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Breites Wachstum im Blick

Sanofi-Aventis stellt sich weltweit als Gesundheitskonzern auf

08.02.2010 -

Ein breiteres Profil mit weniger Risiko - mit dieser Strategie will Sanofi-Aventis den Herausforderungen am weltweiten Pharmamarkt begegnen. Der französische Pharmakonzern - derzeit weltweit Nummer Fünf im Markt für Gesundheitsprodukte - erweitert derzeit massiv sein Portfolio an freiverkäuflichen Arzneimitteln und Generika, zuletzt durch die Gründung eines Joint Venture mit dem Vitaminproduktanbieter Minsheng Pharmaceutical in China. Bereits im Dezember wurde die Übernahme Chattem, Anbieter von Over-the-Counter-Gesundheitsprodukten in den USA, für 1,9 Mrd. US-$ bekannt. Betroffen vom Konzernumbau ist auch der Standort Frankfurt. Zwar plant das Unternehmen hier Investitionen von über 100 Mio. im Jahr 2010, kündigte aber auch den Abbau von rund 10% der Stellen in der Forschung an. Dr. Andrea Gruß befragte Dr. Martin Siewert, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Sanofi-Aventis Deutschland, zur Neuorganisation des Pharmakonzerns.

CHEManager: Nach Angaben von IMS Health verlieren in der Pharmabranche in den kommenden fünf Jahren Originalpräparate mit einem Umsatzvolumen von derzeit 140 Mrd. US-$ ihren Patentschutz. In wiefern ist Sanofi-Aventis von dieser Entwicklung betroffen?

Dr. M Siewert: Auch bei uns verlieren eine Reihe von Präparaten in den kommenden Jahren ihren Patentschutz, einige davon schon bis 2013. Klar ist deshalb, dass wir uns bereits jetzt für die Zeit danach aufstellen müssen, um weiterhin erfolgreich zu sein.
Wir sind mehr als zuversichtlich, dass wir es schaffen, den Umsatz zu stabilisieren und unsere Kostenstrukturen weiter zu verbessern. Eine wesentliche Herausforderung liegt dabei darin, die notwendigen Anpassungen bereits in „guten" Jahren vorzunehmen. Hinzu kommen Chancen durch potenzielle externe Wachstumsmöglichkeiten.

Sie wollen ohne ganz große Akquisitionen oder eine Fusion die Umsatzverluste ihrer Patentausläufe kompensieren. Wie genau soll das gehen?

Dr. M Siewert: Indem wir das Unternehmen weltweit einem Transformationsprozess unterwerfen. Die Diversifizierung von Sanofi-Aventis zu einem breit aufgestellten Gesundheitskonzern ist dabei das wesentliche Element. Sie wird uns zu nachhaltigem Wachstum verhelfen, das auf einem Portfolio mit einem reduzierten Risikoprofil basiert.
Wir werden weiterhin auf innovative, verschreibungspflichtige Produkte setzen und dafür Forschung und Entwicklung betreiben. Aber wir werden dabei verstärkt externe Innovationen suchen und uns wesentlich mehr als bisher für Kooperationen und Partnerschaften öffnen.
Unser Geschäft in den Schwellenländern wird an Bedeutung gewinnen, ebenso das mit frei verkäuflichen Arzneimitteln und Generika. Gerade in diesem Bereich hat der Konzern jüngst bedeutende Akquisitionen getätigt. Ich nenne hier als Beispiele Chattem, einen amerikanischen Markenartikelanbieter von Konsumgütern im Gesundheitsbereich oder die Generikaunternehmen Medley und Kendrick in Lateinamerika.
Last but not least setzen wir auf besonders starkes Wachstum in den Bereichen Impfstoffe, Diabetes und Onkologie. Das Diabeteskompetenzzentrum des Unternehmens ist ja bekanntermaßen Frankfurt. Dass dieses Geschäftsfeld künftig noch weiter an Bedeutung gewinnen wird, ist für uns hier am Standort Anerkennung und Verpflichtung zugleich.

Forschung und Entwicklung bleiben also, wie Sie sagen, eine wesentliche Säule im Unternehmen. Wie wird sich Sanofi-Aventis hier aufstellen, um angesichts einer wachsenden Komplexität in der Pharmaforschung den Nachschub in der Pipeline sicherzustellen?

