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Stefan Messer: Messer Gase wieder unter eigenem Namen

19.01.2011 -

Stefan Messer: Messer Gase wieder unter eigenem Namen. Messer gibt Gas - seit dem 7. Mai 2008 auch wieder in Deutschland. Vor vier Jahren verkaufte die Unternehmerfamilie Messer das deutsche Industriegasegeschäft von Messer Griesheim an Air Liquide, um den Rückkauf des Unternehmens von den Finanzinvestoren Goldman Sachs und Allianz Capital Partners zu finanzieren, die das Geschäft wiederum 2001 vom Hoechst-Konzern übernommen hatten. Nach dreijährigem vertraglichen Wettbewerbsverbot und einem weiteren Jahr des Markenutzungsverbots ist die Marke Messer nun auch wieder im deutschen Gasemarkt präsent. Dr. Andrea Gruß sprach mit Stefan Messer, CEO der Messer Group, über seine Pläne für das deutsche Traditionsunternehmen.

CHEManager: Herr Messer, Ihr Unternehmen - 1898 von Ihrem Großvater in Frankfurt gegründet - hat bewegte Jahre hinter sich. Kennen Sie einen vergleichbaren Fall, bei dem ein hier ansässiges Unternehmen keine Geschäfte in Deutschland machen durfte?

S. Messer: Nein, mir ist keiner bekannt. Mir ist auch kein Fall bekannt, in dem ein Familienunternehmen an Investoren verkauft und wieder von der Familie zurückgekauft wurde. Das hat Seltenheitswert. Deswegen werde ich auch oft zu Vortragsveranstaltungen oder Interviews eingeladen.

Eine Frage, die Ihnen dabei sicher oft gestellt wurde: Warum haben Sie 2004 gerade Ihr wichtiges deutsches Gasegeschäft verkauft?

S. Messer: Das haben damals viele nicht verstanden, aber es hatte einen ganz einfachen finanziellen Grund: Es war das größte Geschäft, und da die Familie nur ein Drittel der Anteile an dem Unternehmen hielt, benötigten wir das Geld aus dem Verkauf des deutschen Geschäfts für den Rückkauf von den Finanzinvestoren.

Wie haben Sie die Zeit des Wettbewerbs- und Markenverbots in Deutschland genutzt?

S. Messer: Wir haben unsere Geschäfte im restlichen Europa weiter ausgebaut und sehr stark investiert in Luftzerlegungsanlagen, in Vertriebsmittel und Umfüllwerke außerhalb Deutschlands mit dem Schwerpunkt auf Osteuropa. Denn dies ist einer unserer wichtigsten Wachstumsmärkte. Darüber hinaus lag ein weiterer Fokus unserer Investitionen in China. Ingesamt haben wir im Jahr 2007 über 170 Mio. € investiert, das entspricht rund ein Viertel unseres Umsatzes.

Die Investitionen spiegeln sich bereits in den Umsatzzahlen der vergangenen Jahre wider...

S. Messer: Ja, wir haben im Jahr 2007 unseren weltweiten Umsatz um 12% auf 705 Mio. € gesteigert. Davon entfielen 238 Mio. € auf Westeuropa, 363 Mio. € auf Zentral- und Osteuropa und 94 Mio. € auf China. Das stärkste Wachstum erzielten wir in China mit einem Plus von 24%; aber auch in West- und Osteuropa lag das Wachstum bei 11% bzw. 12% im Vergleich zum Vorjahr - und das bei einer konzernweiten EBITDA-Marge von 22%.

Welche Bedeutung hat der deutsche Gasemarkt für Ihr Unternehmen?

S. Messer: Der deutsche Markt ist der größte Markt in Europa und - das ist besonders interessant - hier werden viele Produktionstechnologien entwickelt. Dies ist auch ein Grund, warum wir hier wieder Fuß fassen wollen. Hier können wir mit unseren innovativen Kunden neue Verfahren und Anwendungstechniken entwickeln, die wir später auch im Ausland einsetzen.

