REACH fordert die Industrie zur Zusammenarbeit auf
10.10.2011 -
Nach Abschluss der Vorregistrierung fordert REACH die Industrie zur Zusammenarbeit auf. 2009 wird sich kein Compliance-Manager in der EU über mangelnde Beschäftigung beschweren können. Von der Organisation der Stoffaustauschforen bis zum Umgang mit der Kandidatenliste erzeugt die Chemikaliengesetzgebung REACH einen umfangreichen Aufgabenkatalog, der ein Höchstmaß an inner- und überbetrieblicher Kooperation verlangt.
Die Weckrufe haben gewirkt. Seit Mitte 2008 steht REACH auf der Compliance-Agenda der betroffenen Industrien ganz oben. Eindeutiger Beleg ist der Ausgang der Vorregistrierung: Ging die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) anfangs noch von bis zu 180.000 Stoffanmeldungen aus, so trafen im Endeffekt 2,6 Mio. Vorregistrierungen in Helsinki ein. Auch die Zahl der Registranten lag mit etwa 65.000 Unternehmen weit über den Erwartungen.
Trotz der ohnehin schon starken Resonanz ist davon auszugehen, dass sich die Zahlen in den kommenden Monaten noch weiter erhöhen werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden weitere Marktteilnehmer erkennen, dass sie die REACH-relevanten Teile ihrer Stoffportfolios nicht vollständig vorregistriert haben. Um sich die Vorteile der Vorregistrierung auch im Nachhinein noch sichern zu können, bleibt diesen Unternehmen nur der Weg, die betroffenen Geschäftsbereiche zu reorganisieren. Beispielsweise können Nachzügler neue Rechtseinheiten gründen, die den Import oder die Produktion der noch nicht vorregistrierten Stoffe übernehmen. Zudem lassen sich bereits bestehende Unternehmensverbünde nutzen, um Import- und Produktionsaufgaben umzuverteilen. Für welche Maßnahme sich die Unternehmen auch letztlich entscheiden, das Ziel besteht stets darin, die von der EU vorgesehene „späte Vorregistrierung“ zu erwirken. Diese gewährt Unternehmen eine sechsmonatige Frist zur Voranmeldung, wenn sie einen REACH-pflichtigen Stoff erstmals herstellen oder importieren.
Kooperatives Compliance-Management
Auch wenn eine solche Reorganisation erhebliche Zusatzkosten verursacht, wird sich der Aufwand für viele Marktteilnehmer rechnen. Denn erst die Vorregistrierung versetzt sie in die Lage, ihre weitere Registrierungsarbeit mittelfristig zu planen, ohne den Import oder die Herstellung der von REACH betroffenen Stoffe unterbrechen zu müssen. Neben den Übergangsfristen sind es insbesondere die Stoffaustauschforen (engl. Substance Information Exchange Forum, SIEF), die eine kostengünstige Gestaltung des REACH-Prozesses ermöglichen sollten.
Das Spektrum möglicher Kooperationen hat die ECHA im Rahmen der Vorregistrierung bereits abgesteckt: Als Keimzellen der SIEFs dienen die Vorregistrierungslisten, in denen die Registranten verwandter Stoffe zusammengefasst sind. Hierbei umfassen zahlreiche SIEFs eine große Zahl an Unternehmen. Im November hatten einige Foren die Grenze von 5.000 Mitgliedern bereits überschritten. Angesichts dieser Fülle stehen kooperationswillige Unternehmen vor einer äußerst komplexen Organisationsaufgabe: Wie findet man Mitstreiter, die aktiv Teile des Registrierungsprozesses übernehmen wollen und nicht etwa nur Zaungäste sind? Wie bringt man handlungsbereite Partner unter einen vertraglichen Hut, der insbesondere die Arbeitsteilung, das Abstimmungsverfahren und die Finanzierung klärt? Und wie etabliert man eine überprüfbare Regelkommunikation, mit der sich das operative Compliance-Management sicher und transparent (nach)vollziehen lässt?
Insgesamt werden sich etwa 50.000 Stoffaustauschforen organisieren müssen. Um die für die Registrierungsarbeit erforderlichen Informationen austauschen zu können, hat der Verband der Europäischen Chemischen Industrie (CEFIC) die Webplattform SIEFreach. com eingerichtet, die sämtliche Informationen aus dem Portal der ECHA enthält. Das von vielen nationalen Fachverbänden unterstützte Internetangebot der CEFIC soll sich zur zentralen Plattform für die weltweite Zusammenarbeit entwickeln.
