Serialisierte Pharmaverpackungen mit Tamper Evidence
Wörwag Pharma produziert bei GE Pharmaceuticals nach FMD-Richtlinie
Im Februar 2016 wurde die Delegierte Rechtsakte der als „Falsified Medicines Directive“ (FMD) bekannten EU-Richtlinie veröffentlicht. Damit begann die dreijährige Umsetzungsfrist für die Umstellung auf Arzneimittelverpackungen mit Seriennummer und Originalitätsverschluss. Ohne diese beiden Sicherheits-Features darf ab dem 9. Februar 2019 kein verschreibungspflichtiges Pharmaprodukt mehr die Produktion verlassen.
Die EU-Richtlinie 2011/62/EU – in der Pharmabranche als FMD bekannt – stellt die Pharmaindustrie und ihre Verpackungs- und Produktionsdienstleister vor große technische Herausforderungen. Die Entwicklung von fälschungssicheren Verpackungen mit Seriennummer und Originalitätsverschluss erfordert nicht nur eine Umstellung in der Produktionstechnik. Betroffen sind auch das Verpackungsdesign sowie die Beschaffungs-, Produktions- und Distributions-Logistik. Hinzu kommt die sichere Vergabe, Speicherung und Übermittlung von Seriennummern mittels komplexer, verschlüsselter IT-Systeme. Die IT-Infrastruktur für die sogenannte „End-to-End“-Verifizierung der Seriennummern befindet sich herstellerseitig und seitens der nationalen Überwachungs-Institutionen derzeit noch im Aufbau.
Der Böblinger Pharmahersteller Wörwag Pharma und sein Produktions-Dienstleister GE Pharmaceuticals produzieren heute schon FMD-konform. Damit setzen die beiden Firmen bei serialisierten Verpackungen in Kombination mit Tamper Evidence technische Maßstäbe für die künftige Herstellung in der EU. Im April 2016 lief bei GE in Botevgrad bei Sofia (Bulgarien) die erste Charge serialisierter Pharmazeutika vom Band.
FMD-konforme Produktion
Im Vorgriff auf die FMD-Richtlinie begann GE Pharmaceuticals zusammen mit Pilotkunden wie Wörwag frühzeitig, die Produktion neu auszurichten. Von Beginn an mit dabei waren deutsche Dienstleister wie der Maschinenbau-Spezialist Baumer hhs sowie der Faltschachtellieferant Kroha. Das Projektteam entwickelte ein neues Verpackungsdesign und passte die Produktionstechnik den neuen Anforderungen an. Dabei bot der Neubau in Botevgrad die Chance, die FMD-konforme Herstellung mit State-of-the-art Technik von Beginn an unter optimalen Bedingungen zu implementieren.
„Wir haben beschlossen, uns im Pilotprojekt gemeinsam mit unserem Produktionsdienstleister GE das notwendige Know-how frühzeitig anzueignen“, betont Michael Kulmann, Leiter Operativer Einkauf bei Wörwag Pharma. „Dadurch machen wir uns mit dem neuen Standard vertraut und haben die Möglichkeit, unser gesamtes Produktportfolio rechtzeitig auf die ab 2019 geltenden Anforderungen umzustellen.“ Parallel baut Wörwag die notwendige IT-Architektur auf, so dass der Hersteller sämtliche Vorgaben der EU-Richtlinie pünktlich zum Stichtag im Februar 2019 erfüllen kann.
DIN Norm und Coding Rules
Die gesetzlichen Anforderungen für EU-Hersteller wie Wörwag Pharma ergeben sich aus den von der FMD abgeleiteten technischen Normen. Für das fälschungssichere Verpackungsdesign im Sinne der Tamper Evidence (Originalitätsverschluss) gilt in Deutschland die DIN EN 16679 als Vorgabe. Die Norm definiert die „Merkmale zur Überprüfung von Manipulationen an Arzneimittelverpackungen“. Insgesamt neun Verpackungsvarianten werden beschrieben, inklusive Verifizierungskriterien und -prozessen. Für die Serialisierung gelten die „Coding rules for medicines requiring verification for the German market“, erstellt von der Branchen-Initiative securPharm.
Diese Regularien sehen eine fälschungssichere numerische Codierung mit Produkt- und Seriennummern in einem 2D-Data-Matrix-Code vor. Die vier Pflichtbestandteile sind
- der Product-Code
- die individuelle, randomisierte Seriennummer
- die Chargen-Nummer
- das Verfallsdatum.
Die technische Herausforderung besteht nicht allein im Bedrucken, sondern vor allem in der Verifizierung und der sicheren Dokumentation über leistungsfähige IT-Systeme. Sinn der Serialisierung ist es, jede einzelne Verpackungseinheit im Rahmen einer „End-to-End-Verifizierung“ zu erfassen. Hierbei wird die Seriennummer einmal direkt nach dem Bedrucken der der Verpackung geprüft und einmal bei der Übergabe am Point of Sale (Apotheke).
