REACH: Lösemittelrecycling und Abfallstrategie
16.03.2011 -
REACH: Lösemittelrecycling und Abfallstrategie - Drei Strategien zum Schutze der Menschen und der Umwelt beschäftigen die Europapolitik: die Chemikalienpolitik, die Abfallstrategie und die Strategie zur Schonung der Ressourcen. Die stoffliche Verwertung – und hier exemplarisch die Lösemittelaufbereitung – berührt alle drei Strategien. Die zurzeit am weitesten ausdiskutierte Strategie ist sicherlich die europäische Chemikalienpolitik unter dem Stichwort REACH. Chemische Stoffe, die innerhalb der EU Anwendung finden sollen, müssen von den Produzenten oder Importeuren registriert werden. Die Diskussionen über die Inhalte soll an dieser Stelle nicht durchgeführt werden. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die stoffliche Verwertung (das Lösemittelrecycling) zu beurteilen ist und welche Auswirkungen sich daraus ergeben.
Auswirkungen durch REACH
Noch wird auf den geänderten Entwurf der Kommission aus Brüssel nach der Sommerpause gewartet, dann werden die Unternehmen erfahren, ob der Begriff des Produzenten definiert wurde, oder ob die „stoffliche Verwertung“ als Downstream- User explizit erwähnt wird. Die im Verband Chemiehandel (VCH) organisierten Lösemittelaufbereiter haben zu diesem Thema ihre Meinung geäussert, diese mit ihren europäischen Kollegen innerhalb der „European Solvent Recyclers Group“ und artverwandten Verbänden diskutiert und gegenüber der Kommission in Brüssel vertreten: Der Produzent chemischer Stoffe stellt aus verschiedenen Rohstoffen durch chemisch-/physikalische Reaktionen „neue“ Stoffe mit neuen molekularen Strukturen und neuen Eigenschaften her. Der Lösemittelrecycler hingegen trennt durch chemisch- /physikalische Reaktionen ein Gemisch verschiedener Stoffe. Er verändert die molekularen Strukturen dieser Stoffe nicht. Das Ergebnis seiner Tätigkeit ist das gereinigte Lösemittel bzw. die gereinigte Zubereitung, wie sie auch vor der Bearbeitung vorgelegen hat. Daraus resultierend versteht sich der Lösemittelrecycler als Downstream- User im Sinne des REACH.
Qualitätsrecycling
Die im VCH vertretenen Lösemittelrecycler haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind und verstehen unter dem Begriff „Qualitätsrecycling“ nicht nur das Erreichen von Reinheitsgraden, sondern auch: _ die Beratung und Bereitstellung von Spezialgebinden für die sortenreine Sammlung verschmutzter Lösemittel, _ die Übernahme und den Transport verschmutzter Lösemittel mit den dafür geeigneten Transportmitteln, _ die Analytik der eingehenden Lösemittel – inklusive Rückmeldung an den Verursacher bei Anomalien, _ eine Anlagentechnik und Lagerhaltung, die sowohl den gesetzlichen Anforderungen, als auch den ökologischen Anforderungen entspricht. Die Mitarbeit der Verbandsmitglieder hat zu einer Berücksichtigung von Lösemittelaufbereitungsanlagen innerhalb des BREF (Best Available Techniques Reference Documents erarbeitet vom EIPPCB (European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau)) geführt, _ Produktüberwachung durch hochwertige Analytik, _ verantwortungsbewusstes Marketing, Bereitstellung von Spezialgebinden für emissionsfreie Versorgung, Produktverantwortung und Anwendungsberatung.
