Anlagenbau & Prozesstechnik

YIT Germany errichtet Lüftung für Bernhard-Nocht-Institut

04.04.2013 -

ReinRaumTechnik - „Biosafety Levels" (BSL) von 1 bis 4 klassifizieren die Schutzstufen für biologische Arbeitsstoffe. BSL4 ist die höchste Kategorie. Hier wird mit äußerst gefährlichen Keimen gearbeitet, daher kommt der Lüftung eine kritische Bedeutung zu. YIT ­Germany zeichnet sich verantwortlich für die Lüftung in allen vier BSL4-Laboren Deutschlands.

„Der Ausbruch der Infektionskrankheit Ebola im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo ist der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge außer Kontrolle." So melden es die Nachrichtenagenturen im Herbst 2012. Die Virus-Erkrankung Ebola führt in bis zu 90 % aller Fälle zum Tod. Eine Impfung dagegen gibt es nicht. Noch nicht - was einer der Gründe ist, warum Mediziner am Bernhard-Nocht-Institut (BNI) für Tropenmedizin in Hamburg mit den gefährlichen Fieberviren forschen.
Das BNI betreibt eines von vier Laboren der höchsten Sicherheitsstufe (BSL4) in Deutschland. Schwerpunkte der Forschung sind Malaria, hämorrhagische Fieberviren, Tuberkulose und Gewebewürmer. Und das BNI liegt mitten im Hamburger Stadtteil St. Pauli, zwischen Reeperbahn und Hafenstraße. Ein Entweichen der Erreger könnte katastrophale Folgen haben.
Die Experten der Niederlassung Hamburg des Gebäudetechnikspezialisten YIT standen also vor einer echten Herausforderung bei der Installation der RLT- und MSR-Anlagentechnik und der Errichtung des inneren Containments. Geplant wurden die TGA-Anlagen durch das Planungsbüro Weber & Partner Ingenieurgesellschaft für technische Gesamtplanung mbH aus Köln (Federführung Dr. Weber).
Das hier errichtete BSL4-Labor stellt eines der ersten geplanten und errichteten Labore dieser ­Sicherheitsstufe in Deutschland dar und wurde demzufolge in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro errichtet. Der Bereich des Containments besteht aus einem Hauptlabor mit innenliegendem Tierraum sowie einem Ergänzungslabor. Der Zugang zu diesem Bereich erfolgt über den äußeren Containmentbereich bestehend aus einem Vorflur mit Überwachungsraum. Zu dem jeweiligen Labor erfolgt der Zugang über eine Vorschleuse, eine mittlere Schleuse sowie eine Chemiedusche zur Personendesinfektion.
Vom Vorflur bis zu den Laboren besteht über alle Schleusenstufen eine Druckkaskade. Die Labore werden in einem Unterdruck von ca. 130 Pa betrieben. Alle Türen der Schleusenstufen werden über eine Türverriegelung in Bezug auf Türöffnung und Einhaltung der Druckkaskade gegeneinander verriegelt. In dem Bereich der mittleren Schleuse ist eine Notdusche zur Dekontamination im Gefahr- bzw. Störfall angeordnet. Alle inneren Laborbereiche bzw. deren Lüftungskanäle sind zur Dekontamination im Störfall bzw. zur Wartung von außen begasbar. Die Begasung erfolgt in je nach Erfordernis mit H2O2 oder Formalin. Die Arbeiten im inneren Bereich des Labors erfolgt unter Vollschutzanzügen mit externer Atemluftversorgung. Die Anschaltung der Anzüge erfolgt mittels Schlauch an die Anlage zur Atemluftversorgung.
Der Laborbereich kann als eine Einheit (Haupt- und Ergänzungslabor zusammen) oder getrennt je Labor betrieben werden. Im Verbundbetrieb können bis zu sechs Mitarbeiter gleichzeitig im Labor arbeiten.

Simulationen und Berechnungen zur Störfallvermeidung
Bei der Umsetzung musste die MSR-Technik speziell für die Raumdruckregelung gasdichter Räume sowie die Notwendigkeit zur komplexen Anlagenschaltung in Bezug auf die Unterdrucksicherungen in unterschiedlichen möglichen Störfällen angepasst werden. Diese Anpassung erfolgte zum einen in einem Laborversuch in den Räumen der YIT-Sondertechnik und zum anderen durch stufenweise Erarbeitung möglicher Anlagenbetriebsverhältnisse. Letztere wurden unter verschiedenen Bedingungen und den daraus resultierenden technisch notwendigen Umsetzungen untersucht, inklusive der möglicherweise auftretenden verschiedenen Störfallszenarien. Das innere Containment inklusive der komplexen Schleusen musste in ein existierendes Gebäude eingebracht und dort installiert werden. Eine weitere Bedingung war die Aufrechterhaltung eines gesicherten Unterdrucks und der Druckkaskade in den S4-Bereichen unter jeglichen Anlagenbedingungen. Randbedingung: Die hohen einzuhaltenden Sicherheitsstandards sollten mit „herkömmlicher" Anlagentechnik erreicht werden.
Die Anlagen wurden nach den aktuellen Vorschriften der VDE und VDI errichtet. Zusätzlich mussten die GenTSV sowie die Auflagen der genehmigenden Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) Hamburg und des TÜV erfüllt werden. Als oberster Grundsatz galt hierbei die Verhinderung des Austrittes von kontaminiertem und nicht autoklaviertem aktiven Material aus dem Containment, auch in Anlagenstörfällen aller Art. Die Bereiche des Hochsicherheitslabors und der angrenzenden Anlagenteile (Personenschleusen, Autoklaven, Materialschleusen) wurden nach der kanadischen Richtlinie auf Dichtigkeit geprüft. Die Räumlichkeiten durften in Gesamtheit inklusive aller Durchdringungen bei dem Test maximal einen Druckabfall von 250 Pa über einen Zeitraum bei einem Anfangsdruck von +500 Pa sowie -500 Pa aufweisen. Dieser Wert wurde vorher rechnerisch in Bezug auf die Raumgröße ermittelt und festgelegt.

