Anlagenbau & Prozesstechnik

Risikominimierung

Produktionssicherheit in der pharmazeutischen Industrie

28.01.2010 -

Es ist nur ein kleines, lokal begrenztes Feuer in der Produktionsanlage eines Medikaments - doch die Flammen richten weit größeren Schaden an: Erst stoppt die Produktion, dann kann das Medikament nicht mehr pünktlich ausgeliefert werden, und am Schluss bricht der Umsatz ein, und die Reputation des Unternehmens ist beschädigt.

Ähnlich wie in der chemischen Industrie wird bei der Herstellung von Pharmaprodukten mit sensiblen und oft auch brennbaren Stoffen gearbeitet. Die komplexen Produktionsverfahren sind höchst störungsanfällig und erfordern gründliche Sicherheitsvorkehrungen. Dabei geht es nicht nur um das Risiko direkter Brandschäden. Auch indirekte Brandschäden, z. B. durch Rauchkontaminationen, sind von großer Bedeutung. Zum einen können derartige Verunreinigungen das hergestellte Produkt wertlos machen. Zum anderen kann ein Verlust der Reinraumqualifizierung die Produktion auch längerfristig beeinträchtigen, denn die Qualifizierung muss in solchen Fällen in mehreren genau überwachten Schritten langwierig wiederaufgebaut werden. Auch Brandgase, Löschwasser, Regen und technische Fehlfunktionen können Reinraumbedingungen zerstören. Viele Hersteller legen deswegen großen Wert auf eine umfassende Prävention, um Produktionsausfälle und Lieferengpässe auf jeden Fall zu vermeiden.

Gefahrenherde analysieren

FM Global ist dabei ein bewährter Partner. Der Industrieversicherer analysiert potentielle Gefahrenherde seiner Kunden und erarbeitet dann gemeinsam mit ihnen ein maßgeschneidertes Risiko-Management-Konzept. Berücksichtigt werden dabei auch die internationalen Produktionsstrukturen und Logistikketten. Die Nutzung von Produktionsvorteilen im Ausland sorgt zwangsläufig für stark verlängerte Lieferketten zwischen Herstellern und Kunden, deren Schutz von großer Bedeutung ist. Bei einer Produktionsstörung warten deshalb nicht nur die Kunden unter Umständen vergeblich auf ihr Medikament. Auch der Ruf eines Unternehmens und der Wert von Produktmarken können in solchen Fällen empfindlichen Schaden nehmen.
In der pharmazeutischen Industrie bestehen jedoch nicht nur Brandrisiken. Manche Rohstoffe bergen auch Explosionsgefahren, besonders wenn sie staubförmig vorliegen. So kann ein für sich harmloser Grundstoff als Feinstaub-Luft-Gemisch hochexplosiv reagieren. Dem kann durch ein automatisches Entfernen überschüssiger Feinstäube oder durch die Installation von Explosionsunterdrückungssystemen wirksam begegnet werden.
Ein weiteres bedeutendes Risiko ist der Ausfall von Versorgungsleistungen. Ein Stromausfall bringt nicht nur Produktionsmaschinen zum Stillstand. Auch die für eine stabile Atmosphäre entscheidenden Klimaanlagen und Luftfilter funktionieren nicht ohne Strom. Sehr schnell sind als Konsequenz Reinraumbedingungen nicht mehr gegeben. Zudem müssen bestimmte Stoffe bis zur Verarbeitung gekühlt werden. Ein Ausfall der strombetriebenen Kühlung lässt diese Stoffe chemisch reagieren. Damit sind sie für die Produktion nicht mehr zu verwenden. Deionisiertes Wasser ist ebenfalls von großer Bedeutung für die Herstellung von Medikamenten. Der Transport in einem Gefäß würde die Deioniserung aufheben. Eine Herstellung quasi im Rahmen der Medikamentenproduktion ist daher unerlässlich. Auch hier wäre eine Störung lähmend für den Gesamtprozess.

Reduzierungspotentiale aufzeigen

FM Global nutzt zahlreiche verschiedene Ansatzpunkte, um diese verschiedenen Risiken zu identifizieren und deren Reduzierungspotentiale aufzuzeigen. Die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen basiert darauf, dass ein Ingenieur des Versicherers das jeweilige Risikopotential eines Standortes untersucht und analysiert. Diese Fachingenieure - Special Chemical Risk Engineers genannt - verfügen über langjährige Erfahrungen in der pharmazeutischen Industrie und untersuchen die Produktionsprozesse und Betriebsabläufe direkt beim Kunden. Auf Basis der festgestellten Risiken werden Schadenszenarien definiert und Präventionsmaßnahmen entwickelt, die in der Folge gemeinsam mit den Unternehmen abgestimmt, priorisiert und umgesetzt werden. Im Vordergrund steht dabei immer die Risikominimierung. Vielfach suchen Kunden die Zusammenarbeit auch bei Neu- und Umbauten - eine sehr vorausschauende Vorgehensweise. So können zu vergleichsweise geringen Kosten bereits in der Planungsphase wirkungsvolle Maßnahmen für die Risikominimierung berücksichtigt werden.

