Anlagenbau & Prozesstechnik

Planung von chemischen Anlagen

Mit modellgestützter Optimierung Kapazitäten erweitern und Engpässe in der Mehrkomponentenproduktion beseitigen

19.12.2013 - Mit der modellgestützten Optimierung lässt sich die Frage beantworten, ob und in welchem Umfang sich eine Kapazitätserweiterung einer bestehenden Anlage lohnt.

Wer eine Kapazitätserweiterung seiner Anlage im Rahmen eines Revamps in Betracht zieht, möchte in der Regel so viele Module der existierenden Anlage wie möglich weiter nutzen. Es ist daher zunächst notwendig, systematisch zu untersuchen, welche Bauteile bei einer solchen Kapazitätserweiterung zu einem Bottleneck führen könnten. Bei diesen kritischen Anlagenteilen müssen Planer individuell abschätzen, ob sich durch Veränderung der Prozessparameter, einfache Umverrohrung oder ergänzende Apparaturen Abhilfe schaffen lässt oder ob ein Austausch der bestehenden Apparate nötig wird.

Optimierung des Prozesses
Bei der Mehrkomponentenproduktion kommt hinzu, dass bei einer Kapazitätserhöhung häufig nicht alle Produktmengen gleichermaßen linear angehoben werden sollen. Vielmehr möchten Betreiber die Ausbeute der verschiedenen Produkte meist unterschiedlich stark steigern. Dies hat jedoch Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der gesamten Produktion. 

Um eine möglichst hohe Wirtschaftlichkeit zu erzielen, ist daher zunächst eine Optimierung des Prozesses unter neuen Randbedingungen erforderlich. Als Freiheitsgrade bieten sich dabei unter anderem die Reaktortemperatur, aber auch Einstellgrößen im Kolonnenbetrieb an. Dabei können sowohl die jeweiligen Produktspezifikationen als auch die Apparatekapazitäten die Optimierung limitieren, wie beispielsweise Kühlvorrichtungen zur Wärmeabfuhr in exothermen Reaktoren oder hydraulische Belastungen in Destillationskolonnen.

Mit Modellen zu fundierten Daten
Aufgrund der vielen Freiheitsgrade lassen sich die meisten Prozesse nur schwer auf Basis von Heuristiken und Erfahrungswerten optimieren. Leistungsfähige Simulationstools wie Aspen Plus oder Chemcad ermöglichen dagegen eine detaillierte modellbasierte Prozessoptimierung. Dabei orientieren sich die Modelle auf reellen Daten. So fließen unter anderem die Ist-Informationen der bestehenden Anlage ein. In der modellgestützten Prozessoptimierung können zudem die gegebenen Prozessrestriktionen berücksichtigt werden. Die Ergebnisse zeigen, welche dieser Restriktionen das wirtschaftliche Optimum beeinflussen und damit auch, an welchen Stellen der realen Anlagen Bottlenecks zu finden sind. 

Im weiteren Optimierungsprozess werden genau diese Restriktionsgrenzen variiert und geprüft, wie stark das Optimum von diesen Grenzen abhängt. Denn anhand der Stärke der Abhängigkeit können Planer beurteilen, ob und in welchem Umfang Umbaumaßnahmen wirtschaftlich sinnvoll sind. Ziel ist es, einen geeigneten Kompromiss zu finden, um einerseits das Optimierungspotenzial im Prozess weitestgehend auszunutzen und andererseits die Investitionskosten möglichst gering zu halten.

Veränderung der Restriktionsgrenzen 
Hängt das Optimierungspotenzial nur schwach von den Restriktionsgrenzen ab, das heißt bewirkt eine Aufweichung der Restriktionsgrenzen nur marginale Verbesserungen in der gesamtheitlichen Optimierung, werden für das Debottlenecking meist einfachere Veränderungen angestrebt. Dies können unter anderem geänderte Prozessparameter wie die Reaktortemperaturen sein. Ein nächster, meist noch relativ kostengünstig realisierbarer Schritt, sind einfache Veränderungen in den Verschaltungen der Apparate. Diese lassen sich durch einfache Umverrohrung und/oder ergänzende Rohrleitungen realisieren. So könnte beispielsweise das Produktverhältnis durch einen verbesserten Recyclingstrom im Reaktorteil optimiert werden.

Bewirkt eine Veränderung der Restriktionsgrenzen deutliche Verbesserungen, lohnt sich in vielen Fällen die Integration ergänzender Apparate. Wird zum Beispiel die Wärmeabfuhr in einem Reaktor als schwerwiegender Bottleneck identifiziert, so kann ein externer Kühler, der im Umpump durchfahren wird, zur Optimierung beitragen. Dies gilt auch für den Austausch bestehender Apparate. Ein solches Vorgehen ist zum Beispiel notwendig, wenn sich die neuen Lastfälle im Destillationsteil nur mit einem höheren Kolonnendurchmesser realisieren lassen.

