Streitpunkt CLP-Verordnung
Unterschiedlicher Umgang mit neuen Vorgaben führt Wettbewerber vor Gericht
Die Verordnung des europäischen Parlaments und des Rats über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen, kurz CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging), gilt seit 1. Juni 2015. Sie richtet sich an alle Branchen, die mit Chemikalien umgehen, und gilt in der gesamten Lieferkette. Nach ihren Vorgaben tragen diejenigen Unternehmen die Verantwortung für die Sicherheit der Chemikalien, die diese auf den Markt bringen. Im Mittelpunkt der Verordnung steht der Anwender- und Verbraucherschutz. Doch nicht jeder Marktteilnehmer hält sich daran – zum Leidwesen der Abnehmer und Wettbewerber.
Im Vergleich zur alten Rechtslage wurden u.a. die Kriterien zur Einstufung von Gemischen, zu denen auch Reinigungsmittel zur professionellen Anwendung gehören, verschärft. Während Produkte für die Sanitärunterhaltsreinigung in privaten Haushalten zumeist über einen pH-Wert ≥ 2 verfügen, weisen Sanitärgrundreiniger für professionelle Anwender überwiegend einen extremen pH-Wert < 2 auf. Die Anwender solcher pH-extremer Produkte sind vor allem Mitarbeiter von Reinigungsfirmen und selbständige Reinigungskräfte – allein in Deutschland rund 600.000 Menschen. Um die Verbraucher zu warnen und sicherzustellen, dass sie sich ausreichend schützen können, gibt die Verordnung vor, dass Gemische mit einem extremen pH-Wert, zu denen auch die meisten Sanitärgrundreiniger zählen, als gefährlich, d.h. hautätzend sowie schwere Augenschäden verursachend, zu kennzeichnen sind. Eine Kennzeichnung ist nach der CLP-Verordnung nur dann nicht erforderlich, wenn anhand valider Daten eindeutig und zuverlässig nachgewiesen werden kann, dass ein Reinigungsmittel nicht ätzend und nicht reizend ist.
Umgang mit den gesetzlichen Vorgaben
Die Anwender müssen darauf vertrauen können, dass die gesetzlichen Vorgaben der CLP-Verordnung von den Herstellern der Reinigungsmittel eingehalten und korrekt umgesetzt werden. Nicht nur der Ruf der Chemiebranche wird durch eine falsche Gefahreinstufung aufs Spiel gesetzt. Die betroffenen Abnehmer nicht oder falsch gekennzeichneter Produkte, die die Produkte weiterverkaufen, können im Einzelfall einer Haftung unterliegen, weil sie selbst ebenfalls für eine korrekte Kennzeichnung verantwortlich sind, was weitreichende Folgen für die Compliance haben kann. Umso wichtiger ist es daher, dass die Hersteller die gesetzlichen Vorgaben einhalten und die Abnehmer sich hierauf verlassen können.
Manche Hersteller von Reinigungsmitteln haben sich jedoch zum Ziel gesetzt, pH-extreme Reinigungsmittel unbedingt kennzeichnungsfrei auf den Markt zu bringen. Anstatt die pH-extremen Produkte nach den Vorgaben der CLP-Verordnung einzustufen, haben sie verschiedene Argumentationsstrategien entwickelt, die eine Nicht-Kennzeichnung auf Basis nicht valider Daten ermöglichen soll. So werden bspw. lediglich einzelne Inhaltsstoffe des Produkts getestet. Im nächsten Schritt werden dann die Ergebnisse dieser Tests auf das konkrete Gemisch entweder selbst oder mithilfe von Experten übertragen und dieses damit „ungefährlich“ gemacht.
Zum Beleg einer vermeintlich fehlenden Gefahrenwirkung der Produkte und einer damit einhergehenden Kennzeichnungsfreiheit berufen sich diese Hersteller hierbei zum Teil auch auf – im Ausland durchgeführte – Tests von Sanitärreinigern an den Augen lebender Kaninchen bzw. der Applikation auf die Haut von Probanden. Diese Tests können aber aus mehreren Gründen nicht verwertet werden: Sie wurden nicht am konkreten Produkt durchgeführt, die Tests erfüllen größtenteils nicht die hohen Anforderungen der CLP-Verordnung und die getesteten Gemische sind derart weit von den streitgegenständlichen Gemischen entfernt, dass die Tests ohnehin keinen Rückschluss auf deren Gefährlichkeit zulassen. Zudem verfolgt die CLP-Verordnung das Ziel, Tierversuche zur Gefahreneinstufung und Ermittlung der entsprechenden Kennzeichnung nach Möglichkeit zu vermeiden. Diese Vorgehensweise und auch die Tatsache, dass Tierversuche in Deutschland zur Entwicklung von Wasch- und Reinigungsmitteln seit 1998 sogar gesetzlich verboten sind, werfen die Frage auf, ob Tierversuche ein adäquates, ethisch vertretbares Mittel zur Vermeidung einer Produktkennzeichnung sind. Diese Frage beantwortet bspw. die Tana-Chemie mit einem klaren Nein.