Als weitere wichtige Richtlinien kamen zur Anwendung:

  • TRGS 526 - Laboratorien
  • TRBA 120 - Versuchstierhaltung
  • Laboratory Biosafety Manual
  • GenTG
  • Biosafety in Microbiological and Biomedical Laboratories US

Redundanzen für zusätzliche Sicherheit
Die RLT-Anlage für Zuluft und Abluft (ZUL/ABL) für den S4-Bereich ist zu 100 % redundant ausgelegt, um Ausfällen vorzubeugen. Sie hat eine Luftleistung von je 3.500 m³/h (externe Pressung ZUL 1.200 Pa / externe Pressung ABL 1.800 Pa).
Das Containment wurde als geschweißte Ausführung als Inhousesystem aus Edelstahl errichtet. Die Lüftungskanäle wurden bis zur gasdichten Klappe (Containmentgrenze) als geschweißte Ausführung verbaut, bis zu den RLT-Geräten wurden die RLT-Kanäle in Dichtigkeitsklasse D errichtet.
Die ZUL/ABL ist 2-stufig mit H13-Filtern ausgerüstet. Dies betrifft auch die lufttechnischen Durchführungen zur Raumdruckmessung sowie Druckluftversorgung. Die MSR-Anlagen sind ohne SIL-Einstufung mit einem redundanten Netzwerk ausgeführt. Bei Ausfall einer CPU oder bestimmter Komponenten (z. B. defekte Sicherungen) erfolgt je nach Fall eine Störab- bzw. Anlagenumschaltung.
Die Raumdruckregelung für den S4-Bereich wurde aufgrund der hohen Anforderungen an die Regelgenauigkeit und -schnelligkeit von elektrischer auf pneumatische Raumdruckregelung umgestellt. Im Rahmen des Projekts wurden hierzu Testaufbauten und Versuche im YIT-eigenen Entwicklungszentrum zum Nachweis der Eignung mit entsprechend positivem Ergebnis durchgeführt.
Die pneumatischen Regeleinrichtungen für die Volumenstrom- und Raumdruckregelung wurden in separate Schaltschränke im äußeren Containmentbereich installiert, lediglich die mechanischen Komponenten sind im Zwischendeckenbereich installiert. Daraus ergeben sich Vorteile bei der Inbetriebnahme und Wartung sowie beim Austausch von defekten Komponenten. Das Containment muss, soweit beim Betrieb nicht einzuhaltende Grenzwerte verletzt wurden und eine Zugänglichkeit zum Labor notwendig wird, nicht begast bzw. dekontaminiert werden.
Bei Störabschaltung der Anlagen werden die S4-Bereiche weiter in einem ausreichenden Unterdruck über eine separate Ersatzabluftanlage mit doppelter H13-Filterstufe 300 °C gehalten. Diese wird auch zur Rauchabführung bei Auslösung der Brandmeldeanlage genutzt.
Der S4-Laborbereich wird über eine vorgesteuerte Hochdrucknebellöschanlage geschützt, sodass es zu keiner hohen Hitzeentwicklung bei einem möglichen Brandausbruch im S4-Bereich kommt. Über eine gasdichte E90-Verglasung ist der S4-Bereich vom äußeren Containmentbereich aus einsehbar.
Die ursprüngliche Umsetzung des Projekts erfolgte von Mitte 2006 -2008. Zwischenzeitlich wurde das Projekt auf Grund baulicher Probleme ein halbes Jahr unterbrochen.
Ab 2009 wurde von YIT in enger Zusammenarbeit mit dem TÜV, der Behörde und eines Sachverständigen auf Grundlage der Risikoanalyse des Planungsbüros eine Betriebs- und Störfallmatrix entwickelt, welche sämtliche RLT-Anlagenfunktionen, Klappenstellungen bzw.
Meldungen darstellt. Diese Unterlagen - notwendig für jeden Laborbereich - dienten zur abschließenden komplexen Prüfung der gesamten Anlagentechnik im Zusammenspiel und bilden die Grundlage für die Wiederholungsprüfung der Anlage.
Im Nachgang erfolgte dann, ebenfalls auf Basis der Matrix, eine Anlagenoptimierung sowie die Wirk- und Komplexprüfung. Derzeit befinden sich die Anlagen in einer „scharfen" Probebetriebsphase, welche bislang ohne nennenswerte Probleme verläuft. Die Anlage bildete deshalb die Grundlage der Planungen für die weiteren S4-Labore, deren Anlagentechnik ebenfalls durch YIT errichtet wurde bzw. wird.

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