Wettkampf der Währungen
Schweizer Wirtschaft im Würgegriff des starken Franken
Die Schweiz leidet unter der Euro-Schuldenkrise. Was auf den ersten Blick paradox klingt, da die Schweiz kein EU-Mitgliedsstaat ist, hat einen realen Hintergrund. Der Franken wird als „Fluchtwährung" gegenüber dem Euro oder dem Dollar immer mehr aufgewertet. Euro gleich Schweizer Franken - diese Parität wird in der Schweiz nicht mehr ausgeschlossen. Für die Exportindustrie sind das düstere Aussichten.
Die Schweizer Wirtschaft kämpft mit dem starken Franken und droht den Kampf zu verlieren. Das ist zumindest die pessimistische Einschätzung in weiten Teilen der Unternehmerschaft. Immer häufiger ertönt der Ruf, die Regierung müsse eingreifen. Da die Margen wegbrechen, drohen Kurzarbeit und herbe Exportverluste.
Derweil helfen sich Schweizer Firmen, indem sie sich gegenseitig Rechnungen in Euro ausstellen. Der Euro ist zwar noch nicht offizielles Zahlungsmittel in der Schweiz, doch im Zahlungsverkehr von Unternehmen hat er teilweise schon diesen Status. Da nach Schweizer Recht die Freiheit besteht, auch in anderen Währungen statt des Franken Rechnungen aufzustellen oder zu erteilen, kommt dem Euro bereits die Rolle einer Vertragswährung, wie Heinz Hauser, Außenwirtschaftsexperte an der Universität St. Gallen beobachtet. Er habe das kommen sehen, sagte Hauser. „Das Währungsrisiko wird somit breiter verteilt."
In einer Studie sieht das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte bei Großkonzernen eine höhere Bereitschaft, Arbeitsplätze im Ausland anzusiedeln. „Die Lage ist alarmierend, die Krise könnte bevorstehen", sagte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann kürzlich. Es sei wahrscheinlich, dass die Beschäftigungssituation in der Schweiz in der zweiten Jahreshälfte unter Druck komme.
Wäre also eine Anbindung des Franken an den Euro eine Lösung? „Indirekt würde eine solche Maßnahme heißen, dass wir nicht nur die Währungsunabhängigkeit, sondern überhaupt die Unabhängigkeit aufgeben", sagte der Minister. Stattdessen will die Regierung Innovationen fördern oder dem Tourismus helfen.
Fest steht, dass der Exportboom der Schweizer Industrie des ersten Halbjahres außer bei den Uhrenexporten erst einmal vorbei ist - die Ausfuhren stagnieren und die Preise fallen. Wer die Preise nicht senkt, verliert seine Kunden. Und selbst wer noch gut exportiert, macht durch die Frankenhärte zum Teil schon rote Zahlen, wie die Maschinenindustrie feststellen muss.
An den Börsen wird eine Euro-Franken-Parität nicht ausgeschlossen. Für Konjunkturforscher Jan-Egbert Sturm von der ETH Zürich ist aber noch nicht alles vorbei. «Es ist nicht zuletzt ein Zeichen der Stärke, dass der Franken solche Höhen erklimmt», meinte er in einem Interview. Für die Koppelung des Frankens an den Euro sei jetzt, da der Euro 1,17 Franken koste, nicht der richtige Zeitpunkt. Und Steuererleichterungen für die vom starken Franken gebeutelte Exportindustrie sind für Sturm längerfristig nichts anderes als Subventionen, welche strukturelle Veränderungen blockieren und falsche Anreize setzen würden.
Also bleibt derzeit nur ein Mittel: Längere Arbeitszeiten in der Schweiz ohne Lohnausgleich, um die Produktivität zu steigern. Wie etwa beim Chemieunternehmen Lonza in Basel. Seit dem 1. Juli ist dort die Arbeitszeit befristet auf 18 Monate von durchschnittlich 41 auf 43 Stunden erhöht worden - mit Billigung der Gewerkschaften.
Jetzt warten alle darauf, dass der Franken schwächer wird. Er stand zum Wochenbeginn (1. August 2011) bei rund 0,88 Euro - also noch einige Schritte von der Parität entfernt. Am Dienstag (2.8.) kletterte er allerdings erstmal auf ein Rekordhoch im Handel im mit dem Euro: Zeitweise kostete ein Franken rund 90 Cent. Aktueller Hintergrund sind eine ganze Reihe überraschend schwacher Konjunkturdaten aus den USA: Wenn Investoren auf "Nummer sicher" gehen wollen, kaufen sie derzeit eben häufiger den Franken.
Autor: Heinz-Peter Dietrich, dpa