Sicherheitskonzepte im Sinne der Kunden
Auch weitere Wettbewerber, wie bspw. Buzil-Werk Wagner oder Johannes Kiehl, nehmen die Vorgaben der CLP-Verordnung ernst. Sie stufen pH-extreme Gemische als gefährlich ein, wie von der CLP-Verordnung vom Grundsatz her vorgesehen. „Buzil verzichtet im Falle pH-extremer Produkte auf den Versuch, lediglich durch Tests anderer Produkte, Tests von Inhaltsstoffen oder Expertengutachten zu einer scheinbar ungefährlicheren Einstufung zu gelangen", erläutert Roland Hausladen, Leiter Marketing & Public Relations, Buzil-Werk Wagner. „Für uns steht die Sicherheit der Anwender und die Wirtschaftlichkeit der Produkte für die professionellen Endabnehmer gleichermaßen an erster Stelle. Eine vermeintliche Sicherheit wird bei uns nicht durch eine fehlende Kennzeichnung gefährlicher Produkte geschaffen. Vielmehr werden pH-extreme Produkte als gefährlich gekennzeichnet bei gleichzeitiger Unterstützung der Kunden durch gezielte Gefahrstoffschulungen, Vorlagen für Betriebsanweisungen und Gefahrstoffkataster sowie wichtige Informationen über die CLP-Verordnung“, unterstreicht Hausladen. „Dadurch ermöglichen wir den Unternehmen, sich an die neuen Gesetze zu halten und unterstützen das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte.“
Ähnlich geht auch Tana-Chemie vor. „Wir führen heute rund 25% mehr Schulungen durch, als vor der Einführung der neuen CLP-Verordnung“, bestätigt Werner Schulze, Geschäftsführer der Tana-Chemie, „Reinigungsmittel mit extremen pH-Werten stufen wir als gefährlich ein, wie von der CLP-Verordnung vorgeschrieben. Tierversuche kommen für uns nicht infrage. Wir nehmen die strengeren Anforderungen der CLP-Verordnung vielmehr zum Ansporn, in Innovation zu investieren und für unsere Abnehmer Produkte zu entwickeln, die genauso leistungsfähig sind wie die bisherigen pH-extremen Reiniger, aber gleichzeitig ungefährlich.“
Auseinandersetzungen vor Gericht
Aufgrund der Tatsache, dass einige Wettbewerber ihre Produkte entgegen der CLP-Verordnung nicht kennzeichnen während andere die Vorgaben einhalten, kam es bereits zur Einleitung rechtlicher Schritte gegen die betreffenden Unternehmen. Tana-Chemie ist der Auffassung, dass sich diese Wettbewerber dadurch einen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der Gesundheit der Anwender und des Vertrauens in die Produkte verschafften. Zudem würden dadurch die Abnehmer, die selbst ebenfalls für die korrekte Kennzeichnung verantwortlich sind, sich aber auf die Kennzeichnung der Hersteller verlassen und die Produkte weiterverkaufen, einer möglichen Haftung aussetzen. In sämtlichen, bisher durchgeführten Gerichtsverfahren konnte sich das Unternehmen erfolgreich mit gerichtlicher Hilfe und den Prozessvertretern Dr. Thomas C. Körber und Dr. Tudor Vlah der Anwaltskanzlei Arnecke Sibeth zur Wehr setzen (Anm. d. Red.: Lesen Sie hierzu das Interview mit den Prozessvertretern zu diesen Gerichtsverfahren). Gegenstand der Verfahren waren die Nicht-Kennzeichnung sowie die entsprechende irreführende Bewerbung der Produkte und fehlerhafte Angaben in den Sicherheitsdatenblättern und auf den Etiketten von extrem sauren Sanitärreinigern der Mitbewerber.
Sämtliche angerufenen Gerichte haben die Einstufung und Bewerbung der pH-extremen Sanitärreiniger als kennzeichnungsfrei und damit als ungefährlich als Verstoß gegen die Vorgaben der CLP-Verordnung bewertet.
Durch diese einheitliche Rechtsprechungslinie wurde Rechtssicherheit über die Auslegung der nicht immer einfach zu lesenden Voraussetzungen der neuen CLP-Verordnung geschaffen. Da in keinem dieser Verfahren Daten vorgelegt wurden, die die fehlende Reizung belegen, waren alle Produkte zumindest als reizend zu kennzeichnen. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat klargestellt, dass selbst im Zweifel eine Kennzeichnung vorzunehmen ist und die Produkte nicht als kennzeichnungsfrei zu bewerben sind.
Alle Hauptsacheverfahren sind – teilweise in der Berufungsinstanz – noch rechtshängig und werden weiterhin gerichtlich verhandelt. Bei der Tana-Chemie geht man davon aus, dass gegen die entsprechenden Wettbewerber auch in den folgenden Verfahren im Sinne der vorausgegangenen Urteile und Verfügungen entschieden werden wird.