Ein Schritt in die richtige Richtung
Mindestqualität bei der Produktion von Chemikalien soll weltweit vereinheitlicht werden
Unter dem Titel „Zeit zum Handeln - Qualitätsstandards für Feinchemikalien" veröffentlichte CHEManager im März dieses Jahres ein Round-Table-Interview mit EFCG-Vertretern. Diskutiert wurden Pläne der EFCG, Qualitätsstandards für Spezial- und Feinchemikalien weltweit zu verbessern bzw. dem Niveau, auf dem in europäischen Anlagen produziert wird, anzugleichen. Um das Thema erneut aufzugreifen befragte CHEManager Dr. Uwe Brunk, Leiter der Business Line Agro & Specialty Chemicals bei Saltigo, nach seiner Meinung zu diesem Thema.
CHEManager: Ist Ihrer Meinung nach die Wettbewerbsfähigkeit der westlichen Unternehmen durch asiatische Anbieter gefährdet, insbesondere durch unterschiedliche Qualitätsstandards in der Herstellung?
Dr. U. Brunk: Aus meiner Sicht steht hier ein absolutes „Ja!". Die Herstellung eines Produktes und die daraus resultierenden Kosten hängen sehr stark davon ab, welche Standards man einhält. Ein Produkt, welches mit 90% Reinheit hergestellt wird, ist in der Regel um ein vielfaches preiswerter, als wenn man ein Produkt mit 99,5% Reinheit erzeugen will. Die Frage zielt jedoch viel stärker auf unsere Voluntary Guidelines hin und die hören nicht bei Qualität auf sondern umfassen den gesamten Geschäftsprozess. Neben der Qualität gibt es weitere Faktoren, die einen erheblichen Einfluss auf die entsprechende Kostenstruktur haben: Umweltstandards, Arbeitssicherheit, aber mit Sicherheit auch eine Vielzahl anderer Fragen, zum Beispiel was die Konsistenz bzw. Gleichmäßigkeit der Erzeugung von Produkten betrifft oder gar des gesamten Managementprozesses. Diese Standards haben wir in den letzten 30 Jahren in Europa sehr erfolgreich verbessert zum Nutzen aller Stakeholder. Auch die Lebensqualität der Anrainer hat sich dadurch deutlich erhöht. In den letzten Jahren traten zunehmend neue Anbieter insbesondere aus Schwellenländern in den Markt und konnten einen signifikanten Anteil an dem Geschäft erlangen. In diesen Ländern - und ich möchte das nicht auf Asien allein beziehen - ist die Gesetzgebung bezüglich Umweltstandards oder Arbeitssicherheitsstandards noch nicht so weit ausgeprägt wie hier in Europa, weil in diesen im Aufbau befindlichen zukünftigen Industrieländern zur Zeit andere Themen, wie zum Beispiel die Verringerung der Armutsquote einen viel höheren Stellenwert haben.
Diese niedrigeren Standards hatten auch unter anderem zur Folge, dass man in diesen Schwellenländern kostengünstiger produzieren konnte. Das hatte Einfluss darauf, dass vermehrt etabliertes, traditionelles Geschäft europäischer Anbieter in diese Richtung abwanderte.
Wie beurteilen Sie die von der EFCG ins Leben gerufenen „Voluntary Guidelines" zur Gewährleistung der Qualität von Fein- und Spezialchemikalien, die in Europa auf den Markt gelangen?
Dr. U. Brunk: Ich bin einer derjenigen, der maßgeblich an der Entwicklung dieser Voluntary Guidelines seit fünf Jahren beteiligt war. Meinen Mitstreitern und mir ging es dabei jedoch nicht darum, Wettbewerber aus einem freien Markt auszuschließen sondern es war unser Hauptanliegen, die Anforderungen an eine Mindestqualität bei der Produktion von Chemikalien weltweit zu vereinheitlichen, damit keine neuen Risiken für den Verbraucher bei Veränderung der Supply Chain entstehen.
