Wasserstoff-Vorzeigeprojekt läuft erfolgreich
Positive Zwischenbilanz zum Energiepark Mainz
Neun Monate nach der Inbetriebnahme können die Betreiber der Power-to-Gas-Anlage ein durchweg erfreuliches Zwischenfazit ziehen: Die Elektrolyse im Mainzer Stadtteil Hechtsheim läuft fehlerfrei und hat die Erwartungen der Betreiber bisher voll erfüllt. Seit Juli 2015 hat die Anlage, die die Linde Group, Siemens und die Stadtwerke Mainz mit wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule RheinMain errichtet haben, etwa 18 000 Kilogramm Wasserstoff produziert. Mit dieser Menge könnte ein Brennstoffzellenbus der Mainzer Verkehrsgesellschaft etwa sechs Jahre lang fahren oder 25 Einfamilienhäuser mehr als ein Jahr klimaneutral beheizt werden.
Windkraft-Power to Gas
Die Anlage in Mainz ist die weltweit größte Anlage dieser Art und kann den zur Elektrolyse von Wasser notwendigen Strom zum Teil aus den vier benachbarten Windrädern der Mainzer Stadtwerke beziehen. Die Elektrolyse mit der PEM-Technologie (Proton Exchange Membrane) reagiert innerhalb von Millisekunden auf das schwankende Angebot erneuerbarer Energiequellen und ist damit schneller als bisherige Verfahren. PEM funktioniert auf Basis einer Protonen-Austausch-Membran als Elektrolyt. Diese Membran ist durchlässig für Protonen, aber nicht für Gase wie Wasserstoff oder Sauerstoff. Damit übernimmt die PEM in einem elektrolytischen Prozess unter anderem die Funktion des Separators, der die Vermischung der Produktgase verhindert. Die PEM-Elektrolyse ist wartungsarm und verwendet keine Gefahrenstoffe wie Laugen oder Säuren. Damit wird eine hohe Lebensdauer aller Komponenten erreicht. Gleichzeitig ist der produzierte Wasserstoff sehr rein und CO2-frei. Drei Elektrolyseeinheiten werden in der großen Elektrolysehalle betrieben. Während der Sauerstoff in die Luft abgegeben wird, wird der in Mainz erzeugte Wasserstoff in Trailer abgefüllt oder vor Ort gelagert.
Nach der Eröffnung im Juli 2015 wurde in Mainz-Hechtsheim zunächst ein spezielles Programm zur Erforschung und Erprobung der neuen Technologie abgearbeitet. „Die bisherigen Betriebserfahrungen mit der Elektrolyse erfüllen voll und ganz die Erwartungen, insbesondere was die Reaktionsgeschwindigkeit und den Wirkungsgrad der Anlage betrifft“, äußert sich Klaus Scheffer, Projektleiter von Siemens, zufrieden.
Baustein der Energiewende
Siemens, Linde und die Mainzer Stadtwerke sind überzeugt davon, dass Anlagen wie der Energiepark Mainz und das dahinter stehende technische Konzept zu einem wichtigen Baustein der Energiewende werden können. Denn bereits heute müssen Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen wegen fehlender Kapazitäten im Stromnetz zu bestimmten Zeiten abgeschaltet werden. Durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wird dieses Problem in den nächsten Jahren noch größer werden. Im Energiepark Mainz kann diese überschüssige elektrische Energie durch die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespeichert und der umweltfreundlich erzeugte Wasserstoff später bedarfsgerecht verwendet werden. Damit werden erneuerbare Energien flexibler einsetzbar und stehen dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden. Das setzt jedoch eine hohe Dynamik der Anlagen voraus, um rasch auf die Anforderungen durch das schnell schwankende Stromnetz reagieren zu können. „Die Anlage ist in Betriebsbereitschaft innerhalb weniger Sekunden regelbar, bei einem Kaltstart erreicht sie innerhalb von zwei Minuten ihre volle Leistung“, verdeutlicht Jonas Aichinger, Projektleiter der Stadtwerke Mainz. Die Maximalleistung beträgt rund sechs Megawatt. Der Energiepark kann damit den Strom von bis zu drei Windrädern aufnehmen.
