Vinnolit - Ideenmanagement erhöht Unternehmenserfolg
06.12.2012 -
Vinnolit - Ideenmanagement erhöht Unternehmenserfolg
Die Ideen von Mitarbeitern können dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu stärken. Bei Vinnolit hat man dieses Potential erkannt. Der Kunststoffproduzent modernisierte in den letzten Jahren sein betriebliches Vorschlagswesen und profitiert heute maßgeblich von seiner Investition in das Ideenmanagement. Allein im Jahr 2005 sparte das Unternehmen 2,7 Mio. € durch die Umsetzung neuer Mitarbeiterideen ein. Dr. Andrea Gruß befragte Geschäftsführer Dr. Josef Ertl mit welchen Maßnahmen Vinnolit die Kreativität seiner Mitarbeiter fördert und nutzt.
CHEManager: Das Vorschlagswesen von Vinnolit hat sich binnen weniger Jahre zu einem der erfolgreichsten in der Chemiebranche entwickelt. Wie ist Ihnen dies gelungen?
Dr. Josel Ertl: Wir haben in der Tat eine sehr erfolgreiche Entwicklung hinter uns. Innerhalb von vier Jahren konnten wir uns von Platz 38 auf Platz vier der Statistik zum Ideenmanagement in der Chemiebranche des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft vorarbeiten. Uns gelingt es heute, die Kreativität und die Ideen in den Köpfen unserer Mitarbeiter, deutlich stärker zu nutzen als in der Vergangenheit. Als Unternehmen der chemischen Industrie hat Vinnolit seit langem Erfahrung mit dem traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen. Wir haben damit früher auch punktuell Erfolge erzielt, aber ohne damit richtig zufrieden zu sein. Deshalb wurde das Vorschlagswesen zunächst runderneuert und dann durch eine Reihe weiterer Maßnahmen ergänzt. Die Grundidee dabei war, den ungesteuerten, individuellen Prozess der Ideenfindung durch einen strukturierten, von Zielvorgaben des Unternehmens getriebenen, Prozess zu ergänzen.
CHEManager: Wie unterscheidet sich das heutige Ideenmanagement vom traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen?
Dr. Josef Ertl: Das betriebliche Vorschlagswesen lief nebenher, ohne konsequent im Planungs und Zielsetzungsprozess des Unternehmens verankert zu sein. Es war ein schwerfälliges, bürokratisches, wenig kommunikatives Verfahren, dessen Erfolg überwiegend auf der Initiative und dem persönlichen Engagement einzelner Mitarbeiter basierte. Die Ideen bezogen sich daher auch meist auf den begrenzten Arbeitsbereich eines Mitarbeiters. Übergeordnete Zusammenhänge kamen zu kurz. Dieses System passte nicht mehr zu unseren heutigen schlanken Managementstrukturen, in denen Innovationsfähigkeit, Kostenbewusstsein, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit und der effiziente Umgang mit Wissen im Unternehmen als Wettbewerbsfaktoren deutlich stärker an Bedeutung gewinnen. Deshalb haben wir unser Ideenmanagement weiterentwickelt und auf drei Säulen gestellt.
„Eine Software unterstützt den unternehmensweiten Ideentransfer.“
CHEManager: Können Sie diese kurz benennen?
Dr. Josef Ertl: Die erste Säule ist ein modernisiertes betriebliches Vorschlagswesen. Hier sind alle Mitarbeiter angesprochen, ihre Ideen einzureichen, die dann dezentral, direkt von ihrem Vorgesetzten begutachtet werden. Die zweite Säule ist ein durch Zielvorgaben gesteuerter kontinuierlicher und strukturierter Verbesserungsprozess innerhalb der Bereiche und Betriebe. Sie richtet sich an die Führungskräfte der Organisationseinheiten, die gemeinsam mit ihren Mitarbeitern Ideen entwickeln und weiter verfolgen. Für diesen Zweck haben wir z. B. betriebliche Ideenmanagement-Tage zu ausgewählten Themen eingeführt. Sie finden in der Regel einmal pro Quartal statt und werden bei Bedarf auch von Externen moderiert. Dritte Säule ist ein strukturierter, standortübergreifender Verbesserungsprozess, an dem alle Führungskräfte und das Management des Unternehmens zusammenarbeiten. In einer jährlichen Ideenmanagement- Klausur werden neue unternehmensweite Projekte diskutiert und angestoßen. Hier sind alle Funktionen des Unternehmens, vom Einkauf über die Produktion bis zu Vertrieb, Verwaltung und Innovationsmanagement einbezogen.
