VDMA sieht zunehmende Konkurrenz im Großanlagenbau
Branche will Potenziale von Industrie 4.0 zur Stärkung der Wettbewerbsposition nutzen
Zu dieser Einschätzung kommen die Unternehmensberatung maexpartners und die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) anhand einer aktuellen Umfrage unter Top-Managern des deutschen Großanlagenbaus: 89% der Befragten sagen, der Konkurrenzdruck habe sich seit 2014 spürbar verstärkt. In den kommenden drei Jahren erwarten sogar mehr als 90% eine nochmalige Verschärfung.
Hoher Konkurrenzdruck aus Asien – China ist der stärkste Wettbewerber
Wie in anderen Industrien nimmt auch im Großanlagenbau die Zahl der Marktteilnehmer aus Schwellenländern beständig zu. Vor allem Anbieter aus Asien heizen den Kampf um Marktanteile an. Dabei werden die Chinesen als weltweit stärkste Herausforderer wahrgenommen. Ferner konnte die japanische Anlagenbauindustrie verlorenes Terrain wettmachen und ihre Marktposition in Europa stärken. Auch die Konkurrenz aus Indien tritt zunehmend international in Erscheinung, derzeit vor allem in Nachbarländern und in einigen Regionen Afrikas.
Erhebliches Effizienzpotenzial durch Industrie 4.0 im Großanlagenbau
Der im VDMA organisierte Großanlagenbau reagiert auf die Herausforderung aus Asien umfassend. Branchenübergreifende Trends sind dabei der Ausbau der internationalen Präsenz, die Erweiterung des Serviceportfolios sowie vor allem Schritte zur Kostensenkung. „Wie die vorliegende Studie belegt, sieht der Großanlagenbau im Einsatz von Industrie 4.0-Technologien einen wichtigen Hebel, um die Effizienz seiner Prozesse zu steigern“, erläutert Dr. Rainer Hauenschild, Sprecher der AGAB und Chief Executive Officer Energy Solutions von Siemens. „Besonders groß ist das Potenzial nach Ansicht der Befragten in der Logistik, auf der Baustelle und im Engineering.“
Engineering, Logistik und Baustelle werden in erster Linie profitieren
Dr. Sven Haverkamp, Industrie-4.0-Experte bei maexpartners, erläutert weitere Details: „Zwei Drittel der Befragten erwarten in den kommenden fünf Jahren spürbare Kostensenkungen durch den Einsatz von Industrie 4.0-Technologien im Engineering.“ Noch höher seien die Potenziale im Logistik- und Baustellenmanagement, wo sich jeweils rund 90% der Studienteilnehmer eine größere Effizienz erhoffen. Auf der Baustelle zeige sich der Nutzen von Industrie 4.0 konkret in verbesserten Steuerungsmöglichkeiten und einer genaueren Dokumentation des Ist-Zustands. Haverkamp: „Mit einer echtzeitnahen Statusermittlung können Anlagenbauer auf Baustellenstörungen unverzüglich reagieren oder sie im Idealfall sogar ganz vermeiden. Dadurch wird die Termintreue deutlich steigen.“
Vielfältige Herausforderungen sind noch zu meistern
Um diese ehrgeizigen Ziele tatsächlich zu erreichen, wird die Einführung von Industrie 4.0 auch Anpassungen in der Organisation der Unternehmen sowie in den Geschäftsprozessen erfordern. Die Studie zeigt, dass vor allem im Engineering-Prozess sowie in der Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten Änderungen erwartet werden. Der Datenaustausch zwischen Anlagenbauern, Lieferanten und Betreibern wird sich in den kommenden Jahren deutlich intensivieren. Damit werden neben der Datensicherheit auch Haftungsfragen sowie die Frage der Eigentums- und Nutzungsrechte an den Daten stärker in den Blickpunkt rücken.
Ferner wird die digitale Integration der Lieferanten nach Ansicht der Befragten weiter voranschreiten. Aus der Sicht der Studienteilnehmer wird die Mehrheit der globalen Lieferanten bis 2020 für eine digitale Zusammenarbeit aber noch nicht ausreichend qualifiziert sein. Dies könnte ein Wettbewerbsvorteil für Zulieferer aus Industrieländern werden, die mit ihrer technologischen Vorreiterrolle besser auf die anstehenden Veränderungen eingestellt sind als Lieferanten aus Schwellenländern. Mittelfristig könnte dadurch das heute im Großanlagenbau vorherrschende Best-Cost-Country-Sourcing von einem Leading-Technology-Country-Sourcing abgelöst werden.
Aus- und Weiterbildung als wichtiges Handlungsfeld im Fokus
Neben den genannten Handlungsfeldern fordern die Studienteilnehmer insbesondere, dass der Großanlagenbau die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Erfordernisse von Industrie 4.0 im Blick haben müsse. „Unternehmen und Hochschulen könnten hierzu gemeinsam Konzepte entwickeln, um die Fortbildung der bestehenden Belegschaft, aber auch die Ausbildung und Rekrutierung neuer Mitarbeiter sicherzustellen. Den Bedürfnissen der Unternehmen angepasste oder neu geschaffene Studien-Programme und Organisationskonzepte sind dafür dringend erforderlich“, so das Fazit von AGAB-Sprecher Hauenschild.
Risiken durch neue Wettbewerber und Geschäftsmodelle dürfen nicht unterschätzt werden
Eine wesentliche Erkenntnis der Umfrage ist, dass Industrie 4.0 dem Großanlagenbau erhebliches Potenzial zur Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit bietet. Zugleich warnen die Verfasser jedoch davor, die Risiken, die Industrie 4.0 für traditionelle Anlagenbauer mit sich bringen kann, zu unterschätzen. Neue Wettbewerber und Geschäftsmodelle aus Branchen mit deutlich schnelleren Innovationszyklen könnten den Großanlagenbau schon bald vor so nicht erwartete Herausforderungen stellen. „Die eingehende und rechtzeitige Prüfung und Bewertung der Chancen und Risiken aus Industrie 4.0 ist daher für jedes Anlagenbauunternehmen das Gebot der Stunde“, folgert Haverkamp.