Von der virtuellen Konstruktion zur realen Fabrik
Interview mit TTP Group-Geschäftsführer Andreas Bonhoff
Die TTP Group vereint die Traditionsmarken Pharmaplan und Triplan und bietet mit 26 Standorten in sechs Ländern Consulting- und Engineering-Dienstleistungen für die Prozessindustrie an. Als Generalunternehmer übernehmen die operativen Marken der Unternehmensgruppe mit Sitz in Rosenheim bei Anlagenbauprojekten nicht nur die Planung und Überwachung (Engineering, Procurement, Construction & Management, kurz: EPCM), sondern unterstützen die Auftraggeber zudem im On-site-Management. 2021 kann die TTP Group bereits jetzt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken. Geschäftsführer Andreas Bonhoff erläutert die Unternehmensstrategie und analysiert Markttrends.
CHEManager: Herr Bonhoff, innerhalb eines Jahres ist die TTP Group mit ihren operativen Marken von 20 auf 26 Niederlassungen und rund 1.000 Mitarbeitende gewachsen und ist nun in 6 Ländern vertreten. Was waren die wesentlichen Erfolgsfaktoren?
Andreas Bonhoff: Die Krise im vergangenen Jahr hat uns unter anderem eines gezeigt: Wir müssen unsere Abhängigkeit von Vorprodukten aus Märkten wie China oder Indien reduzieren und mehr auf regionale Märkte setzen. Unser Nukleus ist Europa. Von hier aus steuern wir unser organisches Wachstum und hier sehen wir in den nächsten Jahren die größten Marktchancen als spezialisierter Engineering-Dienstleister. Kundennähe, „State-of-the-art“-Engineering, Zuverlässigkeit und Erfahrung sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren, die unsere Kunden schätzen. Dies ist die Basis für unser nachhaltiges Wachstum.
„Wir müssen unsere Abhängigkeit von Vorprodukten
aus Märkten wie China oder Indien reduzieren
und mehr auf regionale Märkte setzen.“
Was ist die Unternehmensstrategie der TTP Group?
A. Bonhoff: Wir verfolgen eine konsequente Strategie, die sich im Wesentlichen auf vier Säulen stützt: Erstens: konstantes und profitables Wachstum in unseren Kernmärkten Chemie und Pharmazie, wo wir uns als Spezialanbieter bereits etabliert haben. Zweitens: Ausbau der Standorte in unseren Märkten als zentrales Element für eine flächendeckende regionale Präsenz. Drittens: Qualität der Leistungen, die auf unserem langjährigen Know-how und der digitalen Vernetzung über eine gruppenübergreifende Plattform für mehr als tausend Mitarbeitende basiert. Viertens: Etablierung als Technologieführer im Bereich der Digitalisierung.
Sie sind seit über 50 Jahren strategischer Partner der großen Pharma- und Chemieunternehmen sowie der CDMOs. Wie haben sich die Anforderungen Ihrer Kunden in den letzten Jahren verändert?
A. Bonhoff: Prinzipiell gibt es hier zwei Richtungen, die wir am Markt feststellen. Das sind zum einen der Bedarf an On-site-Services und die Nachfrage nach EPCMV-Partnern. Wir bieten beides: Allein in diesem Jahr haben wir sechs neue Standorte eröffnet, unsere belgische Gesellschaft neu aufgebaut und Österreich als Land neu dazu genommen. Unsere Ingenieure sind mit den spezifischen Anforderungen der Kunden vor Ort bestens vertraut, sie sprechen ihre Sprache und kennen alle spezifischen Regelungen. Dazu kommt unsere langjährige Expertise im Engineering. Sowohl Pharmaplan als auch Triplan setzen auf gewachsene Kundenbeziehungen.
Zusätzlich haben wir in der zweiten Marktrichtung Strukturen etabliert, um EPCMV-Projekte optimal zu realisieren. Wir haben die internen Prozesse in dieser Richtung weiter ausgebaut, um auch das zukünftige Wachstum zu sichern. Vor allem haben wir in moderne Technologien und Digitalisierung investiert, um dem steigenden Anspruch unserer Kunden immer gerecht werden zu können.
Sie haben bei Triplan einen neuen Geschäftsführer an Bord geholt und das Management Board neu aufgestellt. Welche Konsequenz hat das für die strategische Ausrichtung?
A. Bonhoff: Ja, wir haben uns bei Triplan mit Michael Haase, ehemals Vertriebsleiter bei Excyte und VTU und ein erfahrener Vertriebsspezialist, verstärkt. Dazu ist Pharmaplan-Geschäftsführer Stefan Filz nun als Country Head Germany für Pharmaplan und Triplan verantwortlich. Zum Site Engineering, was den Schwerpunkt der Aufträge bei Triplan bildet, liegt der zunehmende Fokus in der Durchführung von Großprojekten als Generalplaner. Dazu stellen wir unseren Kunden übergreifend Feasibility Studies, Detail Engineering sowie Construction Management zur Verfügung. Zusammen mit Dieter Hoffmann, dem verantwortlichen Leiter „nationale Projekte“, werden wir bei Triplan im EPCM-Geschäft einen neuen Schwerpunkt setzen und so die Marke im Markt weiter als hochqualifizierten Partner für die chemische Industrie positionieren.
Die TTP-Gruppe bezeichnet sich als Technologieführer und als der europäische Top-Spezialist für Premium-Ingenieurdienstleistungen. Womit begründen Sie dieses Statement?
