Strategie & Management

Roadmap für eine klimaneutrale Chemie

Studie analysiert Weg zu einer treibhausgasneutralen Chemieproduktion bis zum Jahr 2050

28.01.2020 -

Das im Oktober verabschiedete Klimapaket der Bundesregierung schreibt eine Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 vor. Ein Kraftakt für die deutsche Chemieindustrie, aber nicht unmöglich. Dies zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), erstellt durch die Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (Dechema) und das Beratungsunternehmen Futurecamp.

Im Jahr 2020 werden sich die Treibhausgasemissionen der Chemieindustrie nach Schätzung der Studienautoren auf rund 113 Mio. t summieren. Quellen sind die eigene Energieerzeugung, Stromverbrauch, Produktionsprozesse und der Kohlenstoff in den Produkten selbst. Rund 90% der Emissionen von Treibhausgasen der Chemiebranche stammen aus der Herstellung von Basischemikalien wie Ammoniak, Chlor, Wasserstoff, Methanol, Harnstoff sowie Kohlenwasserstoffen.

„CO2-freien Verfahren zur Herstellung von Basischemikalien sind heute prinzipiell bekannt, sie müssten aber für die großtechnische Verwendung noch weiterentwickelt und marktreif gemacht werden. Ihr Einsatz sei ab Mitte der 2030er Jahre denkbar. 2050 ist eine weitgehend treibhausgasneutrale Chemieproduktion in Deutschland technologisch vorstellbar“, sagt Klaus Schäfer, Vorsitzender des VCI-Ausschusses Energie, Klimaschutz und Rohstoffe, bei der Präsentation der Studie in Berlin. Welche Voraussetzungen dafür notwendig sind, untersuchte die VCI-Studie mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland“.

45 Mrd. EUR zusätzliche Investitionen
Sie beschreibt die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte anhand drei unterschiedlicher Szenarien: In einem Referenzpfad würde die deutsche Chemie weiterhin mit den heutigen Technologien produzieren, ihre Effizienz durch kontinuierliche Investitionen aber weiter erhöhen. Damit kann sie bis 2050 eine Treibhausgasminderung von 27% bezogen auf das Niveau von 2020 erreichen.

Sogar 61% Minderung sind möglich, wenn die Unternehmen im zweiten, dem sog. Technologiepfad, zusätzlich stark in neue Prozesstechnologien der Basischemie investieren. Allerdings geht mit diesem Weg bereits ein sehr hoher Bedarf an erneuerbarem Strom von 224 TWh/a einher. Das zusätzliche Investitionsvolumen in neue Anlagen liegt bei rund 15 Mrd. EUR.

Noch weitergehende Maßnahmen beschreibt der dritte Pfad der Treibhausgasneutralität, der die Lücke zur vollständigen CO2-Minderung schließt: Danach würden neue Prozesstechnologien von den Unternehmen schon dann eingeführt, wenn sie eine CO2-Ersparnis erbringen, selbst wenn sie noch nicht wirtschaftlich sind. Alleine für die Herstellung der sechs in der Studie untersuchten Grundchemikalien müssten die Unternehmen von 2020 bis 2050 rund 45 Mrd. EUR zusätzlich investieren. Der Strombedarf würde ab Mitte der 2030er Jahre zudem rasant ansteigen und mit 628 TWh/a etwa das Niveau der gesamten heutigen Stromproduktion in Deutschland erreichen.

628 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen
Damit die Vision einer klimaneutralen Chemie wirklich wird, braucht es große Mengen an Strom aus erneuerbaren Quellen, die derzeit ohne Importe kaum bereitzustellen sind. Zudem seien niedrige Strompreise für die Branche auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität unabdingbar, sagte Schäfer: Die neuen Verfahren sind nach Angaben des VCI in Deutschland vor 2050 nur bei Stromkosten von 4 Ct pro kW/h wirtschaftlich. Bereits 50 % höhere Stromkosten – also 6 Ct je kW/h – würden bei den meisten Verfahren die Wirtschaftlichkeit in einen Zeitraum deutlich nach 2050 verschieben, erklärt Schäfer.

„Die Politik stehe vor der Aufgabe, neue Technologien in allen Phasen von der Entwicklung bis zur Markteinführung zu begleiten. Sie muss zudem die chemische Industrie am Standort Deutschland international wettbewerbsfähig erhalten“, sagte Schäfer. Dies könne über ein globales Klimaschutzabkommen oder durch staatliche Unterstützung geschehen. Die Branche will jedoch nicht allein auf Subventionen setzen, sie bevorzugt, unter marktwirtschaftlichen Bedingungen agieren zu können, doch dies erfordere z.B. einen weltweit einheitlichen CO2-Preis. (ag)

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