Wenn Technik und Biologie verschmelzen
19.06.2019 - Die sogenannte Biologische Transformation der industriellen Wertschöpfung kann – davon sind zahlreiche Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft überzeugt – in den nächsten Jahrzehnten die gesamte Industrie und Gesellschaft revolutionieren.
Was die Rahmenbedingungen, Chancen und Meilensteine auf diesem Weg sind, haben sechs Fraunhofer-Institute in den letzten Monaten untersucht und nun veröffentlicht.
Roboter, deren Steuerungsmodule ihre Energie über Photosynthese selbst erzeugen, Fermenter, die aus Essensresten Medikamente herstellen, oder Küchenschränke, in denen innerhalb weniger Tage die Zutaten für ganze Mahlzeiten wachsen – die Biologische Transformation soll es möglich machen. Dabei werden auch noch Energie und Wasser gespart sowie schädliche Düngemittel vermieden.
Mehrwerte der Biointelligenz
Diese Neuorientierung der industriellen Wertschöpfung bedeutet, zunehmend Materialien, Strukturen, Prozesse und Organismen der belebten Natur in der Technik zu nutzen. Eine solche systematische Anwendung von Wissen über biologische Prozesse führt dazu, dass Produktions-, Informations- und Biotechnologie immer mehr verschmelzen. Dies kann künftige Produkte, Herstellprozesse und unsere Lebensweise insgesamt tiefgreifend verändern – zum Wohl der Menschen und ganz besonders der Umwelt.
Zurzeit wird der Begriff Nachhaltigkeit meist mit ökonomischen Einbußen und Einschränkungen assoziiert. Die Biologische Transformation soll genau hier ansetzen und Nachhaltigkeit durch neue Konzepte und Innovationen wirtschaftlich und attraktiv machen. Sie bringt als Resultat sogenannte Biointelligente Systeme und die dafür notwendigen Technologien hervor, deren Potenzial vielfältig ist – von disruptiven Innovationen über die Modernisierung der deutschen Unternehmens- und Bildungskultur bis hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.
„Die Digitale Transformation der Produktion ist ja unter dem Schlagwort Industrie 4.0 bereits weit fortgeschritten. Es wird aber zunehmend klar, dass dies allein nicht ausreicht, um die essenziellen Herausforderungen der Gesellschaft zu meistern. Simultan zur Digitalen Transformation bahnt sich mit der Biologischen Transformation deshalb eine neue Revolution an. Sie ist mindestens von ebenso hoher, wenn nicht höherer Bedeutung als Industrie 4.0“, so Professor Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer IPA und einer der Autoren der Voruntersuchung.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Biotrain ist eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte und vom Projektträger Karlsruhe PTKA betreute Voruntersuchung. Die darin dokumentierte Analyse des Status quo zeigt, dass deutsche Unternehmen derzeit in vielen relevanten Bereichen der Biologischen Transformation, wie der Biotechnologie und der Informationstechnik, zwar nicht führend, aber in einer aussichtsreichen Position sind, wenn nun rasch die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Doch welche sollen das sein? Die nun öffentlich verfügbare Broschüre Biointelligenz, die gemeinsam von den Fraunhofer-Instituten IPA, IGB IML, IPT, IWM, IWU verfasst wurde, gibt Aufschluss darüber und stellt die wichtigsten Ergebnisse vor.
Zunächst lotet die Voruntersuchung die Position Deutschlands aus und analysiert die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken – auch im internationalen Vergleich. Im Anschluss werden die notwendigen Basistechnologien und zentralen Handlungsfelder vorgestellt sowie mögliche Entwicklungspfade und Szenarien durchgespielt. Dies leitet hin zur Entwicklung und Gestaltung einer positiven Vision für Deutschland. Konkrete Empfehlungen, insbesondere an die Politik, sind ebenfalls Thema der Broschüre. So raten die Autoren dazu, ein geeignetes politisches Rahmenwerk zur Biologischen Transformation zu schaffen und die Forschungs- und Transferaktivitäten in zehn identifizierten Handlungsfeldern zu intensivieren. Ferner sollten Bildungsprogramme angepasst und geeignete Rahmenbedingungen für etablierte Unternehmen wie Start-ups geschaffen werden.
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