Individuelle Lösungen

Vor dem Hintergrund der komplexen Produktionsprozesse, gibt es in der pharmazeutischen Industrie - noch weniger als in anderen Branchen - keine Lösungen von der Stange. In jedem Einzelfall muss eine individuell maßgeschneiderte Lösung zur Risikominimierung erarbeitet werden. Diese Lösungen können der Aufbau von Redundanzen bei Ver- und Entsorgungssystemen sein, z. B. kann eine Störung in der unternehmenseigenen Kläranlage durch die Möglichkeit einer zeitlich begrenzten Abwasserlagerung kompensiert werden. Eine Stromringleitung hebt die Abhängigkeit von einer einzigen Stromzuleitung auf und macht im Störungsfall die Schaltung einer alternativen Zuleitung möglich. Im Bereich Brandschutz werden nicht nur die Risiken durch explosive und brandgefährliche Rohstoffe minimiert. Auch die Risiken durch brennbare Lagerbehälter und mechanische Wärmeentwicklung werden analysiert und können auf ein Minimum reduziert werden.
Eine derart intensive Beratungstätigkeit setzt umfangreiches Wissen voraus. Auf der Grundlage eines chemieingenieurwissenschaftlichen Studiums werden die in der pharmazeutischen Industrie eingesetzten Special Chemical Risk Engineers auch intern umfassend aus- und fortgebildet. Der Fokus liegt dabei auf dem branchenspezifischen Spezialwissen, das der jeweilige Ingenieur in seinem Wirkungskreis benötigt. Dazu gehören auch Kenntnisse der zugrundeliegenden chemischen Produktionsprozesse. Da sich viele der Risiken in der pharmazeutischen Industrie gegenseitig bedingen und voneinander abhängen, ist eine ganzheitliche Risikobeurteilung unverzichtbar. Das dazu notwendige umfangreiche Fachwissen unserer Ingenieure wird zusätzlich durch die Forschungsergebnisse aus unserem Research Campus permanent erweitert und auf dem neusten Stand der Wissenschaft gehalten.

Risiken erforschen

Auf dem derzeit 648ha großen Research Campus von FM Global in Rhode Island, USA, können in verschiedenen Laboratorien Gefahren wie Brände, Explosionen, Stürme, Überschwemmungen und Erdbeben nachgestellt werden. Beispiel Brandsimulation: In der größten Brandhalle der Welt lassen sich auf 3.000 m2 Industriebrände mit einer Wärmefreisetzung von bis zu 1.000 °C simulieren. In der Halle bauen Ingenieure Produktionsanlagen des Versicherungskunden zunächst maßstabstabsgerecht auf - und lassen sie dann kontrolliert in Flammen aufgehen. Eine Mühe, die sich lohnt. Am Ende wissen die Ingenieure genau, mit welcher Löschtechnik sich ein Feuer beim jeweiligen Kunden am schnellsten, effektivsten und kostengünstigsten unter Kontrolle bringen lässt. Dazu sind in der Halle Brandunterdrückungsanlagen mit einer Kapazität von bis zu 13.000 Liter Wasser pro Minute und einem Maximaldruck von 17bar für die unterschiedlichen Brandlasten installiert. Genau so gründlich und konsequent wird in anderen Laboratorien des Research Campus für die Minimierung von Explosionsrisiken bei den unterschiedlichsten flüssigen oder pulverförmigen Rohstoffen geforscht. So kann die Explosivität von Luft-Staub-Gemischen nicht nur in verschiedenen Mischungsverhältnissen, sondern auch mit einer beliebigen Anzahl verschiedener Stäube untersucht werden.
Die bestmögliche Gewährleistung der Produktionssicherheit in der pharmazeutischen Industrie stellt sehr komplexe Anforderungen. Der materielle Schaden einer Störung ist abzusichern, doch Imageverluste und abwandernde Kunden kann kein Versicherer kompensieren. Daher kann eine umfassende, auf den Ergebnissen aktueller Forschung basierende Minimierung der unvermeidbaren Risiken nicht früh genug einsetzen.

Kontakt

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