Nach vier Jahren Abstinenz sind Sie nun wieder mit der Marke Messer in Deutschland präsent. Wie wollen Sie den deutschen Markt zurück erobern?

S. Messer: Mit unserem Unternehmen Messer Industriegase, die ehemalige Gase.de, produzieren und vertreiben wir seit dem 7. Mai technische und medizinische Gase wieder in Deutschland. Das Unternehmen hat, wie die Messer Group, seinen Firmensitz in Sulzbach bei Frankfurt. Für das Jahr 2008 erwartet Messer Industriegase einen Umsatz von 6,5 Mio. € mit 35 Mitarbeitern, bis 2012 streben wir einen Jahresumsatz von 50 Mio.€ an. Dann sollen 100 Mitarbeiter an den Standorten Sulzbach, Siegen und Salzgitter in Vertrieb, Abfüllung und im Anlagenbetrieb beschäftigt sein.

Und wie wollen Sie dies erreichen?

S. Messer: Wir werden in Deutschland zunächst rund 90 Mio. € in den Bau eines Abfüllwerks und zweier größerer Anlagen investieren: Bereits im Oktober 2007 haben wir einen langfristigen Liefervertrag mit den Deutschen Edelstahlwerken abgeschlossen, der den Bau einer Luftzerlegungsanlage und eines Abfüllwerks im nordrhein-westfälischen Siegen beinhaltet. Diese Anlage soll im Herbst 2009 in Betrieb gehen.
Bis zum Sommer 2010 soll eine weitere große Produktionsanlage für ca. 50 Mio. € auf dem Gelände der Salzgitter AG entstehen, dem zweitgrößten Stahlhersteller in Deutschland.

Können Sie uns dieses Projekt genauer beschreiben?

S. Messer: Wir haben mit Salzgitter Flachstahl einen langfristigen Vertrag über den Bau und Betrieb einer Luftzerlegungsanlage geschlossen. Diese Anlage wird über eine Kapazität von über 30.000 m3/h bzw. 40.000 m3/h an gasförmigem Sauerstoff und Stickstoff verfügen und wird neben dem Standort Salzgitter auch die Salzgitter-Tochtergesellschaft Peine Träger im 30 km entfernten Peine über eine Rohrleitung beliefern. Messer wird zusätzlich Sauerstoff, Stickstoff und Argon in flüssiger Form produzieren und damit den lokalen Markt bedienen. In Niedersachsen ist zum Beispiel viel Fleisch verarbeitende Industrie angesiedelt, die in der Herstellung und Lagerung große Mengen an Stickstoff benötigt.

Wie finanzieren Sie all diese Investitionen?

S. Messer: Auf der einen Seite aus dem Cashflow, den wir erwirtschaften. Darüber hinaus haben wir natürlich auch Finanzschulden. Diese werden wir in den kommenden Jahren etwas ausweiten, denn wir planen ein sehr starkes Investitionsprogramm. Wir werden allein in den nächsten drei Jahren zehn große Luftzerlegungsanlagen bauen: Neben den beiden bereits erwähnten Projekten in Deutschland wird es Anlagen in Spanien, Frankreich, der Schweiz, der Türkei, Ukraine, in Rumänien, Bosnien-Herzegowina und Polen geben. Danach müssen wir unsere Investitionen stark zurück fahren, weil wir natürlich unsere Schulden tilgen wollen.

Das setzt ein anhaltendes Wachstum am Gasemarkt voraus...

S. Messer: Der Gasemarkt wächst derzeit weltweit 1,5 bis zwei Mal stärker als das Bruttoinlandsprodukt. Hinzu kommt, dass es ungezählte Anwendungen von Gasen gibt. Wir beliefern beispielsweise die Metall verarbeitende Industrie, die Medizin- und Umwelttechnik ebenso wie die Lebensmittel-, Chemie-, Glas- oder Automobilindustrie. Wenn es einer dieser Industrien schlechter geht, dann wächst die andere. Dadurch können wir als Gaseproduzent kontinuierlich wachsen - manchmal ein bisschen stärker, manchmal ein bisschen schwächer, aber einen Rückgang haben wir noch nie verbucht.