Prozessbeispiel aus der ­Mehrkomponentenproduktion 
Dass die modellgestützte Optimierung wichtige Entscheidungshilfen in der Konzeptionsphase bietet, zeigt ein Prozessbeispiel aus der Praxis des Petrochemieunternehmens Ineos in Köln. In diesem Beispiel (siehe Abbildung 1) wird zunächst in einer Reaktorkaskade ein Produktgemisch mit mehreren Verkaufsprodukten, aber auch nicht verwendbaren Nebenprodukten erzeugt. Bei den Verkaufsprodukten liegen einerseits unterschiedliche Preisfaktoren und andererseits unterschiedliche Nachfragen vor, sowohl was die Mengen als auch die Reinheit betrifft. Für das Unternehmen steht daher in erster Linie die Optimierung der Zusammensetzung der gesamten Produktpalette im Fokus. 

Im konkreten Beispiel vollziehen sich in der Reaktorkaskade Kettenreaktionen der folgenden Form:
• E1 + E1 -> P2A
• E1 + E1 -> P2B
• E2 + E1 -> P2B
• E1 + P2A -> P1
• E1 + P1 -> P3
• P2A + P2B -> P3
• E1 + P3 -> P4

Das Zwischenprodukt P2A ist in diesem Beispiel von höchstem Wert, da gerade bei diesem Produkt in näherer Zukunft mit einer höheren Nachfrage zu rechnen ist. Aber auch für Folgeprodukte P1, P3 und P4 erwarten die Anlagenbetreiber eine begrenzte Nachfrage. Parallel entsteht das Nebenprodukt P2B, das zwar keinen Verkaufswert besitzt, aber destillativ nur schwer vom Wertprodukt P2A zu trennen ist. Ziel der Prozessoptimierung ist es daher, ein Temperaturprofil mit einem bestmöglichen Verhältnis von P2A zu P2B zu ermitteln. Anschließend gilt es, die Betriebskosten im Destillationsteil zu minimieren und dabei gleichzeitig die Belastungsgrenzen in den Kolonnen zu berücksichtigen.
Bei der Optimierung der Prozessparameter müssen folgende Restriktionen berücksichtigt werden:
• max. Eduktkonzentration im Ausgang
• max. mögliche Abfuhr der Reaktionswärme in den Reaktoren
• obere Grenze der Durchflussmengen in den Rohrleitungen

Während der modellgestützten Optimierungsrechnung bleibt vor allem die maximale Eduktkonzentration im Ausgang am Optimum stets aktiv, das heißt, dass dieser Grenzwert bei einer optimalen Lösung immer erreicht wird. Die genaue Wirkung dieses Bottlenecks untersuchen die Planer durch Aufweichung dieser Grenze.

Optimierungsmaß­nahmen rechnen sich
Abbildung 2 zeigt den starken Einfluss dieser Restriktionsgrenze auf das Optimum. Eine partielle Rückführung des Ausgangsstroms wäre daher sinnvoll, sofern noch Spielraum im Mengenstrom durch die Rohrleitungen vorhanden ist. Für eine solche Lösung müssten lediglich Rohre in überschaubarem Rahmen verlegt werden. Durch die Aufteilung des Recyclestroms erhöht sich zusätzlich die Flexibilität bei der Produktion der Folgeprodukte P1 und P3. Damit könnten die Betreiber in begrenztem Umfang auf Marktschwankungen reagieren.

Je nach Marktlage und Investitionsvolumen rechnen sich auch teurere Optimierungsmaßnahmen. Sie bieten die Chance, die Produktpalette noch genauer auf den Markt zuzuschneiden und zudem kurzfristig auf Marktschwankungen zu reagieren. Im konkreten Fall wäre durch Aufteilung der Reaktorkaskade eine destillative Trennung inmitten des Reaktionsprozesses möglich. Damit könnte die bereits hergestellte Menge des Wertproduktes P2A vorzeitig abgetrennt werden, was sowohl die Produktion als auch die Qualität des Produktes steigern würde. Diese Option setzt allerdings eine deutliche Erhöhung der Investitionen in neue Apparate und eine aufwendigere Umverrohrung voraus.

Fazit
In den meisten Anlagen bieten sich bei Revamp und Kapazitätserweiterung vielfältige Optimierungsoptionen. Durch die modellgestützte Prozessoptimierung erhalten Betreiber jedoch bereits in der Konzeptionsphase fundierte Informationen, die ihnen die Entscheidung für oder gegen die verschiedenen Maßnahmen erleichtern. 

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