SKW Stickstoffwerke Piesteritz setzen auf Forschungskooperationen
Prof. Hans-Joachim Niclas im Interview
Die SKW Stickstoffwerke Piesteritz haben sich in den letzten Jahrzehnten vom Massenproduzenten für Harnstoff zum Hersteller von Düngemittelspezialitäten weiterentwickelt. 30 % des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen inzwischen mit speziell zugeschnittenen Düngemitteln. Über 100 Patente haben die Stickstoffwerke seit 15 Jahren weltweit angemeldet.
Dr. Birgit Megges befragte Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Joachim Niclas, Zentralbereichsleiter Forschung und Entwicklung der Piesteritzer Stickstoffwerke, zu aktuellen Forschungsthemen und laufenden Kooperationen mit Hochschulen sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
CHEManager: Herr Professor Niclas, welche großen Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft für die Düngerindustrie?
Hans-Joachim Niclas: Uns bewegt in der Forschung derzeit vor allem die Frage, wie man hohe und stabile Erträge in guter Qualität erreicht und außerdem den sich verändernden Anbaubedingungen und zunehmenden Witterungsextremen begegnet. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass die Landwirtschaft bezüglich des Klimawandels nicht nur Leidtragender, sondern auch Mitverursacher ist. Die Lösung sehe ich darin, hocheffiziente Düngemittel zu entwickeln, die einerseits die notwendigen Ertragssteigerungen ermöglichen und andererseits den unerwünschten Stickstoffeintrag in die Umwelt auf ein Mindestmaß reduzieren.
Wie gehen Sie diese Problemlösungen an?
Hans-Joachim Niclas: SKW Piesteritz verfügt über eine der wenigen, europaweit anerkannten, Düngemittel-Forschungseinrichtungen der chemischen Industrie in Deutschland, etwa 60 Mitarbeiter arbeiten in den Bereichen Chemische Forschung, Landwirtschaftliche Anwendungsforschung und Analytik.
In unserer Landwirtschaftlichen Anwendungsforschung in Cunnersdorf bei Leipzig erproben wir auf 170 ha die Ergebnisse unserer Forschung. In Labor-, Gefäß- und Feldversuchen wird geprüft, was gemeinsam mit den übrigen Forschungseinrichtungen entwickelt wurde. Die Kombination von gezielter Produktforschung und praxisnaher Anwendungsforschung hat sich dabei bewährt.
Welche Rolle spielt neben der Produkt- und der Anwendungsforschung die Grundlagenforschung?
Hans-Joachim Niclas: Eine bedeutende! Seit vielen Jahren arbeiten wir eng mit verschiedenen Hochschulen und Universitäten zusammen. Mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben wir sogar ein An-Institut - das Agrochemische Institut Piesteritz - gegründet. Damit kam Know-how hinzu, das von der Polymerchemie über die Pflanzenbiochemie bis hin zur Biotechnologie und Molekularbiologie reicht. Somit können wir entscheidende Impulse aus der Grundlagenforschung erhalten und gezielt in anwendungstechnischen Untersuchungen prüfen.
Sie legen viel Wert auf die Zusammenarbeit mit Universitäten. Was ist für Sie daran so wichtig?
Hans-Joachim Niclas: Für uns spielt die Zusammenarbeit zwischen universitärer und industrieller Forschung eine sehr große Rolle, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der interdisziplinären Kooperation. Dadurch können wir auf ein vielfältiges Methodenrepertoire zurückgreifen: Was wir selber nicht machen können, geben wir zu externen Partnern.
Wir arbeiten einerseits bilateral mit einzelnen Instituten zusammen, aber auch multilateral im Rahmen von Verbundprojekten. Außerdem haben wir Lehraufträge an der Universität Potsdam und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, durch die wir auch den Kontakt zu jungen Nachwuchskräften herstellen. Im Rahmen des ¬Agrochemischen Instituts sind bereits 15 Doktorarbeiten und eine Reihe anderer Ab¬schluss¬arbeiten begonnen worden, einige davon sind bereits abgeschlossen.
Haben Sie ein aktuelles Beispiel für eine Forschungskooperation?
Hans-Joachim Niclas: Bei der Entwicklung eines Urease-Inhibitors haben wir u. a. eng mit der TU München, mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und mit der Universität Hohenheim zusammengearbeitet. Der entwickelte Hemmstoff bewirkt, dass sich die Umwandlung von Harnstoff in Ammoniak verzögert. Stickstoffverluste nach der Düngung mit Harnstoff, auch in Form von Ammoniak, sind bei der Einhaltung der Anwendungsempfehlungen in Deutschland und Mitteleuropa vernachlässigbar gering.
In tropischen und subtropischen Gebieten mit feucht-warmen oder auch trocken-heißen Bedingungen können die Ammoniakemissionen jedoch sehr hoch sein. In solchen Gebieten können die Verluste durch die Kombination von Harnstoff mit einem Urease-Hemmer deutlich reduziert werden. Im Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist eine neue Düngemittelspezialität entstanden.
Welche weiteren Forschungsansätze gibt es? Was erwartet der Markt?
Hans-Joachim Niclas: Tatsache ist: Die herkömmliche Düngung ist ein Auslaufmodell. Wir konzentrieren uns in unserer Forschungsarbeit darauf, umweltrelevante Stickstoffbelastungen zu reduzieren, die bei der Anwendung von Düngemitteln in der Landwirtschaft entstehen können. Unsere Düngemittel unter dem Namen „Alzon" stehen für eine umweltgerechtere und zugleich effizientere Landwirtschaft.
Was unterscheidet diese Düngemittel von herkömmlichen N-Düngern?
Hans-Joachim Niclas: Unsere Alzon-Dünger basieren vornehmlich auf dem in der Herstellung und im Einsatz bereits sehr effizienten Harnstoff, der im Ertrag und N-Entzug, wie in vielen amtlichen Versuchen nachgewiesen, den anderen üblichen Stickstoffdüngern gleichwertig ist. Die Dünger enthalten jedoch im Gegensatz zu den herkömmlichen Stickstoffdüngern zusätzlich einen Stickstoffstabilisator. Dieser bewirkt, dass der natürliche Umwandlungsprozess vom Ammonium in das auswaschungsgefährdete Nitrat zeitlich verzögert wird.
So kann der Nitrataustrag mit stabilisiertem Stickstoff gegenüber konventionellen Düngesystemen nahezu auf das Niveau der unvermeidbaren Verluste nicht gedüngter Flächen herabgesetzt werden. Mit dem Stickstoffstabilisator werden die auftretenden Lachgasemissionen erheblich gesenkt und die N-Effizienz gesteigert. Mehr Stickstoff in der Pflanze bedeutet im Umkehrschluss, dass weniger Stickstoff in die Umwelt, Wasser oder Luft entweichen kann.
Deshalb sind unsere Produkte auch in Umweltschutzprogramme oder Anwendungsempfehlungen für Wasserschutzgebiete aufgenommen worden.
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