Umicore nutzt Wachstumschancen in neuen Geschäftsfeldern
Trimethylgallium-Anlage in Hanau erweitert Chemikalienportfolio für Elektronikanwendungen
Der belgische Materialtechnologie- und Recyclingkonzern Umicore erwirtschaftet mit etwa 10.000 Beschäftigten einen Umsatz von 11,1 Mrd. EUR. Die Business Unit Precious Metals Chemistry (PMC) ist weltweit einer der wichtigsten Lieferanten von edelmetallhaltigen Chemikalien und Katalysatoren für verschiedenste industrielle oder kommerzielle Anwendungen.
PMC erzeugt bspw. spezielle edelmetallhaltige Lösungen zur Herstellung von Automobilabgaskatalysatoren, Homogenkatalysatoren für den Einsatz in der Chemie-, Petro- und Pharmaindustrie, platinhaltige Wirkstoffe für pharmazeutische Anwendungen wie der Krebstherapie sowie edelmetallhaltige Komponenten für Brennstoffzellen. Aufgrund des existierenden und stetig wachsenden Know-how auf dem Gebiet der Chemie der Metalle, aber auch durch die langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der metallorganischen Chemie, die zur Herstellung von Homogenkatalysatoren nötig ist, war die Entscheidung naheliegend, sich auch mit unedleren Metallen zu beschäftigen. Dies vor allem, da diese für Umicore neuen Geschäftsfelder enorme Wachstumschancen bieten.
So wurde bereits vor mehreren Jahren entschieden, für Anwendungen in der Elektronik neue verdampfbare Materialien zu entwickeln, welche eine Abscheidung von dünnen metallhaltigen Filmen aus der Gasphase erlauben. Diese Technologie hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Als Beispiel sei hier die erstaunliche Entwicklung des Leuchtdiodenmarkts (LEDs) genannt. Einer der wichtigsten Herstellprozesse der LEDs ist die spezielle Gasphasenabscheidung von Galliumnitrid, die sog. Epitaxie (= Kristallisation aus der Gasphase) durch Reaktion von Trimethylgallium (TMGa) mit Ammoniak bei erhöhten Temperaturen. So werden hauchdünne, hochreine Galliumnitridschichten abgeschieden, Hauptbestandteil der Licht emittierenden Schicht einer LED.
Kunden aus Siliziumhalbleiterindustrie
Weitere Anwendungen finden sich u.a. in der Siliziumhalbleiterindustrie. Auch dort nimmt die Abscheidung von dünnen funktionalen Schichten aus der Gasphase eine wichtige Stellung ein, ohne die die Weiterentwicklung der immer leistungsfähigeren Computerchips nicht möglich wäre. Umicore hat sich auch hier bereits vor einigen Jahren dazu entschlossen, ein Produktportfolio für diese Industrie aufzubauen und kann damit bereits erste kommerzielle Erfolge aufweisen. So werden bereits neue metallorganische, kobalthaltige Materialien vermarktet, die bei der Herstellung der neuesten Logik-Chipgeneration eingesetzt werden. Weiterhin seien neuartige Wolframverbindungen genannt, welche in der nächsten Chipgeneration zum Zuge kommen werden. Diese werden aktuell in den Forschungsreaktoren der Chiphersteller getestet, um bei deren Eignung in die kommerzielle Produktion überführt zu werden.
Mit der Inbetriebnahme der neuen TMGa-Produktionsanlage in Hanau Ende Juni ist ein bedeutender Meilenstein dieses neuen Geschäftsfelds erreicht worden. Dieser unterstreicht die Absicht und Strategie des Konzerns, sich langfristig im Markt als ein wichtiger Spieler für Elektronikchemikalien zu etablieren und strahlt auf alle weiteren Aktivitäten in diesem Feld aus.
