Profibus: Funktechnik vereinfacht Datenübertragung
30.12.2011 -
Profibus: Funktechnik vereinfacht Datenübertragung
In einem waren sich Forschungsprojekte und Dissertationen zum Thema Wireless Profibus bislang einig: Es ist unmöglich, über Funkstrecke einen Profibus-Master anzuschließen, wenn weitere Master am gleichen Bus arbeiten sollen. Dabei gäbe es gerade hierfür z. B. in der industriellen Automatisierungstechnik etliche Einsatzbereiche, etwa in Logistikzentren, bei Regalbediengeräten in großen Lagern oder über all da, wo man gerne tragbare Programmiergeräte einsetzen möchte, um Änderungen am System direkt vor Ort und nicht von der Leitwarte aus vorzunehmen. Auch Übertragungsraten von bis zu 1,5 Mbit waren in diesem Zusammenhang in der Praxis bislang nicht umsetzbar. Jetzt haben Datenfunkexperten von Schildknecht Industrie Elektronik in Sersheim dieses Problem gelöst und auch in verschiedenen Datenfunksystemen gezeigt, dass Datenübertragungen von 1,5 Mbit in der Praxis realisierbar sind (auch nach Profisafe- Standard). Aktuelles Anwendungsbeispiel ist eine nachgerüstete, redundante Profibus- Verbindung über Funkmodule mit 500 kbit/s bei einem sogenannten Cutter, der Schlamm vom Boden absaugt.
Um die Schifffahrt auf der Elbe zu ermöglichen, heben Baggerschiffe regelmäßig die Fahrrinne aus. Diesen Aushub liefern die Baggerschiffe in einem Deponie-See ab, der mit einer Folie ausgelegt, damit Schadstoffe nicht in den Boden gelangen können. So genannte Cutter, die man sich ähnlich wie einen großen schwimmenden Staubsauger vorstellen kann, saugen den Aushub bei Reinigungsbedarf aus dem Deponie-See ab und transportieren ihn über Rohrleitungen zur Reinigung ans Festland (Abb. 1).
Die gemessene Saugtiefe muss spätestens nach 500 ms nachgeregelt werden, um Schäden an der Abdichtfolie zu vermeiden.
Über Funk den Regelkreis schließen
Die beschriebene Anwendung wird von einer zentralen SPS gesteuert und deren Daten per Profibus mit 500 kbit/s von der Schaltwarte über mehrere hundert Meter Kabelverbindungen zu den einzelnen Mess- und Schaltanlagen geführt. Dabei bietet diese Umgebung für Datenübertragung über Kabel so ziemlich die ungünstigsten Verhältnisse. Ein Abschnitt der Kabelleitungen beispielsweise muss über Schwimmpontons zu den Maschinen im Deponie-See geführt werden. Um mehr Sicherheit bezüglich der Verfügbarkeit zu schaffen, wurde hier eine redundante Verbindung über Funkmodule nachgerüstet, die ebenfalls mit 500 kbit/s arbeiten (Abb. 2).
So kam die Firma Schildknecht ins Spiel. Die Datenfunkexperten haben inzwischen über 10 Jahre Erfahrungen im Bereich Funksysteme für den Profibus gesammelt. „In dieser Anwendung galt es, über eine Funkstrecke einen Regelkreis zu schließen“ sagt Dipl.-Ing. Thomas Schildknecht, Geschäftsführer und Inhaber des Unternehmens. „Dazu braucht man sehr hohe Datenübertragungsraten. Auf uns ist der Anlagenbetreiber zugekommen, nachdem die Lösung eines Konkurrenten nicht hielt, was sie versprach. Dort konnte man nicht die Datenraten liefern, die eine solche Anwendung erfordert. Wir haben den „Dataeagle 3002“ eingesetzt, der in dieser Anwendung auch über die Funkstrecke eine Datenrate von 500 kbit/s liefert. Damit waren wir ca. 50-mal schneller als unsere Konkurrenz. Und inzwischen sind wir sogar in der Lage, 1,5 Mbit/s per Funk zu übertragen. Auch solche Systeme setzen wir bereits in etlichen Anwendungen ein.“
Am Puls der Kunden
Systeme zur Profibus-Funkübertragung mit Datenraten von 1,5 Mbit bieten die Datenfunkexperten gleich in mehreren Varianten an (Abb. 3). Einerseits für drei oder sieben DPbzw. DE-Slaves andererseits für verschiedene Funktechnologien. So kann für jeden Anwendungsfall die passende Technologie geliefert werden, z. B. wenn ein Frequenzbereich bereits belegt ist oder die IT-Abteilung eines Unternehmens nur einen bestimmten Frequenzbereich zur Funkkommunikation für das Automatisierungsnetz frei gibt.
„Um entscheiden zu können, welche Funktechnologie in welchem Fall am besten geeignet ist, braucht man einiges Know-how“ so Schildknecht weiter. „Das haben wir in den letzten 12 Jahren zu genüge gesammelt. Meist können wir in einem Beratungsgespräch schon innerhalb weniger Minuten sagen, welche Lösung für die beschriebene Anwendung die geeignetste ist. Dazu muss man natürlich die spezifischen Eigenheiten der verschiedenen Funktechnologien sehr gut kennen und zum Beispiel auch wissen, wie sie sich verhalten, wenn man unterschiedliche Technologien mischt.“
Systeme mit Datenraten von 1,5 Mbit werden derzeit für die Funktechnologien 2,4 GHz DSSS, 1,9 GHz DECT und 2,4 GHz Bluetooth angeboten. 2,4 GHz 802.11b und 5 GHz 802.11a sind momentan in Entwicklung. Alle diese Geräte können neuerdings mit einem Profibus-Masterinterface nach der Funkstrecke geliefert werden. So ist es erstmals möglich, einen weiteren Profibus Master wie z. B. eine weitere SPS, ein Operator Panel oder ein Programmiergerät über die Funkstrecke anzukoppeln. „Damit ist uns gelungen, was vor kurzem in Dissertationen noch allgemein als unmöglich bezeichnet wurde“ berichtet Schildknecht stolz. Dabei ist die Datenübertragung über die Funkstrecke grundsätzlich völlig transparent, verhält sich also beim Einrichten an der SPS wie eine Kabelverbindung.
Vielseitig einsetzbar
Funktechnologie ist generell vielseitig einsetzbar und bringt in vielen Anwendungen etliche Vorteile gegenüber Kabellösungen, z. B. bei bewegten Maschinenteilen. Die hier üblicherweise eingesetzten Schleppkabel sind sehr verschleißanfällig. Vorteile bringt die verschleißfreie Funkstrecke auch da, wo bislang viele hundert Meter Kabel verlegt werden mussten und teure Erdarbeiten nötig waren.
Mit den hohen Datenraten von 1,5 Mbit und der erstmaligen Möglichkeit zum Anschluss eines Masters über eine Funkstrecke innerhalb eines Multimaster- Systems erschließen sich der Datenfunktechnologie aber weitere interessante Anwendungen zum Beispiel in Logistikzentren, bei Regalbediengeräten in großen Lagern oder über all da, wo man gerne tragbare Programmiergeräte einsetzen möchte. Für Sicherheitsanwendungen sind auch Datenfunksysteme nach dem Profisafe-Standard lieferbar. Damit lässt sich auch ein Notaus über Funk realisieren.