Europäische und US-amerikanische Chemiekonzerne ziehen Bilanz
14.11.2011 -
Europäische und US-amerikanische Chemiekonzerne ziehen Bilanz. Kaum ein Unternehmen der Chemiebranche wurde verschont, als im November vergangenen Jahres die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen mit einer Geschwindigkeit nachließ, die selbst weltweit und breit aufgestellte Konzerne überraschte. Mit der Bau-, Automobil- und Elektronikindustrie waren erstmals seit Jahrzehnten gleich drei wichtige Abnehmerbranchen der chemischen Industrie vom konjunkturellen Abschwung betroffen. Nicht nur die Absatzmengen von Basischemikalien brachen ein, sondern auch der Markt für Spezialchemikalien liegt darnieder. Stabiler Geschäfte erfreuen sich lediglich die Pharma- und Pflanzenschutzsparten der Chemiekonzerne. CHEManager gibt einen Überblick über die Geschäftsentwicklung bei acht europäischen und US-amerikanischen Chemieunternehmen, die seit Mitte Februar ihre Zahlen für das Jahr 2008 veröffentlichten.
BASF solide finanziert
Erstmals seit dem Jahr 2001 meldete der weltweit größte Chemiekonzern BASF einen Quartalsverlust: -313 Mio. € betrug das Ergebnis nach Steuern im 4. Quartal 2008. Über das gesamte Jahr 2008 ging das Ergebnis (EBIT) um rund 12 % auf 6,46 Mrd. € zurück. Der Umsatz lag mit 62,3 Mrd. € um 7,5 % über Vorjahr. „Eine Trendwende ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Lage auf unseren Absatzmärkten verschärft sich. 2009 wird ein Jahr voller Herausforderungen werden, wie wir sie noch nicht erlebt haben“, sagte Vorstandsvorsitzender Jürgen Hambrecht Ende Februar. Mit ihrem diversifizierten Portfolio sei die BASF in der Rezession jedoch besser positioniert als andere Unternehmen der Branche. Zudem verfüge das Unternehmen über eine grundsolide Finanzierung und einen hohen Free Cashflow, der 2008 wie auch in den Jahren zuvor deutlich über 2 Mrd. € gelegen habe, sagte der BASF-Chef.
Hambrecht kündigte an, aufgrund der aktuellen Krise Sparprogramme beschleunigt umzusetzen. Weltweit sei für 2009 der Abbau von mindestens 1.500 Arbeitsplätzen geplant. Kurzarbeit gebe es derzeit bei rund 3.000 Mitarbeitern.
Für das laufende Geschäftsjahr erwartet das Unternehmen auch unter Einbeziehung der Akquisitionen von Ciba und Revus Energy einen Umsatzrückgang und einen noch deutlicheren Rückgang des Ergebnisses der Betriebstätigkeit aufgrund von Integrationskosten. Dabei strebt der Chemiekonzern an, zumindest seine Kapitalkosten zu verdienen und die Dividende konstant zu halten. Auch für 2008 wird die BASF eine Dividende auf Vorjahresniveau ausschütten.
Bayer trotzt der Krise
Rheinabwärts in Leverkusen ist die Stimmung noch etwas besser als in Ludwigshafen. „2008 war das operativ erfolgreichste Jahr in der langen Geschichte von Bayer“, zog Vorstandsvorsitzender Werner Wenning am 3. März die Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr. Der Umsatz des Chemie- und Pharmaunternehmens stieg 2008 um 1,6 % auf 32,9 Mrd. €, bereinigt um Währungs- und Portfolioeffekte entspricht das einem Plus von 4,4 %. Während die Sparten Healthcare (15,4 Mrd. € Umsatz, +6,9 %) und Cropscience (6,4 Mrd. € Umsatz, +13,9 %) hierzu mit kräftigen Zuwächsen beitrugen, ging der Umsatz von Materialscience um 4,6 % zurück. Das Konzernergebnis (EBITDA) verbesserte sich um 2,3 % auf 6,9 Mrd. €. Insgesamt lag die EBITDA-Marge des Konzerns bei 21,1 % (2007: 20,9 %) und das operative Ergebnis (EBIT) stieg um 1,3 % auf 4,3 Mrd. €. Dabei profitierte Bayer von seiner Ausrichtung auf die weniger von der weltwirtschaftlichen Entwicklung abhängigen Life-Science-Bereiche: „Unsere Konzernstrategie bewährt sich auch in einem schwierigen Umfeld“, betonte Wenning. Trotz erheblicher Risiken für die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft ist er für das laufende Jahr zuversichtlich: „Wir erwarten weitere Ertragssteigerungen bei Healthcare und Cropscience sowie einen deutlichen Abbau der Nettoverschuldung.“
Akzo Nobel macht sich fit für den Aufschwung
Auf den Schuldenabbau konzentriert sich auch Akzo Nobel. Der Chemiekonzern hat im vergangenen Jahr u.a. wegen hoher Abschreibungen aufgrund der Übernahme von ICI einen Milliardenverlust von 1,1 Mrd. € verbucht. Der Jahresumsatz der Niederländer lag 2008 mit 16,2 Mrd. € 6 % über Vorjahr. Das Ergebnis (EBITDA) ging um 1 % auf rund 2 Mrd. € zurück. Dabei sank das EBITDA insbesondere im 4. Quartal 2008 um 12 % bei konstantem Umsatz im Vergleich zur Vorjahresperiode. „Das harte Marktumfeld hat sich im neuen Jahr fortgesetzt“, sagte Hans Wijers, dennoch bleibe die Grundlage von Akzo Nobel solide. Restrukturierungen in allen Unternehmensbereichen sollen zu Einsparungen von 100 Mio. € pro Jahr führen und Akzo Nobel in Form bringen, um den Aufschwung zu nutzen, sobald er komme, sagte Wijers. Zwar wird sich der Konzern trotz der Finanzkrise in diesem Jahr refinanzieren können, angesichts der beispiellosen Unwägbarkeiten weltweit werde das Unternehmen sein Aktienrückkaufprogramm jedoch nicht zu Ende führen, kündigte der Konzern-Chef an.