Abfallverwertung
Mit der Einführung der europäischen Abfallverordnung und den daraus resultierenden nationalen Abfallgesetzen (Abfall- und Kreislaufwirtschaftsgesetz) ist es gelungen, dem verwirrenden Sprachgebrauch Einhalt zu gebieten. Es wird klar unterschieden zwischen dem „Abfall zur Beseitigung“ und dem „Abfall zur Verwertung“ mit der Unterscheidung „stoffliche“ und „thermische“ Verwertung. Zielvorgabe war es, die Verwertung zu fördern. Heute muss man jedoch feststellen, dass dieses Ziel nur indirekt erreicht wurde. Nutzniesser der bestehenden Regelung ist die thermische Verwertung. Es hat sich gezeigt, dass die Abgrenzung zwischen der „stofflichen Verwertung“ und der „thermischen Verwertung“ nicht ausreichend ist, um der „stofflichen Verwertung“ die gleichen Marktchancen einzuräumen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, dieses Ungleichgewicht zu revidieren. Zurzeit ist es so, dass nur ein Teil der Stoffe, die recyclierbar wären, einer stofflichen Verwertung zugeführt werden. Gerade heizwertreiche verschmutzte Lösemittel werden unter dem Begriff der „thermischen Verwertung“ verbrannt, obwohl diese Stoffe größtenteils in den hochwertigen Anlagen der Qualitätsrecycler zurückgewonnen werden könnten. Laut Definition nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz können Abfälle nicht wieder zu Produkten werden. Erst durch die stoffliche Verwertung entstehen „neue“ Produkte. Am Beispiel der Lösemittelaufbereitung und des Fassrecyclings sehen wir jedoch, dass keine „neuen“ Produkte entstehen, sondern Produkte, wie sie bereits vorher vorhanden waren. Somit ist es sinnvoll, an dieser Stelle eine Korrektur im Sprachgebrauch wieder einzuführen, die mit der Begriffsbestimmung „Abfall“ fallengelassen wurde: „Rohstoffe zweiten Grades“ (Materie prime secondarie, secondary rawmaterials). Die Rohstoffe zweiten Grades sind der stofflichen Verwertung zuzuführen. Sie sind aus dem Abfallbegriff herauszunehmen. Das heisst, die in den Rohstoffen zweiten Grades enthaltenen Produkte bleiben bestehen und müssen nicht neu „produziert“ werden. Die bestehenden Überwachungssysteme sind bereits heute ausreichend, um einen Missbrauch bzw. unsachgemässen Umgang mit dem gebrauchten Lösemittel wie in früheren Zeiten zu verhindern.
Fazit
Lösemittelrecycling ist ein hervorragendes Beispiel für die Möglichkeit, begrenzte Ressourcen dauerhaft und nachhaltig zu schonen. Die thermische Verwertung erzielt lediglich einen einmaligen energetischen Nutzen. Würden mit REACH Registrierungskosten – in welcher Form auch immer – zusätzlich von den Lösemittelrecyclern zu tragen sein, wäre dieser Anteil und Aufwand nicht nachvollziehbar. Wie erwähnt, werden beim Qualitätsrecycling keine neuen Stoffe hergestellt, sondern die ursprünglich beim Produzenten erzeugten – und registrierten – Stoffe in hoher Qualität zurückgewonnen und von Verschmutzungen getrennt. Die Belastung wäre einerseits ein zusätzliches Vermarktungshemmnis und andererseits wiederum ein finanzieller Vorteil für die „thermische Verwertung“, die diesem Kostenfaktor nicht unterliegen würde. Lösemittelrecycling hat es bereits gegeben, bevor die „stoffliche Verwertung“ ein politisches Argument wurde. Wenn heute jemand bereit ist, Neuinvestitionen im Bereich Lösemittelrecycling durchzuführen, muss er länderabhängig damit rechnen, dass von der Planung über Genehmigungen, Bewilligungen, Ausführung, Abnahmen und Aufnahme der Tätigkeit zwischen drei bis fünf Jahre vergehen könnten. Investitonen, die man nicht tätigen wird, solange Unsicherheit darüber besteht, wie die stoffliche Verwertung demnächst auch rechtlich abgesichert ist. Jetzt ist die Politik gefordert, Klarheit und die Grundlage für die Zukunft zu schaffen. Lösemittelrecycling, ein Randgebiet? Ja! Hohe Umsätze? Eher nein! Viele Arbeitsplätze? Auch eher nein! Aber ein Wirtschaftszweig, der bisher ohne Subventionen überleben konnte, der einen wesentlichen Beitrag für die Ökologie und den Klimaschutz leistet und den man nicht innerhalb „neuer“ Strategien vergessen sollte.