhungen. Sinkende Rohstoffpreise sind nicht in Sicht, so dass der Kostendruck auch in den kommenden Monaten anhalten wird.
Weiterhin deutliches Umsatzplus
Der Umsatz der europäischen Chemieunternehmen konnte auch im bisherigen Jahresverlauf weiter zulegen. Der Aufwärtstrend der vorangegangenen Jahre setzte sich nahezu ungebremst fort (Grafik 4). Allerdings darf das Umsatzwachstum von 5% für das erste Halbjahr nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschäfte zuletzt nicht mehr so rund liefen. Während die verkauften Mengen nahezu konstant blieben, konnten allein die Preise zulegen. Angesichts der schwächeren Weltkonjunktur und hoher Erzeugerpreise waren viele Kunden der Chemieunternehmen bei der Bestellung von Chemikalien deutlich zurückhaltender als noch im Vorjahr.
Das Auslandsgeschäft blieb eine Stütze der europäischen Chemiekonjunktur. Allerdings blieben die Zuwächse deutlich hinter denen der vorangegangenen Jahre zurück. Die Verkäufe der Branche jenseits der EU-Grenzen legten im ersten Halbjahr lediglich um rund 3% zu. Die Verkäufe an europäische Kunden wuchsen dynamischer. Der Branchenumsatz innerhalb der Europäischen Union stieg von Januar bis Juni um 5,5%.
Ausblick: Nur noch moderates Wachstum
Im bisherigen Jahresverlauf haben die europäischen Chemieunternehmen die weltwirtschaftlichen Turbulenzen bereits zu spüren bekommen. Das Mengenwachstum hat sich spürbar abgeschwächt. Der starke Euro und die Abkühlung der Weltkonjunktur belasten die Exporte. Der Kostendruck von Seiten der Rohstoff- und Energiemärkte hat zugenommen. Entsprechend zurückhaltend fällt inzwischen die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage durch die Unternehmen der Branche aus. Sie zeigen sich zunehmend unzufriedener mit der aktuellen Geschäftslage. Auch die Geschäftserwartungen sind rückläufig. Der Optimismus schwindet. In den Chefetagen der europäischen Chemieunternehmen geht man für die kommenden Monate von einer weiteren Abkühlung der Chemiekonjunktur aus. Im Juli hat der europäische Chemieverband Cefic seine Wachstumsprognose für das Geschäftsjahr 2008 bereits auf 2% gesenkt. Angesichts der bisher vorliegenden Zahlen könnte das Gesamtjahr 2008 sogar noch etwas schwächer ausfallen. Die europäische Chemiekonjunktur legt eine Wachstumspause ein, die sich bis ins kommende Jahr hinein fortsetzen wird. Einen Einbruch der Chemiekonjunktur wird es voraussichtlich aber nicht geben.