Pharmaserv Logistics Symposium: Blockchain, Serialisierung und sichere Arzneimitteltransporte
Pharmalogistik im Blick beim „Pharma Supply Chain Trends Symposium“
Wird die Blockchain-Technologie die Pharmalogistik revolutionieren? Wie bereiten sich Hersteller von Arzneimitteln auf die kommende EU-Fälschungsschutzrichtlinie vor? Ist es sinnvoll und sicher, wenn Pharmaunternehmen ihre Produktionslogistik an Dienstleister übergeben? Trends in der Logistik standen im Mittelpunkt des „Pharma Supply Chain Trends Symposiums“ von Pharmaserv Logistics – dabei wurde auch gezeigt, wie man durch Computersimulationen Zeit und Kosten sparen kann.
Eine Charge Medikamente soll per Luftfracht von Frankfurt nach Sydney verschickt werden – irgendwann in den kommenden fünf Tagen. Welcher Tag ist dafür am günstigsten? Welche Transportbox mit welchen Kühlakkus geeignet? Und welche Route: über Dubai, Doha, Delhi oder Bangkok? Höchste Priorität hat die Temperatursicherheit: Wird die Ware auch nur für kurze Zeit zu warm oder zu kalt, ist sie oft nicht mehr brauchbar. „Wir haben eine Software entwickelt, die diese Fragen beantwortet“, so Referent Stefan Braun von SmartCAE.
Simulation von Pharmatransporten
In seinem Vortrag stellte er die Möglichkeiten der Software vor: Der Nutzer gibt die in Frage kommenden Fahrtstrecken oder Flugrouten und -zeiten ein, zudem ein digitalisiertes Abbild der Versandbox. Anhand von weltweiten Wetterdaten der vergangenen Jahre, aktuellen Wettervorhersagen sowie den Konfigurationen der Box simuliert das Programm den Transport und berechnet, welches Risiko bei welcher Route um welche Uhrzeit entstehen würde – so ist bspw. die Ankunft in der Mittagshitze in der Regel deutlich kritischer als in der Morgendämmerung. Auch die Temperaturentwicklung innerhalb der Transportbox kann über den gesamten Weg simuliert werden: „Wo ist der kritische Punkt in der Box? In der Simulation kann man unendlich viele Logger platzieren, um das herauszufinden.“ All diese Optionen sparen viel Zeit und Kosten sowohl für Tests in der Klimakammer als auch für Ausfälle ganzer Lieferungen durch zu hohe oder zu niedrige Temperaturen. „Am Ende geht es darum, Risiken realistisch einzuschätzen – und auch, ob die Kosten für Ware und Sicherheit wirtschaftlich in einem sinnvollen Verhältnis stehen“, so Braun.
Richtlinie gegen Fälschungen
Ein anderes Thema, das für die Pharmalogistik derzeit aktuell ist, ist die neue EU-Fälschungsschutzrichtlinie. Sie tritt zum 9. Februar 2019 in Kraft – ab diesem Datum müssen alle Verpackungen von rezeptpflichtigen Arzneimitteln mit zwei Sicherheitsmerkmalen ausgestattet sein: erstens einer eindeutigen aufgedruckten Seriennummer, die in einer zentralen Datenbank gespeichert wird, und zweitens mit einem Verschluss, der sicherstellt, dass die Schachtel noch nicht geöffnet wurde. Diese Maßnahmen sollen verhindern, dass Fälschungen in den Handel gelangen. Außerdem ist so eine Rückverfolgung bei Rückrufen einfacher.
Christoph Knapp von Axicorp Pharma berichtete in seinem Vortrag über die Herausforderungen, die das Unternehmen als Arzneimittelhersteller und als Re- und Parallelimporteur künftig zu bewältigen hat – bei einem Volumen von rund 1,85 Mio. Faltschachteln Fertigware sowie 3,1 Mio. Faltschachteln Rohware pro Jahr. „Wir müssen künftig gemäß der neuen Richtlinie die Serialisierungsdaten jeder einzelnen Verpackung scannen und verifizieren, die Stammdaten und die Produktverpackungsdaten an den EU-HUB melden sowie das Produkt mit einer neuen Seriennummer und dem Siegel versehen.“ Hierfür hat sich Axicorp gegen die am Markt etablierten Anbieter von Serialisierungs-Software entschieden und eine eigene IT-Lösung geschaffen, die sich an den eigenen Prozessen und Bedarfen orientiert. Zur Erfassung der vielzähligen Faltschachteln nutzt der Hersteller und Re-Importeur eine spezielle Optiklösung.