CHEManager: Wie wird dieses System über die fünf Standorte von Vinnolit organisiert?
Dr. Josef Ertl: Wichtig für ein unternehmensweites und unbürokratisches betriebliches Vorschlagswesen war die Einführung einer Software, zu der alle Mitarbeiter – auch in der Produktion – Zugang haben. Deshalb haben wir in den Produktionsbereichen frei zugängliche PCs in den Aufenthaltsräumen und Messwarten für die Mitarbeiter installiert. So haben sie die Möglichkeit, ihre Idee direkt vor Ort in das Ideenmanagement- Softwaretool einzuspeisen. Der Verbesserungsvorschlag wird dann automatisch über das System an den zuständigen Vorgesetzten weitergeleitet. Dieser ist für die Idee und deren zügige Bearbeitung, Bewertung und Prämierung verantwortlich. Aber ein Software-Tool alleine genügt nicht. Sie müssen die Mitarbeiter auch motivieren mitzumachen. Hierzu bedarf es zunächst eines Commitments des gesamten Managements zum Ideenmanagement, angefangen bei der Geschäftsführung. Der Prozess selbst wird zentral von einem Verantwortlichen gesteuert. Und das Ideenmanagement ist in den Unternehmenszielen verankert und findet damit auch Eingang in die persönlichen Ziele der Führungskräfte.
CHEManager: Wie nehmen Ihre Mitarbeiter das neue Konzept des Vorschlagswesens an?
Dr. Josef Ertl: Die Resonanz ist sehr positiv! Mit Einführung des Software-Tools im Jahr 2005 und der verstärkten Ideenmanagement-Ausrichtung des Vorschlagswesens stieg die Anzahl der eingereichten Ideen um rund 80 %, die Beteiligungsquote von unter 25% auf über 35 % und die Anzahl der Vorschläge pro Mitarbeiter von etwa 0,5 auf 1 Vorschlag pro Mitarbeiter und Jahr. Insbesondere die Ideenbörse im Intranet, in der sämtliche Vorschläge inklusive Gutachten für alle Mitarbeiter zugänglich sind, hat uns einen großen Schritt vorangebracht. Durch sie wird das gesamte im Unternehmen vorhandene Wissen besser nutzbar. Sie fördert den Ideentransfer und führt damit wiederum dazu, dass sich die Mitarbeiter stärker mit dem Ideenmanagement identifizieren und es aktiv nutzen.
CHEManager: Aus welchen Bereichen kommen die Ideen der Mitarbeiter?
Dr. Josef Ertl: Die Ideen aus dem betrieblichen Vorschlagswesen betreffen vielfach den Bereich der Arbeitssicherheit, die Arbeitsplatzgestaltung und die Arbeitsabläufe vor Ort. Der Schwerpunkt bei dem strukturierten Ideenfindungsprozess liegt bei der Optimierung von Verfahren und Prozessen. Alle diese Ideen versuchen wir konsequent umzusetzen.
CHEManager: Der wirtschaftliche Nutzen vieler Ideen lässt sich nur schwer berechnen. Wie werden sie prämiert?
Dr. Josef Ertl: Der Vorgesetzte ist frei, sowohl bei angenommenen Ideen als auch bei abgelehnten Ideen Prämien zu vergeben. Bei angenommen nicht-rechenbaren Ideen gibt es eine Mindestprämie. Bei abgelehnten Vorschlägen ist eine Anerkennungsprämie möglich. Bei den rechenbaren Ideen schütten wir bei einer Einsparung von bis zu 10.000 €, 20 %, und bei einer Einsparung über 10.000 € 15% der Netto-Erstjahreseinsparung als Prämie aus. Dabei werden auch das Aufgabengebiet und die Aufgabenstellung des Einreichers oder der Einreicher bei der Prämienhöhe berücksichtigt. Durch die Software und das dezentrale Vorgesetztenmodell wird das System für alle Beteiligten deutlich transparenter. Gute Ideen verstauben nicht mehr in Ordnern oder Schubladen. Die zweite und dritte Säule werden über persönliche Zielvorgaben gesteuert und führen bei Zielerreichung zu einer Erhöhung der Erfolgsbeteiligung des jeweiligen Mitarbeiters. Unser Ideenmanagement gibt allen Mitarbeitern die Möglichkeit, an dem Erfolg von Vinnolit aktiv mitzuwirken und daran teilzuhaben. Das motiviert.
