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Rohstoffe für die Zukunft - Recycling und Substitution sichern Versorgung

Recycling und Substitution von Edelmetallen sichern die Rohstoffbasis der chemischen Industrie

23.11.2011 -

Edelmetalle entwickeln sich zur knappen Ressource in der chemischen Industrie. Das Hanauer Edelmetall- und Technologieunternehmen
Heraeus trägt durch innovative Recyclingverfahren und die Entwicklung von Substitutionswerkstoffen dazu bei, nicht nur die eigene Rohstoffbasis, sondern auch die seiner Kunden langfristig zu sichern.

Dr. Andrea Gruß befragte dazu Dr. Frank Heinricht, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Heraeus.

CHEManager: Viele Zukunftstechnologien von Heraeus benötigen anorganische Rohstoffe. Welche davon sind für Ihr Unternehmen von besonderer Bedeutung?


Dr. Frank Heinricht: Dazu zählen praktisch alle Edelmetalle, die entweder in Reinform, als Legierungen oder chemische Verbindungen für Anwendungen in fast allen Industriebranchen benötigt werden. Das kann Platin für Katalysatoren oder pharmazeutische Wirkstoffe sein, Silber in Leitpasten für Solarzellen oder Gold für Bonddrähte in Mikrochips.

Auch hochschmelzende Sondermetalle wie Niob, das wir in Bauteilen für Natriumdampfhochdrucklampen in der Straßenbeleuchtung einsetzen, oder Metalle wie Indium und Gallium für die Beschichtung von Magnetdatenspeichern gehören zu unseren Rohstoffen. Nicht zu vergessen ist natürliches Quarzglas für Anwendungen in der Optik- und Halbleiterindustrie.


Wie ist es um die Ressourcen Ihrer Rohstoffe bestellt?


Dr. Frank Heinricht:
Bekanntlich sind die Edelmetall-Ressourcen sehr begrenzt. So werden jährlich nur etwa 500 t Platingruppenmetalle aus wenigen Minen weltweit gefördert. Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage an Edelmetallen kann der Bedarf allein über die Gewinnung aus Erz durch die Minen schon lange nicht mehr gedeckt werden; Recycling ist somit von essenzieller Bedeutung.

Heraeus konzentriert sich beim Recycling vor allem auf Edelmetalle in Industriekatalysatoren - etwa Platinnetze für die Düngemittelindustrie oder Schüttgutkatalysatoren für industrielle chemische Prozesse. Diese werden zu weit über 90 % zurückgeführt. Bei Platinkatalysatoren für die Ölraffination werden sogar 97 % Rückgewinnung erreicht. Somit geht nur wenig der wertvollen Ressourcen verloren.

Bei Quarzglas spüren wir keinen Ressourcenengpass, da wir das Rohmaterial als feinen Quarzsand aus einer großen Lagerstätte in Nordamerika beziehen und zurzeit auch noch weitere Lagerstätten erschlossen werden. Im Gegensatz zu den Edelmetallen können wir Quarzglas für viele Anwendungen wie die Lichtleitfaser für die Telekommunikation auch aus anderen Stoffen chemisch synthetisieren.


Welche Maßnahmen zur Rohstoff¬sicherung betreiben Sie bei Heraeus?


Dr. Frank Heinricht: Bei den Edelmetallen konzentriert sich die Produktion auf wenige Länder, besonders kritisch ist die Situation bei den Platinmetallen mit 90 % der Lieferungen aus zwei Ländern, Südafrika und Russland. Zur Rohstoffsicherung hat Heraeus z. B. mit Minengesellschaften langfristige Lieferverträge abgeschlossen und bezieht regelmäßig Metall von diesen.

Unser nationaler und internationaler Edelmetallhandel sorgt für die rechtzeitige Beschaffung und Bereitstellung der Edelmetalle für unsere eigene Produktion oder für solche, die von unseren Kunden anderweitig benötigt werden. Immer wichtiger zur Rohstoffsicherung wird unser Edelmetallkreislauf. Wir sind in der Lage, alle Edelmetalle selbst aus stark verdünnten Rücklaufen aus der Industrie aufzubereiten.


Wie wirkt sich die Rohstoffverknappung auf Ihr Geschäft aus?

Dr. Frank Heinricht: Bei Gold kam es aufgrund der hohen Nachfrage als Krisenwährung in diesem Jahr zeitweise zu Lieferengpässen bei der Herstellung und Prägung von Barren oder Münzen. Problematisch ist für uns eher die volatile Preisentwicklung bei Platinmetallen. Steigen die Preise von Platin an, entscheiden sich industrielle Anwender teilweise für Substitutionsprodukte. In Autokatalysatoren wird Platin durch das günstigere Palladium oder Goldbonddrähte wahlweise durch Kupferdrähte ersetzt. Wir müssen selber die Ersten sein, die Alternativen für Goldbonddrähte für Mikrochips und die Halbleiterindustrie den Kunden zur Verfügung stellen. In Singapur z. B. entwickeln wir Bonddrähte aus Kupfer.