Auf Basis dieser gesetzlichen und abgeleiteten technischen Normen definierte Wörwag Pharma ihren 2D-Data-Matrix-Code ganz exakt in Bezug auf Qualität, das Druck-Design, die Daten- und Textstruktur und nicht zuletzt auf die sichere elektronische Übertragung der Daten. „Für den Product Code wählten wir den Standard der securPharm, basierend auf der Pharmacy Product Number (PPN). Auch für die weiteren Pflichtbestandteile haben wir uns weitgehend an die Leitlinien von securPharm und der EU-Direktive angelehnt“, erläutert Monika Barber, Supply Chain Managerin bei Wörwag. „Als Besonderheit entwickelten wir für das Generieren der Seriennummern eine spezielle Logik. Über einen Prefix können einzelne Produktionsdienstleister exakt zugeordnet und auch hinterher leicht identifiziert werden.“ Das Verpackungsdesign wurde bei GE zusammen mit dem Faltschachtelhersteller Kroha und dem Klebetechnik-Spezialisten Baumer hhs in einem mehrstufigen Verfahren entwickelt.
Im April 2016 erfolgte die Serien-Produktion der ersten Charge von serialisierten Medikamenten bei GE Pharmaceuticals: 1.000 Packungen des Magenmittels Pantoprazol 40mg liefen im Auftrag von Wörwag vom Band. Sowohl die Klebetechnik als auch die Bedruckung bewährten sich und erfüllten sämtliche Anforderungen im Rahmen des Qualitätsmanagements. Wörwag will in diesem Jahr bereits rund 150.000 Sekundärverpackungen mit Seriennummer und Tamper Evidence von GE herstellen lassen.
Klebetechnik und Daten-Matrix-Code
Die Faltschachtel für die Sekundärverpackung soll nutzerfreundlich und wiederverschließbar sein. Die für das Öffnen präferierte Vorderseite ist mit einer nicht erkennbaren Perforierung versehen. Diese befindet sich auf der Oberseite der Verpackung und wird von der Lasche verdeckt, die dort aufgeklebt wird. Nach dem ersten Öffnen durch Eindrücken und damit dem Einreißen entlang der Perforation kann die Verpackung auf dieser Seite wieder auf herkömmlichem Wege verschlossen werden, in dem die Lasche wieder unterhalb der Oberseite eingesteckt wird. Für den fälschungssicheren Verschluss entwickelte Baumer hhs eine kombinierte Heiß- und Kaltklebetechnik. Jeweils acht Klebepunkte des Kalt- und Heißklebers werden auf der Innenseite der Lasche aufgetragen. Der Heißkleber sorgt für den sofortigen Verschluss, während der Kaltkleber erst nach 15 Minuten trocknet. Durch diese Doppelklebetechnik kann die Verpackung nicht manipuliert werden.
Die Seriennummer wird auf der Rückseite in zweifacher Weise aufgedruckt: Sie ist zum einen auf einem quadratischen, maschinenlesbaren 2D-Matrix-Code hinterlegt und zum anderen unter der Abkürzung „SN“ in vom Menschen lesbarer Schrift. Dies gilt auch für den Product-Code, die Chargen-Nummer und das Haltbarkeitsdatum. All diese Angaben werden gemäß EU-Richtlinie ab 2019 am Point of Sale, also der Ausgabe in der Apotheke, im Krankenhaus usw. verifiziert. Erst nach erfolgreicher Verifizierung und erfolgter Freigabe durch das IT-System darf das pharmazeutische Produkt an den Endkunden abgegeben werden.
Zentrale Datenbank
Die Serialisierung und damit die digitale Nachverfolgbarkeit der Pharmazeutika setzt ein europaweit vernetztes IT-System mit entsprechenden Datenbanken und verschlüsseltem Transfer der sensiblen Daten voraus. Auf Seite des Produzenten GE Pharmaceuticals steht dieses IT-System bereits. Es umfasst drei Ebenen: Erstens die lokale Ebene – die Software ist auf den einzelnen Produktionsmaschinen hinterlegt und erhält die generierten Seriennummern für die jeweilige Charge, zweitens die IT auf Ebene des Produktionswerkes, und drittens das „Site controlling level“, also die IT-gestützte Überwachung des gesamten Produktionsstandortes in Botevgrad – inklusive ERP-System, Warenwirtschaftssystem usw.
Die IT-Datenbank befindet sich in einem Hochsicherheits-Datenzentrum. Das gewährleistet die verlässliche und sichere Server-Infrastruktur für die Ablage der Seriennummern, die nur einmal vergeben werden dürfen. Sobald die einzelne Seriennummer bei der Produktion auf die Verpackung aufgedruckt und unmittelbar danach erfolgreich verifiziert wurde, übermittelt GE die Seriennummern mit Unterstützung seiner IT-Dienstleister über verschlüsselte VPN-Verbindungen an den jeweiligen Kunden, z.B. Wörwag. Die Seriennummern werden spätestens ab 2019 vom jeweiligen Hersteller auf ein zentrales europäisches Daten-Hub hochgeladen, das für den deutschen Markt von der securPharm betrieben werden wird. Dieser zweite Teil des IT-Netzwerkes befindet sich derzeit im Aufbau und wird die Verifikation und Kontrolle der serialisierten Pharmazeutika übernehmen. Ab dem Februar 2019 wird durch das Einscannen des 2D-Matrix-Codes jede einzelnen Packung am Point of Sale mit den Daten bei securPharm und dem Hersteller überprüft und erst nach erfolgreicher Verifizierung freigegeben.