Blockchain: Revolution oder Buzzword?
Weit in die Zukunft blickte Andreas Gmür von Camelot Management Consultants, der seinen Vortrag mit einer Frage eingeleitet hatte: „Wird Blockchain die Pharma-Supply-Chain revolutionieren, oder ist es nur ein Buzzword?“ Der Begriff Blockchain taucht mittlerweile überall auf, viele verbinden ihn mit Bitcoin oder ganz allgemein mit Kryptowährungen, weiß Gmür, „das ist aber nur eine Anwendung, Blockchain als Technologie geht weit darüber hinaus.“ Tatsächlich handelt es sich bei einer Blockchain um eine Art dezentraler Datenbank und Buchungssystem, in der durch die Vernetzung vieler Rechner Daten fälschungssicherer abgelegt werden können. Bislang sind Daten in der Regel auf einem zentralen Rechner gespeichert – werden diese Daten manipuliert, kann dies häufig nicht bemerkt werden. In einer Blockchain dagegen sind solche Daten identisch auf allen angeschlossenen Computern gespeichert. Wird an einem Rechner manipuliert, bleiben die Ursprungsdaten auf allen anderen erhalten und die Abweichung fällt sofort auf. Die falschen Daten werden folgerichtig vom kollektiven Computernetzwerk abgelehnt und können nicht gespeichert werden.
„Solche Abläufe sind zum Beispiel für die Nachverfolgbarkeit von Medikamenten gut denkbar“, so Andreas Gmür. Dabei können Daten mit erweiterten Entwicklungen auch verschlüsselt nur einzelnen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Wird Blockchain damit zum Standardtool, das die Pharmalogistik revolutionieren wird? „Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten, etwa den Informationsaustausch zu Transport- und Temperaturdaten entlang der Supply Chain, die Auswertung von persönlichen Patientendaten oder die Koordination und den Handel von Leistungen und Gütern. Aber gleichzeitig sind viele Fragen noch offen, es fehlen zum Beispiel allgemeingültige Standards“, so der Experte. „Auf der anderen Seite werden im Moment zahlreiche technische Weiterentwicklungen vorangetrieben im Bereich der Performance, der Verschlüsselung sowie der Verbindung von echten Produkten mit ihren zugehörigen digitalen Daten, dies macht den Einsatz von Blockchain-Technologie sehr spannend und wahrscheinlich.“
Produktionslogistik auslagern
In der Praxis erprobt ist dagegen das Thema der Bereitstellung von Rohstoffen durch Dienstleister, auch wenn viele Pharmaproduzenten noch zögern, die eigene GMP-relevante Produktionslogistik aus der Hand zu geben – aus Sorge vor Kompetenz- und Kontrollverlust oder auch um die Qualität. Was in diesem Bereich jedoch tatsächlich möglich ist, zeigte der Symposiums-Gastgeber Pharmaserv Logistics selbst, bietet der Spezialist doch genau diese Dienstleistung in der Praxis an. „Wir übernehmen für Kunden am Pharmastandort Behringwerke in Marburg Teile ihrer Produktionslogistik“, erklärte Martin Egger, Pharmaserv Logistics. Konkret bedeutet das: Die Rohstoffe werden dem Pharmalogistiker geliefert, dort bei Wareneingang geprüft und gelagert. Auch der Probenzug wird hier in einem eigens eingerichteten Reinraum vorgenommen. Pharmaserv Logistics hat direkten Zugriff auf das Produktionssystem des Kunden, dort gehen mehrmals pro Tag Bestellungen ein, welche Rohstoffe just in time benötigt werden. Diese konfektioniert der Logistiker jeweils aktuell und transportiert sie in speziellen Transportboxen bis zur Schleuse des Kunden. „Der Kunde hat dadurch viele Vorteile“, so Egger. „Er spart Platz und Personalkapazitäten für seine Produktion, muss sich ebenso wenig um die Vorschriften für die Lagerung kümmern wie um die Entsorgung von Kartonagen.“
Fazit
In der Pharmalogistik verändert sich derzeit viel, dies machte das Pharma Supply Chain Trends Symposium deutlich. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten etwa in der Simulation von Transportwegen, durch Blockchains könnten die Übertragung von logistischen Daten und deren Speicherung revolutioniert werden. Produzenten in der Pharmabranche können von vielen Vorteilen profitieren, wenn sie ihre GMP-relevante Produktionslogistik auslagern – und haben ein wichtiges Datum direkt vor Augen: den 9. Februar 2019, wenn die neue EU-Fälschungsschutzrichtlinie in Kraft tritt.