Die Mehrheit der SIEFs muss sich möglichst schnell, das heißt noch im Frühjahr 2009, zusammenfinden. Betroffen sind insbesondere all jene Foren, in denen sich Hersteller und Importeure aus dem 1.000- Tonnen-Mengenband befinden, das die Abgabe der Registrierungsdossiers bis Ende November 2010 verlangt. Gleiches gilt für Registranten, die es mit umweltgefährlichen (>100 t/a) oder sonstigen besonders bedenklichen Stoffen zu tun haben.
De facto bleibt den Betroffenen sogar noch weniger Zeit: Jedes SIEF muss einen Feder führenden Registranten einsetzen, der vor Fristablauf eine Erstregistrierung abzugeben hat. Erst wenn die ECHA diese Erstregistrierung akzeptiert hat, was bis zu sechs Monate dauern kann, können die übrigen SIEF-Mitglieder ihre Dossiers darauf beziehen und fristgerecht einreichen.
Transparenz
Zusätzlich zur Kooperation in den Foren entscheidet sich der Erfolg der REACH-Arbeit aber auch an der Güte der unternehmensinternen Koordination. Für Unternehmen, die mehrere Hundert, wenn nicht gar einige Tausend Stoffe registrieren müssen, ergibt sich eine weitere organisatorische Herkulesaufgabe. Denn um den REACH-Prozess im Griff zu haben, müssen sie sämtliche Registrierungsprojekte aufeinander abstimmen. Vor allem Konzerne mit vielen Tochterunternehmen und Auslandsgesellschaften, die sich die REACH-Aufgaben teilen, müssen präzise nachverfolgen können, ob die einzelnen Projektteams die Meilensteine ihrer Arbeit zeitgerecht erledigen.
Ein entsprechendes Task Management wird SAP REACH Compliance bieten. Die von SAP und TechniData gemeinsam entwickelte Softwareanwendung unterstützt sämtliche Betriebsabläufe im Unternehmen, um die Umsetzung der REACHProzesse durchgängig zu gewährleisten. Hierbei ermöglicht die Anwendung auch den elektronischen Informationsaustausch entlang der REACHrelevanten Schritte. Eine der wesentlichsten Aufgaben wird darin bestehen, Informationen zu Verwendungs- und Expositionsszenarien von Kunden und Lieferanten zu gewinnen, um das Risk Asssessment ausführen und darauf aufbauend die Sicherheitsdatenblätter REACHkonform anpassen zu können.
Zusatzaufgaben
Parallel zur längerfristig organisierbaren Registrierungsarbeit stellt REACH aber auch Aufgaben, die es bereits jetzt zu lösen gilt: So hat die EU im Oktober 2008 die ersten 15 besonders besorgniserregenden Stoffe der Kandidatenliste benannt. Erzeugnishersteller und Importeure müssen seither prüfen, ob und in welcher Menge diese Stoffe in ihren Produkten enthalten sind. Ist dies der Fall, so müssen sie ihre gewerblichen Kunden proaktiv darüber informieren und Hinweise zum sicheren Gebrauch übermitteln. Verbraucher haben das Recht Auskunft zu erhalten, ob solche Stoffe enthalten sind und wie das Erzeugnis trotzdem sicher zu verwenden ist. Anfragen dazu gilt es innerhalb von 45 Tagen zu beantworten. Die ECHA wiederum muss ab 2011 über das Vorkommen von besonders besorgniserregenden Stoffen schriftlich in Kenntnis gesetzt werden.
Doch damit nicht genug. Zusätzlich zu REACH bringt das neue Jahr den Compliance- Managern eine weitere Großbaustelle. Am 1. Januar trat das Global Harmonisierte System zur Klassifizierung und Etikettierung von Chemikalien (GHS) auch in der EU in Kraft. Da die GHS-Vorgaben auf Stoffebene bis Ende 2010 und bei den Zubereitungen bis 2015 zu erfüllen sind, sehen sich vor allem all diejenigen Unternehmen einer Doppelbelastung gegenüber, die bereits im ersten Registrierungsband von REACH tätig werden müssen. Betroffen sind allerdings auch alle anderen Teilnehmer der Lieferkette, da Informationen aus den Lieferanten- Sicherheitsdatenblättern in die eigenen Datenblätter übernommen werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist eine möglichst weitgehende Arbeitsteilung bei der REACH-Compliance das Gebot der Stunde.
Dr. Karl-Franz Torges, Solution Manager bei TechniData
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