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Mythos „Bio“

Freizügige Verwendung eines Begriffes

01.11.2010 -

Eine freizügige Verwendung des Begriffs „Bio..." gibt es schon lange. Seitdem intensiver über den Klimawandel diskutiert wird, wird dieser Begriff in unerträglicher Weise überstrapaziert und mißbraucht. „Bio..." soll die Umwelt schonen und den Klimawandel stoppen. Bio-Ethanol, Bio-Kraftstoff, Bio-Diesel, Flex-Fuel, usw: Selten ist soviel pseudowissenschaftlicher Unfug verbreitet und Otto Normalverbraucher so hinters Licht geführt worden - und zwar von Politikern, von der Autoindustrie, Werbeleuten, und leider auch von vermeintlichen Ökologen und Umweltschützern. Das Ganze geht mit gewaltigen Subventionen einher und entwickelt sich zu einem großen Geschäft - wobei es leider in den meisten Fällen weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar ist. Es lohnt sich, diese Begriffe einmal ohne die ideologische Vernebelung zu betrachten, mit denen sie mehr und mehr umgeben sind.

Im Fall von Biodiesel ist dies leider jahrelang geschehen und hält noch an. Ich habe oft das Leuchten in den Augen der unbedarften Öko-Freaks gesehen, wenn sie von ihrer klimaneutralen Tankfüllung sprachen, so als hätten sie bei einem kurzen Tankstopp am Rapsfeld persönlich die Pflanzen in ihre Tanks gestopft. Für die Produktion von Biodiesel, präzise gesagt veredeltem Rapsöl, muss gepflügt, geeggt, gepflanzt, gedüngt, gespritzt und geerntet werden: Alle Schritte sind beim Bauern mit erheblichem Energieeinsatz verbunden. Die geernteten Pflanzen müssen zur Ölmühle gefahren werden (die meist noch nahe liegt); das Öl wird dann in eine Raffinerie (die meist weit entfernt liegt) gefahren und dort in einem chemischen Prozess verestert und methyliert, energieaufwendig und mit hohem Transportaufwand. Bilanziert man den gesamten Energieaufwand, bis Biodiesel dann im Tank landet, sieht es mit der Klimaneutralität höchst mager aus. Leider wird auch die ökologische Komponente meist verschwiegen: Die Produktion von Rapsdiesel bedingt gigantische Monokulturen mit Düngeaufwand und Aufwand an Spritzmitteln, so dass Ökologen und Landschaftsschützer eigentlich laut aufschreien müssten.

Ähnlich sieht die Situation bei „Bio"-Ethanol aus. Der Begriff an sich ist schon Unsinn, denn jegliches im Handel befindliche Ethanol ist ohnehin ein Produkt der alkoholischen Gärung. Zwar lässt sich Ethanol prinzipiell auch aus Erdöl oder Erdgas durch chemische Umwandlungen gewinnen; diese Prozesse sind aber viel zu teuer, um Alltagsprodukte wie Spiritus zu gewinnen. Ethanol als Kraftstoffzusatz bedingt also zunächst den Anbau von Pflanzen, die Zucker oder Stärke produzieren, mit allem dazugehörigen Energie- und Transportaufwand. Danach muss dieser Zucker (oder die Stärke nach einer Umwandlung zu Zucker) mit Hilfe von Hefen vergoren werden. Wie jeder Winzer, Bierbrauer oder Schnapsbrenner weiß, entsteht dabei ein Produkt mit 5-15% Alkoholgehalt, je nach anfangs vorhandener Zuckerkonzentration. Selbst wenn diese viel höher wäre, könnte keine der derzeit verfügbaren Hefen mehr als etwa 18% Alkohol produzieren - sie würde sich dabei selbst stoppen. Da für eine Verbrennung des Alkohols mindestens 40-45% Alkoholgehalt notwendig sind (das weiß jeder vom Flambieren) und für den Motor gar 90-95%, muss aus dem Vergärungsprodukt mit 5-15% Alkohol durch Destillation erst Hochprozentiges gewonnen werden. Man kann schätzen, dass für einen Liter 90-95%igen Ethanol rund 10-20 l vergorene Maische verdampft werden müssen. Verdampfen Sie einmal 5 l Wasser vollständig auf dem Elektroherd und beobachten dabei den Stromzähler; es gibt Ihnen einen Begriff von dem dafür notwendigen Energieaufwand. Richtig problematisch wird die Situation dann, wenn als Ausgangsstoffe für die Vergärung nicht irgendwelche Reststoffe, die anderweitig nicht mehr verwertbar sind, genommen werden, sondern wenn Getreide, Mais oder Rüben gezielt dafür angebaut werden, um sie später zu „Bio"-Ethanol für Kraftstoff zu „verspriten". Man muss nicht religiös sein, um erhebliche Bedenken zu haben, wenn Lebensmittel extra dafür angebaut werden, damit sie später im Tank des Kraftfahrzeugs landen. Solange noch Menschen auf der Welt hungern, sollte dies auf keinen Fall gemacht werden: hier kommt zum ökologischen und ökomischen Unfug auch noch ein ethisches Problem hinzu. Ich habe mit Verwunderung festgestellt, wie gering die Proteste unserer großen Kirchen gegen diese - immerhin subventionierten - Schritte sind. Vielleicht planen sie sogar schon eine gemeinsame Änderung der entsprechenden Passage im Vaterunser: „...unser täglich Sprit gib uns heute."

Bei der ideologischen Vernebelung und dem fast durchweg mangelhaften Sachverstand bei Politikern aller Parteien geht oft unter, dass zumindest bei der Biogasproduktion die Chance besteht, einen ökologisch und ökonomisch halbwegs vernünftigen Schritt zur klimafreundlichen Produktion von Strom oder Gas einzuschlagen. Für den Fall, dass Reststoffe wie Speisereste, Maisstroh, tierische (oder menschliche) Exkremente, Restholz oder andere nicht mehr verwendbare Stoffe aus Biomasse bereitstehen, falls die Transportwege kurz sind und eventuell noch die Möglichkeit einer Kraft-Wärme-Kopplung gegeben ist, kann die Gesamtenergiebilanz ordentlich aussehen. Dies trifft auch auf die Produktion von flüssigen Brennstoffen im Biomass-to-Liquid-Verfahren (BTL) zu, obwohl hier die großtechnische Realisierung noch gezeigt werden muss. Wenn jedoch die Produktion von Getreide, Mais oder Zuckerrüben mit Subventionen angekurbelt wird, um daraus „Bio"-Gas oder „Bio"-Sprit für Kraftfahrzeuge zu produzieren, ist dies der falsche und wegen der darin gebundenen Subventionsmittel auch ökonomisch schlechteste Weg.

Fazit: Nicht bei allen Energieformen, die auf dem Etikett den Begriff „Bio..." tragen, ist der Inhalt auch wirklich ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Erneuerbare Energieformen gehören gründlich auf ihre Gesamtenergiebilanz und ihre Ökobilanz geprüft, bevor sie der Bevölkerung als Allheilmittel angepriesen werden und erst recht bevor Subventionen für ihre Einführung bereitgestellt werden. Die Gefahr besteht darin, dass wir uns von solchen falschen Etiketten täuschen lassen und bei der Umstellung auf erneuerbare Energien Wege einschlagen, die sich bald als Sackgasse herausstellen, mit hohen Verlusten und noch höheren Kosten für die dann notwendigen Kurskorrekturen.