Linde ist im Rahmen des Projekts für die Reinigung, Verdichtung, Speicherung, Abfüllung und Distribution des Wasserstoffs verantwortlich. Der produzierte, hochreine Wasserstoff wird sowohl von Industrieverbrauchern als auch für öffentliche Wasserstoff-Tankstellen verwendet. Die Anlage ist vom TÜV SÜD für die Produktion von zertifiziertem „grünem Wasserstoff“ qualifiziert. „Der Energiepark Mainz hat das vorhandene, lebhafte Interesse an ‚grünem Wasserstoff‘ noch einmal spürbar belebt“, sagt Dr. Christoph Stiller, Technology & Innovation Manager bei Linde. „Als Betreiber sind wir mit den bisherigen Erfahrungen mit der Elektrolyse und dem Verdichter sehr zufrieden. Das Konzept ist rundum überzeugend.“
Auch aus wissenschaftlicher Sicht fällt die Zwischenbilanz positiv aus: „Die Ergebnisse der ersten acht Monate haben die Datengrundlage geschaffen, um sich verschiedene Fahrweisen der Anlage anzusehen, sowohl aus technischer wie auch aus ökonomischer Sicht. Die wissenschaftliche Auswertung steht zwar erst am Anfang, es stehen noch eine Reihe von Versuchen aus - insbesondere mit der Einbindung der Windanlagen. Aber was wir bisher sehen und lernen ist vielversprechend“, erläutert Prof. Dr. Birgit Scheppat, Leiterin des Wasserstofflabors der Hochschule RheinMain. Die Hochschule hat die wissenschaftliche Begleitung des Forschungsvorhabens übernommen. „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden im Laufe dieses Jahres zunehmen. Ich bin optimistisch, dass am Ende des Projektes eine Menge an Wissen vorhanden sein wird, das für die Auslegung von Power-to-Gas-Anlagen und ihrer Fahrweise von hohem Wert ist.“
Einspeisung in Erdgasnetze
Eine weitere interessante Verwendung des Mainzer Wasserstoffs, die aktuell umgesetzt wird, ist die H2-Einspeisung in das Gasnetz des Mainzer Stadtteils Ebersheim. Unweit des Energieparks verläuft eine Gasleitung, die seit vielen Jahren die Bürgerinnen und Bürger von Ebersheim mit Erdgas zum Heizen und Kochen versorgt. Zunächst sollen dem Erdgas lediglich ein bis zwei Prozent Wasserstoff beigemischt, nach und nach soll der Anteil auf bis zu zehn Prozent erhöht werden. Die erfolgreiche Abnahme des Projekts durch TÜV und Eichamt ist bereits erfolgt, für die Bürger in Ebersheim ändert sich nichts: Sie werden die Beimischung des Wasserstoffs nicht merken. Das gesamte Gasnetz und alle Kundenanlagen in Ebersheim wurden in den vergangenen Monaten von den Stadtwerken auf ihre Wasserstoffverträglichkeit untersucht. „Wir tragen damit künftig zur Verbesserung der Klimabilanz des Erdgases bei, weil der beigemischte Wasserstoff klimaschonend erzeugt wurde und einen Teil des fossilen Erdgases ersetzt“, beschreiben die beiden Stadtwerke-Vorstände Detlev Höhne und Dr. Tobias Brosze die Vorteile dieses Pilotprojektes. Dass der Energiepark Mainz ein über Deutschland hinaus vielbeachtetes Projekt geworden ist, freut alle Partner: In den ersten neun Monaten konnten mehr als 1000 Besucher bei Führungen auf der Anlage begrüßt werden, darunter auch viele internationale Gruppen und Gäste. (vo)