Henkel setzt auf Marken und Qualität
Mit der Übernahme des US-Industriekleber-Herstellers National Starch im April 2008 von Akzo Nobel hat Henkel seine Abhängigkeit von der Krisen gebeutelten Automobilindustrie erhöht. Mit der Übernahme entfällt fast die Hälfte Jahresumsatzes auf die Klebstoffsparten, die seit Monaten einen starken Nachfragerückgang verspürt. Daher hat Henkel bereits seit längerem in einigen US-Werken die Arbeitszeiten reduziert und wird voraussichtlich auch für zwei deutsche Werke Kurzarbeit anmelden. Für das Gesamtjahr 2008 konnte der Konsumgüterkonzern seinen Umsatz um 8,1 % auf 14,1 Mrd. € steigern und erzielte dabei ein organisches Wachstum von 3 %. Das bereinigte betriebliche Ergebnis (EBIT) stieg um 6,6 % auf 1,46 Mrd. €. Trotz der widrigen Marktverhältnisse hält das Unternehmen an seinem Ziel fest, bis 2012 die Umsatzrendite von derzeit 10,3 % auf 14 % zu steigern. Hierzu sollen laufende Restrukturierungen mit erhöhter Geschwindigkeit umgesetzt werden, kündigte Henkel-Chef Kasper Rorsted an. Gleichzeitig wolle das Unternehmen noch stärker auf Qualität und starke Marken wie Persil, Schwarzkopf und Loctite setzen, die fast doppelt so schnell wachsen wie Henkel insgesamt.
Solvay senkt Nettoverschuldung
Beim belgischen Konzern Solvay zeigt sich 2008 ein ähnlicher Trend wie beim Bayer-Konzern: Während die Pharmasparte ein Ergebnisplus von 11 % verbuchte, ging das Ergebnis in den Sparten Chemicals (-31 %) und Kunststoffe (-40 %) stark zurück. Insgesamt verbuchte Solvay ein Minus von 19 % beim operativen Ergebnis (EBIT) bei einem Jahresumsatz, der nur 1 % unter dem Niveau des Vorjahres lag. Das Unternehmen hält trotz des deutlichen Ergebnisrückgangs im 4. Quartal 2008 von -66 % an seinen Zielen für die Reduktion der Nettoverschuldung fest und betont seine solide Finanzstruktur mit einem Verschuldungsgrad (net debt to equity ratio) von 34 %.
Huntsman spürt Besserung
Peter R. Huntsman, CEO des US-Konzerns Huntsman, beschreibt das 4. Quartal 2008 als Periode der größten Herausforderung in der Geschichte des Unternehmens. Der Konzern kündigte bereits vergangenes Jahr an, weltweit 10 % seines Personals abzubauen und verbuchte für das Gesamtjahr 2008 trotz hoher positiver Einmaleffekte durch die Ausgleichzahlungen von Hexion und Apollo nach der abgesagten Übernahme im Dezember 2008 einen Rückgang beim Ergebnis (EBITDA) von 30 % auf 643 Mio. US-$. Der Umsatz sank um 6 % auf 10,2 Mrd. US-$. Doch der Unternehmenschef sieht einen Stopp des negativen Trends: „Alle unsere Geschäftsbereiche beobachten einen Anstieg der Nachfrage seit Dezember 2008“, sagte Huntsman Ende Februar.
Chemtura kämpft gegen Liquiditätsengpass
Wie Huntsman hatte auch der US-Konzern Chemtura, der im 4. Quartal 2008 einen Verlust von 27 Mio. US-$ verbuchte, mit Engpässen bei der Liquidität zu kämpfen. Maßnahmen wie der Abbau von Lagerbeständen um 15 % innerhalb eines Quartals und der Abbau des Fach- und Verwaltungspersonals um 20 % sollen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in der Krise sichern. Auch für 2009 stehen die Kontrolle von Kosten, Cashflow und Liquidität ganz oben auf der Agenda von CEO Craig A. Rogerson.
Rhodia will weiter sparen
Bei Rhodia in Frankreich haben sich die Nachfragen nicht von ihren Tiefständen im Dezember erholt, meldete das Unternehmen im Februar. Rhodia rutschte im 4. Quartal wegen des Konjunkturabschwungs in die Verlustzone. Für das Gesamtjahr verbuchte der Spezialchemiekonzern einen leichten Umsatzzuwachs von 2,9 % auf 4,8 Mrd. €. Das Ergebnis sank um rund 10 % auf 664 Mio. €.
„2008 war ein Jahr der Kontraste“, sagte CEO Jean-Pierre Clamadieu: Der positive Trend stark sinkender Energie- und Rohstoffpreise im zweiten Halbjahr wurde durch den Nachfrageeinbruch in den Geschäftsbereichen Polyamide und Silcea im 4. Quartal überlagert. Clamadieu kündigte ein neues Kostensparprogramm an, das bis zum Jahr 2011 150 Mio. € einsparen soll.
Andrea Gruß