Pharma-Innovationsbilanz 2016: 30 Medikamente mit neuem Wirkstoff
Verband der forschenden Pharma-Unternehmen stellt Daten vor, Rückgang bei Neuzulassungen
Die Behandlungsmöglichkeiten für viele Patienten mit unterschiedlichsten Krankheiten haben sich 2016 durch neue Medikamente weiter verbessert. Bis Ende 2016 wurde das Sortiment laut aktuellen Zahlen des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) um 30 Medikamente mit neuem Wirkstoff erweitert (ohne Biosimilars). Damit liegt die Zahl der Neuzulassungen auf dem Niveau der letzten 10 Jahre und über dem Niveau der Jahre von 2010 bis 2013, hat sich allerdings gegenüber 2014 (49) und 2015 (36) deutlich verringert.
Der VFA vertritt 44 weltweit führende Arzneimittelhersteller, die rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes repräsentieren und in Deutschland mehr als 76.000 Mitarbeiter beschäftigen. Mehr als 16.000 davon arbeiten in Forschung und Entwicklung. VFA-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer kommentierte die Innovationsbilanz: "2016 war erneut ein Jahr mit hohem Output der industriellen Pharmaforschung. Mit den neuen Medikamenten kann vielen Patienten besser geholfen werden. Damit diese Medikamente tatsächlich in der Versorgung ankommen, brauchen wir innovationsfreundliche Rahmenbedingungen."
Es hätte in der Bilanz sogar noch ein Medikament mehr sein können, doch ein Krebsmittel wurde schon nach einigen Monaten wieder vom Markt genommen - in Reaktion auf die frühe Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA, in der ihm kein Zusatznutzen zuerkannt wurde.
Ein Drittel der Medikamente mit neuem Wirkstoff ist gegen verschiedene Krebserkrankungen gerichtet: Neun dienen der Therapie, eines zur Schutzimpfung gegen Gebärmutterhalskrebs und weitere urogenitale Tumorarten. Dazu Fischer: "Der hohe Anteil der Krebsmedikamente an den Neueinführungen ist insbesondere dem enormen Erkenntnisfortschritt über Ursachen und Prozesse von Krebserkrankungen zu verdanken, auf dem die Pharmaforscher der Unternehmen aufsetzen konnten. Auch für das kommende Jahr erwarten wir wieder viele neue Krebsmedikamente. Das ist auch gut so, weil Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland ist."
Unter den Neueinführungen sind auch zwei Antibiotika. „Das zeigt", so Fischer, „dass forschende Pharma-Unternehmen auf diesem Gebiet wieder stärker als in den 2000er-Jahren an Neuentwicklungen arbeiten. Doch wird noch ein weiterer Ausbau dieser Aktivität nötig sein, damit die Medizin der Resistenzbildung von Keimen voraus bleibt."
Viele Patienten mit den angeborenen Gerinnungsstörungen Hämophilie A oder B benötigen lebenslang alle paar Tage eine Infusion mit Gerinnungsfaktoren. In diesem Jahr kamen erstmals Medikamente mit Faktoren heraus, die länger im Blut verweilen und deshalb seltener verabreicht werden müssen als die bisherigen. Das bedeutet eine Entlastung für die Patienten. Auch auf diesem Gebiet ist im kommenden Jahr mit weiteren Neueinführungen zu rechnen.
Orphan Drugs
Von den genannten Medikamenten mit neuen Wirkstoffen waren zehn Orphan Drugs, also Medikamente gegen seltene Erkrankungen. Sie werden u.a. gegen angeborene Stoffwechselstörungen, gegen seltene Krebsarten wie Neuroblastom und neurologische Probleme wie die Tag-Nacht-Rhythmusstörung bei Blinden eingesetzt. „An jeder dieser Krankheiten leiden in der EU weniger als einer von 2.000 Bürgern - an der Stoffwechselkrankheit erythropoetische Protoporphyrie beispielsweise EU-weit nur 10.000 Patienten. Das bestätigt einmal mehr den Wert der europäischen Orphan Drugs-Verordnung aus dem Jahr 2000, die dafür gesorgt hat, dass forschende Pharma-Unternehmen auch häufiger Patienten mit seltenen Krankheiten in ihren Entwicklungsprogrammen berücksichtigen," so die VFA-Hauptgeschäftsführerin.
Fortschritt durch neue Kombinationen und Darreichungsformen
Fortschritte für Patienten haben Pharma-Unternehmen auch mit Medikamenten erzielt, die bekannte Wirkstoffe in neuer Kombination oder neuer Darreichungsform verfügbar machen. So wurden für die Dauertherapie von HIV-Patienten neue Kombinationsmedikamente herausgebracht, die die Einnahme mehrerer Einzelmedikamente ersetzen. Ein Zytostatikum konnte durch Einarbeitung des Wirkstoffs in Liposomen für die Behandlung von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs einsetzbar gemacht werden. Zwei weitere Medikamente sind nun auch in altersgerechten Darreichungsformen verfügbar, die bei Säuglingen und Kleinkindern eingesetzt werden können.