ThyssenKrupp will Prozessgase in chemische Grundstoffe umwandeln
Carbon2Chem-Projekt für Klimaschutz und Energiewende
Das von ThyssenKrupp initiierte Projekt Carbon2Chem verfolgt das Ziel, Prozessgase aus der Stahlproduktion - einschließlich des darin enthaltenen CO2 - in chemische Grundstoffe umzuwandeln. Die für die Umwandlung benötigte Energie soll aus erneuerbaren Quellen kommen. Ende Juni gab Bundesministerin Johanna Wanka bekannt, dass das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit mehr als 60 Mi. EUR gefördert wird.
Im Herbst dieses Jahres soll auf dem Gelände von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg der Bau eines Technikums beginnen. Dort sollen ab dem Ende der ersten Projektphase die Carbon2Chem-Prozesse im Pilotmaßstab erprobt werden.
Branchenübergreifende Zusammenarbeit
Charakteristisch für Carbon2Chem ist eine breit angelegte branchenübergreifende Zusammenarbeit. An dem Projekt beteiligen sich weitere 16 Partner aus der Grundlagen- und Anwendungsforschung sowie aus den verschiedenen Industriebranchen. Unter anderem mit dabei sind AkzoNobel, BASF, Clariant, Covestro, Evonik, Linde und Siemens. Dabei entsteht ein neues Netzwerk aus Stahlherstellung, Stromerzeugung und Chemieproduktion.
Hüttengase aus der Stahlproduktion werden bisher lediglich verbrannt, um Strom und Wärme für den Fertigungsprozess herzustellen. Carbon2Chem stellt die Gase an den Anfang einer chemischen Produktionskette. Das ist möglich, weil Hüttengase u.a. Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff enthalten, aus denen sich zahlreiche chemische Produkte herstellen lassen.
CO2 kann als Rohstoff verwendet werden, wenn man dessen Moleküle aufspaltet. Hierfür wird Wasserstoff gebraucht, der zum Teil bereits in den Hüttengasen vorhanden ist. Weiterer Wasserstoff soll unter Einsatz Erneuerbarer Energie hergestellt werden. Die Abläufe im Stahlwerk werden so verändert, dass ein Teil der Hüttengase für die Chemieproduktion abgeleitet wird, wenn kostengünstiger Überschussstrom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht.
Mindestens 10 Jahre Entwicklungsarbeit
Die planerischen und wissenschaftlichen Vorarbeiten für das Projekt haben ThyssenKrupp und das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC), Mülheim an der Ruhr, geleistet. „Carbon2Chem kann in der Zukunft ein bedeutender Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende werden“, sagte Dr. Heinrich Hiesinger, Vorsitzender des Vorstands von ThyssenKrupp.
Bis zur Marktreife des Verfahrens in großindustriellen Anlagen werden mindestens zehn Jahre Entwicklungsarbeit veranschlagt. „Wir brauchen deshalb verlässliche politische Rahmenbedingungen. Ohne Balance zwischen CO2-Grenzwerten und dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit geht Innovationskraft in Europa verloren“, so Hiesinger.
Gute Erfolgsaussichten
Die Erfolgsaussichten für Carbon2Chem sind laut ThyssenKrupp gut, denn die grundlegenden chemischen Abläufe und die benötigten Technologien sind weitestgehend bekannt. Schon jetzt ist die Umwandlung von Prozessgasen aus der Hütte in Ammoniak als Vorprodukt für Düngemittel technisch machbar, aber noch nicht wirtschaftlich. Dabei würde auch ein Teil des in den Hüttengasen enthaltenen CO2 verwertet. Möglich wäre auch die Erzeugung von Methanol aus Hüttengas, ein Prozess bei dem die enthaltenen CO2-Anteile fast vollständig verwertet werden könnten.
F&E-Bedarf bei Katalysatoren
Für den Einsatz Erneuerbarer Energien bei der chemischen Umwandlung würden Katalysatoren gebraucht, die starke Schwankungen im Prozess verkraften. Speziell in diesem Bereich besteht noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Außerdem müssen wirtschaftliche Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff entwickelt werden, die auch bei stark schwankender Energieversorgung funktionieren. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Reinigung und Aufbereitung der Hüttengase.