CHEManager: Können Sie uns Beispiele für erfolgreich umgesetzte Ideen nennen und wie sich diese für Ihr Unternehmen ‚rechnen’?
Dr. Josef Ertl: Ein Mitarbeiter aus der Produktion schlug beispielsweise vor, eine Destillationskolonne in einer anderen Weise zu säubern als bisher. Die Kolonne zur Reinigung von Zwischenprodukten, verschmutzte mehrmals pro Jahr und musste dann normalerweise für jeweils zwei Tage abgestellt, gespült, getrocknet und wieder in Betrieb genommen werden. Das hatte entsprechende Produktionseinschränkungen in der gesamten Anlage zur Folge. Heute kann die Kolonne nach dem Vorschlag des Mitarbeiters und entsprechenden verfahrenstechnischen Änderungen im laufenden Betrieb mit Kondensat gespült werden. So wird nicht nur Produktionsausfall vermieden, sondern es fällt auch deutlich weniger Abwasser an. Die Gesamteinsparung durch diesen Vorschlag für das Unternehmen liegt bei etwa 200.000 € pro Jahr. Der Mitarbeiter erhielt eine Prämie von 17.000 €.
„Ideen verstauben nicht mehr in Ordnern oder Schubladen.“
In einem anderen Fall brachte eine Mitarbeitergruppe eine Idee für eine optimierte Abtrennung von Produktionshilfsstoffen. Durch die Umstellung des Verfahrens konnte die Kapazität einer Aufarbeitungsstraße mit geringen Investitionen um 25 % erhöht werden. Den Mehrkosten von 15.000 € im laufenden Betrieb steht ein wirtschaftlicher Erfolg in Form einer Erhöhung des Deckungsbeitrages von über 400.000 € im ersten Jahr gegenüber. Diese Beispiele zeigen, dass durch die Ideen der Mitarbeiter ganz erhebliche Verbesserungen erzielt werden. Insgesamt sparen wir dadurch jährlich mehrere Millionen Euro ein.
„Wir müssen wieder hungrig werden auf Neues.“
CHEManager: Mit Ideen lassen sich nicht nur Prozesse optimieren, sie bilden auch die Grundlage für Innovationen. Wie beurteilen Sie die Innovationskraft am Standort Deutschland?
Dr. Josef Ertl: Wir müssen wieder hungrig werden auf Veränderungen, auf Verbesserungen und darauf, Neues gestalten zu wollen. Dies setzt neben einem Abbau von Bürokratie und Überregulierung auch den politischen Willen zu einem pragmatischeren und rationaleren Umgang mit dem Begriff Risiko in Deutschland voraus. Aber auch die Unternehmen sind gefragt. Wir haben die Fähigkeiten, in signifikantem Umfang Neues zu entwickeln, manchmal verkümmern lassen und haben uns vielfach zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht. Innovation, Ideen kreieren und Ideen umsetzen in Innovation, muss wieder einen deutlich höheren Stellenwert gewinnen und mit einer klaren Strategie unterlegt werden.
CHEManager: Inwieweit gelingt dies bereits in der Chemiebranche?
Dr. Josef Ertl: Die Chemie in Deutschland ist ein Innovationsmotor. Sie investiert rund 9 Mrd. € pro Jahr in Forschung und Entwicklung, das sind etwa 18 % der gesamten F&E-Kosten der deutschen Wirtschaft und liegt damit auf Rang drei hinter der Fahrzeugund der Elektronikindustrie. Diese Zahlen geben jedoch keinen Anlass, sich selbstzufrieden zurückzulehnen, denn andere Regionen haben im weltweiten Innovationswettbewerb aufgeholt. Um in einem globalen Markt auch morgen wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir die Ideen, in unseren Köpfen noch effizienter in Innovationen umsetzen. Dies können wir auf vielen Feldern aus einer Position der Stärke heraus tun. Sie sollten wir heute nutzen als Basis für die Zukunft. Kurz gesagt: Freude über Erreichtes und Optimismus? ‚Ja’. Zurücklehnen und nichts tun? ‚Nein’.