Dr. M Siewert: Ein erster Schritt war, dass unser CEO Chris Viehbacher einen rigorosen und vollständigen Review unseres F&E-Portfolios angestoßen hat. Weniger aussichtsreiche Projekte wurden beendet, so dass Ressourcen für neue Möglichkeiten zur Verfügung stehen und wir nun mit robusteren Projekten, vor allem in den Phasen II und III dastehen.
In den Entscheidungsprozessen reduzieren wir Komplexität, mit dem Ziel, schneller und flexibler zu werden und mehr Unternehmergeist zu fördern. Noch mehr als bisher, werden der Patient und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Die intensive Zusammenarbeit von F&E mit Marketing und Vertrieb wird aus diesem Grund quasi institutionalisiert.
Wir werden uns weniger auf uns selbst konzentrieren, sondern uns verstärkt für Kooperationen und externe Partnerschaften mit Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Biotech-Unternehmen öffnen. Jüngstes Beispiel hierfür ist die Akquisition von Bipar, einem innovativen kleinen amerikanischen Unternehmen, das sich auf die Krebstherapie spezialisiert und uns den vielversprechenden PARP-Inhibitor BSI-201 eingebracht hat.
Im Übrigen sollten wir nicht vergessen, dass unser Unternehmen gerade einen schönen Erfolg aus der eigenen Forschung und Entwicklung verbuchen konnte: Die Zulassung von Dronedarone zu Behandlung von Vorhofflimmern, der ersten Innovation in diesem Bereich seit mehr als 10 Jahren.

Welche Rolle spielt bei all dem der Standort Deutschland? Noch forscht und produziert Sanofi-Aventis hier in großem Umfang. Welche Perspektiven sehen Sie speziell für die Labors und Betriebe im Industriepark Höchst?

Dr. M Siewert: Forschung und Entwicklung von Sanofi-Aventis wird auch in Zukunft in beachtlichem Ausmaß in Frankfurt stattfinden, aber eben etwas anders. Nicht alle Arbeitsgebiete werden wie bisher fortgeführt werden, mit moderaten Einschnitten müssen wir rechnen.
Dasselbe gilt für die Bereiche Produktion und Fertigung. Wir haben hier in den vergangenen Jahren große Investitionen getätigt und sind damit bestens aufgestellt. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen wir zuvor nicht so stark waren, wie etwa den Medizinprodukten.
Gerade was die Insulinpens anbelangt haben wir enorm aufgeholt und mit den Clickstar nach dem äußerst erfolgreichen Solostar inzwischen den zweiten Pen aus der eigenen Entwicklung auf den Markt gebracht. Unsere Kapazitäten lassen es zu, dass wir bis zu 1 Mio. Insulinpens am Tag fertigen.
Die Diabetesforschung, die Wirkstoffproduktion der Insuline, aber auch von oralen Antidiabetika und die Fertigung bilden hier in Frankfurt zusammen ein Diabeteskompetenzzentrum, das im Konzern einmalig ist und branchen- und weltweit seinesgleichen sucht. Insofern bin ich sehr zuversichtlich für den Standort.
Strategisch müssen wir uns weiter auf Hightech-Bereiche ausrichten, in denen wir auch langfristig wettbewerbsfähig sein können. Aber wir wollen uns auch verschlanken, um in Zukunft stark zu sein.

In welchen weiteren Regionen will Sanofi-Aventis künftig Wachstum generieren?

Dr. M Siewert: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass dem Wachstum in den traditionell umsatzstärksten Pharmamärkten der Welt, in den USA und Westeuropa Grenzen gesetzt werden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. In Deutschland hat die restriktive Ausrichtung der Gesundheitspolitik dabei eine wesentliche Rolle gespielt.
Umgekehrt verzeichnen wir in den Schwellenländern ein rasantes Wachstum. Sanofi-Aventis hat daran Teil und hält hier bereits jetzt einen Marktanteil von 6%. In Osteuropa, Lateinamerika, Afrika und dem Mittleren Osten sind wir jeweils Marktführer. In Asien sind wir schon heute sehr stark vertreten. Und wir wollen in diesen Regionen weiter stark wachsen.
Wir sollten, wenn wir über Märkte oder mehr noch über Schwellenländer reden, aber nicht nur die Umsatzbrille aufsetzen. Denn letztlich sind es die Menschen in diesen Ländern mit rasant wachsender Bevölkerung, die unsere Medikamente brauchen und ebenso wie wir in den westlichen Industrienationen am medizinischen Fortschritt teilhaben wollen. Das ist übrigens für uns auch der Grund dafür, dass wir „Access to Medicines" als integralen Bestandteil unternehmerischer Verantwortung betrachten.

 

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