A. Bonhoff: Schon vor über einem Jahr haben wir einen Transformationsprozess eingeleitet, der uns ermöglicht, branchenübergreifend und europaweit Optimierungsprozesse zu nutzen und unseren Kunden anzubieten. Wer uns beauftragt, profitiert vom Brainpool der gesamten Gruppe. Dank digitaler Vernetzung über eine gruppenübergreifende Plattform mit über tausend Experten verfügen wir über ein strukturiertes Kommunikationsnetzwerk, um den Erfahrungsaustausch in der Gruppe zu steuern. Mit unseren Communities of Interest, wie wir diese Expertenplattform nennen, bündeln wir eine herausragende Wissenskompetenz branchen- und länderübergreifend. Darüber hinaus haben wir eine Fortbildungsstruktur über alle Einheiten der TTP Group installiert. Insbesondere mit Blick auf zunehmende Anforderungen moderner Engineering-Methoden und die zunehmende Bedeutung digitaler Lösungen, bilden wir unsere Mitarbeitenden konsequent weiter.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die TTP Group und ihre Tochterunternehmen?
A. Bonhoff: Digitale Tools sind intern wie extern von größter Bedeutung. Wir bieten diverse Leistungen im Bereich des Digital Engineering, bei BIM-Methoden und der Manufacturing IT & OT an – von der integrierten Projektplanung und -überwachung bis zu interaktiven Trainings oder Mock-ups in Virtual & Augmented Reality. Wir arbeiten nach dem Credo „Von der virtuellen Konstruktion zur realen Fabrik.“ Einzigartig ist die Pharmaplan-interne Aufteilung in BIM – Building Information Modeling, PIM – Process Information Modelling, VR, AR und XR – also Various Realities sowie die Equipment-Datenbank. Das macht uns zu einem der kompetentesten Akteure im Markt.
Zudem bieten wir alle Disziplinen für erfolgreiches Projektmanagement in unseren Zielbranchen unter einem Dach. Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Gruppe ist ihr multidisziplinäres Profil. Der hochspezialisierte Markt, in dem Pharmaplan tätig ist, erfordert Architekten, die Experten in der Labor- und Anlagenplanung sind. Diese hat Pharmaplan ebenso im Haus wie Pharmazeuten oder Naturwissenschaftler. Sie sprechen die gleiche Sprache wie die Wissenschaftler auf Kundenseite und können sich so besser über die Anforderungen der Anlage oder des Labors verständigen.
Die „Pharma Facility of the Future“ soll vollständig automatisiert und vernetzt sein. Im Hinblick auf die Gewährleistung der Produktqualität und die Verkürzung der Produktionszyklen kann diese Zukunft nicht schnell genug Realität werden, Wie weit ist die Pharmaindustrie bereits auf diesem Weg und wie fördern Sie als EPCMV-Dienstleister diese Entwicklung?
A. Bonhoff: Auch die Pharmaindustrie schreitet hier mit großen Schritten voran. So ist Pharmaplan Teil mehrerer Projekte in welchen das Thema Robotik nicht mehr nur konzeptionell gedacht, sondern auch aktuell schon implementiert wird. Als Beispiel möchte ich hier den völlig automatisierten Materialtransport nicht mehr nur vom Warehouse zur Produktion, sondern vielmehr auch innerhalb der Produktion hervorheben. Hierdurch wird in Zukunft weniger Personal benötigt und trägt so der demografischen Entwicklung Rechnung, innerhalb welcher dem Markt in Zukunft weniger Personal zur Verfügung stehen wird. Auch für die Vernetzung von pharmazeutischen Anlagen mit der IT-Infrastruktur bietet Pharmaplan Planungsdienstleistungen an. So arbeitet Pharmaplan in mehreren Brownfield-Projekten an der nachträglichen Vernetzung von Automationssystemen, um unter anderem State-of-the-art-Data-Integrity-Anforderungen zu erfüllen.
„Pharma 4.0“ ist zentraler Bestandteil der Facility of the Future. Verschiedene Organisationen arbeiten daran. Hat das Konzept auch Einfluss auf Ihre Leistungen?
A. Bonhoff: Selbstverständlich. Wir sind aufgefordert, diese technologischen Sprünge eng zu begleiten, um die spezifischen Anforderungen in unseren Leistungsverzeichnissen an unsere Lieferanten zu formulieren. Vor allem durch die rasante Entwicklung innerhalb der NAMUR, mit der dort initiierten Richtlinie VDI/VDE/Namur 2658 – auch bekannt als MTP –, des ISPE Arbeitskreises Plug&Produce und Ihrem Ansatz native OPC UA Technologien zu nutzen, sind wir dazu aufgefordert, uns dauerhaft weiterzubilden. So gelingt es uns als Planungsdienstleister gemeinsam mit unseren Kunden und Lieferanten diese neuen Technologien aus den Konzeptschuhen in den operativen Betrieb zu heben. Dabei ist es für uns selbstverständlich, dass wir die Machbarkeit nicht nur auf die technologischen Möglichkeiten beschränken, sondern auch immer bewerten, ob diese im Anwendungsrahmen der GxP-Compliance realisierbar ist.
ZUR PERSON
Andreas Bonhoff ist seit Mai 2019 CEO der TTP Group. Zuvor war er bereits seit Januar 2018 Vorstand von Triplan. Bonhoff (55) studierte von 1989 bis 1993 BWL an der Universität Passau. Seine Berufslaufbahn, die er bei Scott Paper startete, führte ihn u.a. zu VIAG, SKW Trostberg und schließlich von 2001 bis 2011 zu Degussa (ab 2007 Evonik), wo er u.a. Geschäftsführungsaufgaben bei Stockhausen, Goldschmidt und zuletzt Infracor übernahm. Vor seinem Eintritt bei Triplan war er von 2011 bis 2018 Gesellschafter und Partner bei Aequitas-Consultants, Traunstein, wo er u.a. Carve-Out-, Restrukturierungs- und Reorganisationsprojekte in der Chemie- und Prozessindustrie betreute.