Logistik & Supply Chain

Potentiale zur Effizienzsteigerung nutzen

Interview mit Qualitäts-Experte Jürgen Ortlepp über risikobasierte Prozessanalysen

19.11.2013 -

Bei der Lagerung und beim Transport von Gefahrstoffen/gut müssen Unternehmen zu jeder Zeit sicherstellen, dass die Vielzahl von Forderungen aus dem Gefahrgutrecht in allen Prozessen abgebildet und auch so umgesetzt wird. Dies zu überprüfen obliegt u.a. einem Gefahrgutbeauftragten. Eine risikobasierte Analyse aller Abläufe über die Gefahrgutvorschriften hinaus steht dabei nicht im Fokus. Diese ermöglicht aber, dass die Prozesse effektiv und effizient gestaltet werden können. CHEManager sprach mit Jürgen Ortlepp, Bereichsleiter für Qualitätsmanagement, Sicherheit und Gefahrgut sowie für Schulung und Beratung beim Logistikdienstleister Infraserv Logistics.

CHEManager: Herr Ortlepp, was versteht man unter einer risikobasierten Prozessanalyse im Gefahrgutumfeld?

J. Ortlepp: Es geht dabei darum, sämtliche Prozesse, die Gefahrgüter in einem Betrieb durchlaufen, in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit zu analysieren und bezüglich ihres Risikopotentials zu bewerten. Das können beispielsweise Vorgänge wie das Etikettieren, das Transportieren, die Entnahme von Proben oder die sachgerechte Lagerung sein. Diese Aspekte sind dahingehend zu untersuchen, ob sie durchgängig gesetzeskonform beschrieben sind und auch tatsächlich so umgesetzt werden. Dabei steht nicht die bloße nachgeschaltete Kontrolle der Abläufe durch einen Gefahrgutbeauftragten im Fokus, sondern es geht darum, etwaige Risiken bereits am Anfang der Prozesskette präventiv zu erkennen. Hier geht es also um vorbeugende Qualitätssicherung.

Was kann so eine Analyse leisten?

J. Ortlepp: Sie verschafft sowohl den Herstellern von Gefahrgütern, als auch Logistikern, Zwischenhändlern und industriellen Abnehmern einen Gesamtüberblick über ihre Prozesse. Aus der bloßen Erfüllung der Überwachungspflicht wird ohne den einengenden Fokus auf ein Regelwerk ein ganzheitlicher Überblick über alle Risiken eines Prozesses. Dieser versetzt Unternehmen in die Lage, ihre Abläufe sinnvoll zu verschlanken oder neu zu strukturieren. Anschließend sind die Prozesse in der Regel sicherer, schneller und effizienter.

Können auch Gefahrgutbeauftragte solche Analysen vornehmen?

J. Ortlepp: Nur sehr eingeschränkt. Denn sie sind durch ihren eigentlichen Auftrag eingeengt. Ihre Aufgabe ist es, zu kontrollieren ob alle Gesetzesauflagen erfüllt sind. Grundsätzlich sind Gefahrgutbeauftrage eher Spezialisten für ein Fachgebiet und keine analytischen Generalisten.

Wer bietet solche Dienstleistungen für Unternehmen an?

J. Ortlepp: Es gibt verschiedene Unternehmen, die auf die Durchführung von Risikoanalysen fokussiert und spezialisiert sind. Im Gefahrgutumfeld werden solche Analysen jedoch seltener angeboten. Bei Infraserv Logistics setzen wir mit unserer Leistung noch spezifischer an: Wir führen Risikobetrachtungen im Gefahrgutumfeld durch und haben gleichzeitig die Expertise unserer eigenen Gefahrgutbeauftragten mit an Bord. So werden etwaige Risikobefunde an den gesetzlichen Anforderungen reflektiert und mit diesen abgeglichen. Doppelaufwände und Blindleistung durch zusätzlich notwendige Abstimmungsschleifen entfallen.

Geht Ihr Unternehmen intern nach demselben Prinzip vor?

J. Ortlepp: Bei uns steht der Gesamtprozess im Vordergrund - mit eindeutigem Fokus auf gefahrgutrelevanten Tätigkeiten, da diese unser Kerngeschäft und unsere Kernkompetenz darstellen. Neue Prozesse werden zunächst vollständig in einer Risikobetrachtung erfasst, einzelne Bereiche wie beispielsweise der Umgang mit Gefahrgütern werden dabei bezüglich der gewünschten Prozessleistung nach innen, aber selbstverständlich auch bezüglich der Compliance nach außen hin abgebildet. Ziel ist dabei ein schlanker, effizienter Prozess bei vollständiger Erfüllung aller anwendbaren Regularien und Kundenanforderungen.


An welcher Stelle sollten Unternehmen mit einer Analyse ansetzen?

J. Ortlepp: Das kommt auf die jeweiligen Rahmenbedingungen an. Ein Unternehmen, das alle Anforderungen an die Gefahrgutvorschriften erfüllt, muss nicht zwangsläufig effizient dabei vorgehen. Die Risikobetrachtung hat in diesem Fall den Fokus darauf, Effizienzpotentiale zu heben und gleichzeitig die Compliance nicht zu gefährden. Etwas anders sieht es bei Unternehmen aus, bei denen es bekannte Mängel in der Abwicklung der Gefahrgutrelevanten Tätigkeiten gibt. Hier sind Begehungs- oder Jahresberichte eine gute Ausgangsbasis, um mit einer Risikobetrachtung auf den bekannten Schwachpunkten aufzusetzen. Dabei steht zunächst im Vordergrund, die Gefahrgutprozesse rechtskonform neu zu strukturieren und systemseitige Risiken für andere Prozesse und Abhängigkeiten mit zu erfassen. Im Anschluss daran kann die Risikoanalyse auf den Gesamtprozess ausgeweitet werden.

Welchen Unternehmen raten Sie zu einer risikobasierten Prozessanalyse?

J. Ortlepp: Vor allem für mittelständische Unternehmen sind die Betrachtungen sinnvoll. Sie wollen sich auf ihr jeweiliges Kerngeschäft konzentrieren und betrachten die Erfüllung ihrer Pflichten im Umgang mit Gefahrstoffen nicht als wertschöpfend. Deshalb delegieren sie diese Aufgaben bevorzugt an Dritte. Auf diese Weise haben sie aber einerseits nicht die Risiken ihrer Prozesse vollumfänglich im Blick und machen sich gleichzeitig keine Gedanken über Effizienzpotentiale, die sie zu ihrem Vorteil nutzen können.

 

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