Auch wir waren in der Phase der letzten 10 Jahre durch erhöhten Preisdruck, der von den Endkunden ausgelöst wurde, gezwungen, uns zu überlegen, wie wir in Zukunft unser Geschäft verteidigen können, ohne dabei erhöhte Risiken einzugehen. Eine der Optionen war Outsourcing, d.h. die Vergabe eines Teils unserer Vorstufen an neue Spieler mit niedrigerer Kostenstruktur. Damit einher ging ein erhöhtes Risiko, denn wir hatten keine Erfahrung mit diesem Lieferanten. Um letztlich wieder ruhig schlafen zu können und nicht zu befürchten, dass die bestellte Ware entweder nicht in der richtigen Qualität zum richtigen Zeitpunkt oder am richtigen Ort eintrifft oder gar ganz neue andere Probleme aufwirft, haben wir diese Guidelines entwickelt. Mit dem bisherigen Resultat sind wir sehr zufrieden.
Wie wird das freiwillige Konzept der EFCG nach Ihrer Erfahrung im Markt/von den Kunden angenommen? Sind Kunden bereit, einen höheren Preis für qualitativ hochwertigere Produkte aus zuverlässigen, kontrollierten Produktionsanlagen zu bezahlen?
Dr. U. Brunk: Dieses freiwillige Konzept wird vom Markt und den Kunden prinzipiell positiv aufgenommen. Einige unserer Mitglieder, Großkonzerne, sind noch zurückhaltend, weil sie schon ähnliche aber etablierte Corporate Guidelines etabliert haben und es daher für diese Firmen keine Verbesserung gibt. Bei mittelständischen und kleineren Unternehmen ist es dagegen auf sehr positive Resonanz gestoßen und eine Vielzahl unserer Mitglieder hat diese Guidelines völlig oder in Teilen schon übernommen. Einige Mitglieder überlegen sogar, die Guidelines in ihrem Managementprozess komplett zu etablieren.
Im Markt sind wir auch auf durchweg positives Interesse gestoßen. So gleicht der amerikanische Verband SOCMA unsere Guidelines mit ihrem eigenen Programm Chem Stewardship zwecks potentieller Ergänzung ab. Bei Gesprächen mit dem indischen Chemieverband ICIC sind wir auf sehr positive Resonanz gestoßen. Man hat vor, dieses Konzept in Indien flächendeckend einzuführen. Andere Länder, wie China, haben uns auch schon kontaktiert.
Ich möchte Ihnen aber auch ein praktisches Beispiel für die Umsetzung geben: Bei einem Rohstoff, welchen wir von unserem Kunden zur weiteren Fertigung beigestellt bekamen, machten die Sourcingmanager ein gemeinsames Audit bei einer neuen Lieferquelle. Diese Lieferquelle erfüllte in einigen unserer VG-Punkten nicht die Anforderungen, weshalb beide Firmen beschlossen, lieber bei der etablierten Quelle zu höheren Konditionen diesen Rohstoff zu beziehen. Nachdem wir dies dem Lieferanten mitteilten, war er sehr stark interessiert, die entsprechenden Problembereiche zu bereinigen und auf höhere Standards zu etablieren. Dies hat er nun in der Zwischenzeit vollzogen und wird sicherlich nach dem nächsten Audit eine Chance bekommen, diesen Rohstoff auch an uns zu liefern. Dann werden wir uns auch sicherer fühlen, dass wir den von uns erwarteten Service auch in der erwarteten Qualität und Zuverlässigkeit an unseren Kunden abliefern werden.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, wenn es darum geht, Chancengleichheit, d.h. weltweit einheitliche und verlässliche Herstellungsbedingungen für Fein- und Spezialchemikalien zu etablieren?
Dr. U. Brunk: Das Konzept Voluntary Guidelines basiert wie der Name schon sagt auf freiwilliger Basis. Dies stellt auch eins der Probleme dar, denn wir sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Firmen daran teilnehmen, um entsprechende Mindeststandards weltweit zu erreichen. Erst dann werden wir in Ruhe schlafen können. Man erinnere sich noch an das Thema „Waldsterben" vor mehreren Jahren und auch dort hat man gesehen, dass zum Beispiel Luftverschmutzungen nicht an Ländergrenzen Halt machen.
Letztlich geht es uns hier in erster Linie um die Sicherheit für den Verbraucher und Endanwender. Es wäre sehr hilfreich, wenn wir als Chemische Industrie nicht nur von unten heraus versuchen, diese Anstrengungen zu unternehmen, sondern auch eine Unterstützung von oben - dem Gesetzgeber - bekommen könnten (nach der Devise: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser). Das Thema ist uns sehr wichtig, denn wir möchten nicht, dass es zu einem weiteren Fall wie melaminverseuchter Milch oder der acht Toten durch verunreinigtes Heparin in den USA kommt.