Wir verlassen uns zudem nicht auf unser bestehendes Produktportfolio, sondern machen uns Gedanken, bei welchen Produkten aus neuen gesetzlichen Verordnungen, aus Kundensicht oder aus Ressourcensicht eine Substitution droht. Wir erweitern daher gezielt unser Portfolio mit nichtedelmetallhaltigen Produkten. So produzieren wir beispielsweise bei pharmazeutischen Antikrebsmitteln neben den etablierten platinhaltigen Wirkstoffvorprodukten auch durch Fermentation hergestellte Rubicine. Und wir beschäftigen uns ebenso intensiv mit neuen Werkstoffen für die organische Elektronik, wie ganz aktuell elektrisch leitfähigen Polymeren für Kondensatoren oder Touchscreens.


Welche Beiträge kann die Chemieindustrie zur Ressourcenschonung leisten?


Dr. Frank Heinricht: Hinsichtlich der Ressourcenschonung hilft uns die Chemie, Recyclingprozesse zu verfeinern und zu optimieren. In der chemischen Industrie beispielsweise fallen bei zahlreichen katalytischen Prozessen große Mengen flüssiger Rückstände an, die Edelmetallkatalysatoren in sehr geringer Konzen¬tration gelöst enthalten. Mit einem neuen Adsorptionsverfahren - einer Scavenger-Technologie - können auch gering konzentrierte, edelmetallhaltige Abfalllösungen effizient aufgearbeitet werden. Bislang konnten diese kaum oder nicht wirtschaftlich recycelt werden.

Die chemische Forschung ermöglicht zudem die Substitution kritischer Werkstoffe. Ein Beispiel: Hinter der intuitiven Bedienoberflächen eines Touchscreens steckt eine innovative Mikroelektronik auf dünnen, leitfähig beschichteten Folien. Als leitfähige Schicht wird bislang das spröde Indium-Zinn-Oxid (ITO) eingesetzt, das aufwendig und teuer aufgebracht werden muss und auch wegen seiner spröden Eigenschaften keine optimale Lösung darstellt. Durch Steigerung der Leitfähigkeit unserer elektrisch leitfähigen Polymeren können Polymer-beschichtete Folien nun auch in Touchscreens die ITO-Schichten ersetzen.


Welche weiteren Beiträge sind notwendig, damit der Technologiestandort Deutschland wettbewerbsfähig bleibt?


Dr. Frank Heinricht: Ein Land wie Deutschland, das über wenige Rohstoffe verfügt, muss sich weltweit durch Handelsabkommen mit Schwellenländern, über Rohstoffpartnerschaften und Zugang zu Primärlagerstätten absichern. Europaweite Richtlinien zum Recycling verschiedener Endprodukte wie Autokatalysatoren oder einheitlichem Produktdesign für Elektronikgeräte - die in Summe Tonnagen an Edelmetallen enthalten - sind für höhere Rücklaufquoten kritischer Metalle ebenfalls sinnvoll. Insgesamt benötigen wir einen ganzheitlichen Politikansatz auf europäischer Ebene. Die Ankündigung des BDI, den Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland durch eine Rohstoffallianz und eine damit verbundene Rohstoffdiplomatie zu verbessern, ist zu begrüßen. Neben dem strategischen Zugang zu Rohstoffen ist Recycling ebenso bedeutend.

Wir brauchen hierfür vor allem eine umfassende Forschungsförderung im Rohstoffbereich. Immer wichtiger werden dabei interdiszi¬plinär angelegte Forschungskooperationen, wie die gemeinsame Initia¬tive des Material- und Werkstoffkompetenznetzwerks Materials Valley und des Fraunhofer-Instituts für Silikatforschung unterstützt, die den Aufbau eines Instituts für ¬Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie forcieren. Mit diesem interdisziplinär aufgebauten Fraun¬hofer-Institut wird für das Rhein-¬Main-Gebiet ein wichtiger Kristallisationspunkt für Recycling- und Werkstoffthemen geschaffen. Davon werden wir in Zukunft sicherlich noch mehr benötigen, um einen wettbewerbsfähigen Beitrag zur Rohstoffsicherung leisten zu können.

Grundsätzlich gilt: Wir alle - Industrie und Gesellschaft - müssen dafür sorgen, den Verbrauch und Bedarf den vorhandenen Ressourcen anzupassen oder Wege ermöglichen, gebrauchtes Material über geschlossene Stoffkreisläufe wieder fast vollständig zurückzugewinnen.

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