Herstellprozess mit vielen Vorteilen
Gleichzeitig setzt der in langjähriger Zusammenarbeit mit Universitäten und Partnern entwickelte Herstellprozess neue Maßstäbe für die Industrie, was sich auch in der Erteilung von dazugehörigen Patenten widerspiegelt. Zudem erforderten die speziellen Eigenschaften des industriell genutzten TMGa – ultrahohe Reinheit von min 99,9999% gepaart mit dem Verhalten der Selbstentzündlichkeit an Luft – zusätzliche besondere Maßnahmen sowohl in der Verfahrenstechnik als auch beim Anlagendesign und -bau.
Trimethylgallium ist eine klare, farblose Flüssigkeit niedriger Viskosität mit einem relativ hohen Dampfdruck, vergleichbar etwa mit Benzin. In der Anwendung stören neben den potenziellen metallischen Verunreinigungen vor allem Sauerstoff, da dieser in der emittierenden Schicht zur strahlungslosen Rekombination von angeregten Elektronen und sog. Elektronenlöchern führt, sprich die LED wird weniger effizient. Für beide Reinheitsvorgaben übertrifft der von Umicore entwickelte Prozess alle bislang bekannten Verfahren. Neben der hohen Raum-Zeit-Ausbeute ist die quasi quantitative Ausbeute von TMGa bezogen auf Gallium zu nennen. Der Prozess ist dadurch äußerst nachhaltig – neben einer Salzmischung aus Na/K/Al-Chlorid gibt es keine Abfallströme. Auf den Einsatz von klassischen organischen Lösemitteln konnte im Prozess vollständig verzichtet werden, stattdessen wird in einer Salzschmelze gearbeitet, welche die oben genannten Vorteile einer höheren Gesamtausbeute bei gleichzeitig höherer Reinheit bietet.
Anlagen mit hohem Sicherheitsstandard
Im Anlagendesign setzt der hohe Sicherheitsstandard des Unternehmens neue Maßstäbe, welcher mit dieser Anlage als neuester Stand der Technik definiert wurde. Neben einer Einhausung der primären Reaktorbestandteile in einer 190 m³ fassenden, inertisierenden Stickstoff-Box kann nun mit dem 200 l-Edelstahl-Container-System, welches mit dieser Anlage entwickelt wurde, ein sicherer und gefahrloser Umgang mit dieser reaktiven Substanz für die Mitarbeiter und natürlich auch für alle Kunden gewährleistet werden. Zusätzlich bietet diese neue Verpackung für die Kunden ein signifikantes Kostensenkungspotenzial gegenüber der gegenwärtigen marktüblichen kleineren Verpackung. Somit ist der Konzern in der Lage, hochreine Vorprodukte für die Elektronikindustrie in großer Menge und gleichbleibender Qualität mit einem sehr hohen Sicherheitsstandard verfügbar zu machen.
Die größte Menge des in dieser Anlage gefertigten TMGa wird in zivile Bereiche geliefert und geht vornehmlich in die LED- und Solartechnik. Neben Umicore gibt es im Moment keinen weiteren europäischen Produzenten und selbst in den USA ansässige Firmen ziehen sich aus dem Geschäft zurück, da ein signifikanter Preisdruck von asiatischen Anbietern ausgeht. Diesem kann Umicore jedoch mit seiner effektiveren, patentierten Herstellungsmethode begegnen.
Vielfache Anwendungen in der Zukunft
Aufgrund des beachtlichen Erfolges, welchen Umicore mit der Grundlagenforschung und mit dem Anlagenbau dieser TMGa-Anlage errungen hat, sieht sich das Unternehmen auch in der Zukunft in der Lage, hochreine metallorganische Materialien für seine Kunden zu entwickeln und zu liefern und kann damit dem Trend folgen hin zu immer komplexeren und schwieriger herzustellenden verdampfbaren Verbindungen. Diese werden derzeit vornehmlich für die Elektronikindustrie entwickelt, jedoch zeichnen sich weitere breite Anwendungsfelder ab, z.B. in der Medizin, der Katalyse oder im Bereich Beschichtung von Werkstoffen zur Erhöhung von deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen.