Serialisierung und Identifizierung
Turck schafft mit RFID Transparenz vom Produktionswerk bis ins Versandlager
Pharma-Plagiate machen Gesundheitsbehörden und Wettbewerbshütern weltweit zu schaffen. Deshalb soll zukünftig die gesamte Produktions- und Vertriebskette von Arzneimitteln lückenlos transparent sein. Die Identifikation kann je nach Anforderung mittels Bar- oder Datamatrix-Codes, OCR-Texterkennung oder RFID durchgeführt werden, wobei alle Identifikationstechniken auf dieselbe Datenbasis in einer zentralen Daten-Cloud verweisen. Solche Lösungen bieten sich an, über die Großhändler bis zu den einzelnen Apotheken ausgebaut zu werden.
Ein Prozent aller Medikamente in West-Europa sind laut WHO gefälscht. Das hört sich nicht besonders dramatisch an, bedeutet aber bei 700 Millionen verkauften Packungen allein in Deutschland, dass rund sieben Millionen davon gefälscht sind. Weltweit sieht es noch dramatischer aus. Je nach Land liegt die Quote der gefälschten Medikamente bei neun bis 41 Prozent. Bei einer Gewinnmarge bis zu 700 Prozent ist das für die Fälscher ein lukratives Geschäft.
Weltweit sucht man derzeit nach Wegen, Pharmaplagiateuren das Handwerk zu legen. Schließlich drohen neben dem wirtschaftlichen Schaden (50 Mrd. € pro Jahr allein in Deutschland) ernsthafte Schäden für die Gesundheit der Konsumenten gefälschter Arzneimittel. Das Ziel ist eine lückenlose Serialisierung und Identifikation aller verkaufsfähigen Arzneimittelpackungen durch Seriennummern über die gesamte Produktionskette hinweg einzuführen Zur automatisierten Identifikation der Seriennummern werden diese nicht nur in Klartext aufgedruckt, sondern je nach Packungseinheit auch als Bar-, Data-Matrix- oder RFID-Code aufgebracht.
Serialisierung in der EU
Innerhalb der EU soll die lückenlose Serialisierung bis 2019 eingeführt sein. Sämtliche Medikamentenverpackungen müssen dann zweifelsfrei identifiziert werden können. Und das an jedem Punkt der Herstellungs- und Vertriebskette. Sobald die Medikamente in der ersten Verpackungseinheit (Primärverpackung) landen, beispielsweise einer Blisterverpackung, sind sie einem Hersteller und einer Charge zugeordnet. Jede Verpackungseinheit – vom Blister und der klassischen Arzneimittelpackung (Sekundärverpackung), wie man sie in der Apotheke kaufen kann, über Gebinde von mehreren Packungen (Tertiärverpackung) bis zum gesamten Karton oder gar einer ganzen Palette von Arzneimitteln – muss lückenlos identifizierbar sein. Ein solches Gesamtsystem ist relativ komplex – sowohl technisch als auch was die Abstimmung der verschiedenen betroffenen Parteien angeht. Etliche Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Systemen sind erforderlich und nicht zuletzt müssen alle Lese- und Schreibgeräte in Echtzeit auf die gleiche Datenbasis zurückgreifen. Vermutlich verschiebt die EU das verpflichtende Einführungsdatum der Serialisierung auch deshalb immer wieder nach hinten.
Erfolgreiches Pilotpojekt
Ein Konzept, das auch in Europa Schule machen könnte, hat Turck Korea mit weiteren Partnern für den südkoreanischen Pharmahersteller Daewon Pharm, der mit knapp 700 Mitarbeitern etwas 150 verschiedene Produkte herstellt, auf den Weg gebracht. Die Cloud-basierte Lösung erfasst die Arzneimittel von der Produktion bis zum Einlagern im Versandlager von Daewon. Identifiziert wird je nach Anforderung mittels Bar- oder Datamatrix-Codes, OCR-Texterkennung oder RFID. Alle Identifikationstechniken verweisen jedoch auf dieselbe Datenbasis in der zentralen Daten-Cloud. Die Lösung bietet sich an, über die Großhändler bis zu den einzelnen Apotheken ausgebaut zu werden.
Im Pilotprojekt waren neben Turck starke Partner mit an Bord, die Erfahrung mit der überlagerten IT-Infrastruktur und der Datenanbindung an ERP- und MES-Systeme hatten. Das Biotechnik- und Pharmaunternehmen Hamni war Hauptvertragspartner und steuerte Wissen und Erfahrung aus der Umsetzung des eigenen RFID-Systems bei. Die Tochter Hamni IT hatte bereits Erfahrung mit dem selbstentwickelten Supply-Chain-Management-System Keidas gesammelt, auf die das Daewon-Pilotprojekt aufbauen konnte. Die Software kann alle Operationen im Produktionsmanagement erfassen – vom Produktionsstart über Verpackung, Versand, Warenannahme bis zum Verkauf der Produkte. Alle Daten werden dabei nicht lokal gesichert, sondern über eine Daten-Cloud an jedem Punkt der Produktions- und Vertriebskette für alle Mitglieder der Supply Chain verfügbar und aktuell gehalten, wobei die South Korea Telecom (SKT) die Daten-Cloud zur Verfügung stellte.
Integrierte Etikettiermaschine zur RFID/2D-Serialisierung
Turck Korea leistete den Automatisierungsteil im Projekt, in dem das Unternehmen komplette Maschinen entwickelte und baute, die die notwendigen Codes und Datenträger auf unterschiedliche Verpackungseinheiten drucken, fixieren, überprüfen und lesen können. Diese Maschinen kommunizieren wiederum mit dem Keidas-System und bilden die Produktions- und Verpackungsprozesse dort ab.
Am Anfang der Produktion steht in den Daewon-Werken eine in den Produktionsablauf integrierte Etikettiermaschine. Die Arzneimittelschachteln werden darin mit einem RFID-Datenträger versehen, der mit der entsprechenden Seriennummer beschrieben wird. Zusätzlich erhalten die Schachteln einen 2D-Code- und Klartextdruck mit denselben Informationen. Die RFID-Datenträger werden direkt in der Maschine schon auf korrekte Funktion geprüft und gegebenenfalls ausgeworfen. Ebenso wird die Druckqualität der Datamatrix-Codes und der OCR-Beschriftung kontrolliert. Turck entwickelte für das Projekt gemeinsam mit Hamni eine so genannte „RFID Bulk Reading Machine“ und stattete sie mit etlichen Produkten aus dem eigenen Portfolio aus: neben induktiven Sensoren, Leitungssets, Netzteilen, VT250-HMI-Steuerungen und BL20-Feldbus-Gateways zählen dazu auch Produkte des Opto-Sensorik-Partners Banner Engineering, wie etwa Lichtschranken, Notaustaster sowie Kameras und Vision-Sensoren in der Anlage.
RFID Bulk Reading Maschine
Vor dem Einlagern müssen die einzelnen Arzneimittelverpackungen zu größeren Einheiten zusammengefasst werden, sollen aber einzeln identifizierbar bleiben, um eine lückenlose Verfolgung sicherzustellen. Die Bulk Reading Machine identifiziert per RFID alle in einem Karton enthaltenen Packungen, auch bei geschlossenem Karton. Insgesamt zehn RFID-Antennen erfassen die bis zu 500 einzelnen Datenträger innerhalb des Kartons. Dabei schließt eine bewegliche Antenne innerhalb der Maschine Doppellesungen oder nicht gelesene Verpackungen aus. Im Anschluss an die Identifizierung initiiert die Maschine den Druck eines Etiketts mit Barcode und Seriennummer, das außen zur weiteren Identifikation und zum Versand auf den Karton geklebt wird.
Leistungsfähige Identifizierung
Die Identifizierung mehrerer Kartons auf einer Palette erfolgt dann über RFID-Datenträger an der Palette. Die Zuordnung der Daten ist lückenlos. Alle Lesegeräte sind über Ethernet-Verbindungen mit Rechnern verbunden, die über die zentrale Daten-Cloud stets auf Echtzeitdaten der Pharmazeutika zugreifen. Ihre Stärke gewinnt die Lösung aus der Kombination von modernster RFID-Technik mit ebenso leistungsfähiger optischer Sensor- und Kameratechnik. Beide Technologien, optische Identifikation über Bar- und Data-Matrix-Codes oder OCR-Texterkennung sowie RFID, haben ihre Stärken. Die Systemlösung für Daewon Pharma zieht ihre Leistungsfähigkeit und Prozesssicherheit aus der klugen Kombination beider Identifikationsverfahren. Durch die zentrale Verknüpfung aller Daten an einer Stelle sind Datenabgleichfehler und andere Nachteitle einer asynchronen Lösung ausgeschlossen.
Vergleicht man oberflächlich die Kosten von RFID und Data-Matrix-Identifikation, ist RFID etwa zehnfach teurer, solange man nur die Kosten für Datenträger bzw. Etikettendruck betrachtet. Wie das Pilotprojekt aber letztlich belegt hat, ist RFID bei einer Gesamtbetrachtung aller Kosten (Total Cost of Ownership), inklusive Arbeitskosten und Ausstattung, die preiswertere Variante. Die Vorteile von RFID liegen in der Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Prozesse: Die Identifikation ist nicht nur schneller, es können heute schon bis zu 500 Datenträger gleichzeitig gelesen werden, ohne dass Kartons ausgepackt werden müssen – optische Verfahren schaffen höchstens 200 Datenträger gleichzeitig und benötigen dazu auch zwingend Sichtkontakt. Da allerdings bei den meisten Empfängern am Ende der Logistikkette, also den Apotheken, meist keine RFID-Lesegeräte vorhanden sind, nutzt man zusätzlich die optische Identifikation.
Von Projekterfahrung profitieren
Turck hat mit dem Pilot-Projekt enorme Erfahrungen in der Serialisierung von Pharmaprodukten sammeln können. Insbesondere das gewonnene Know-how mit vollautomatischen Maschinen und den pharmaspezifischen Anforderungen, aber auch im Handling von Projekten dieser Größenordnung mit mehreren Partnern sind für Turck und dessen Kunden besonders wertvoll. Allein in Korea entstanden im Anschluss bereits zehn Folgeprojekte, weitere Gespräche zu vergleichbaren Projekten in Europa, Amerika und Asien laufen.
Kontakt
Hans Turck GmbH & Co. KG
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