Paradigmenwechsel bei der Anlagenplanung
Planungswerkzeuge im Umbruch: von der Engineering- zur Anlageneffizienz
Das Stichwort lautet: Time-to-Market. Wie kann man unter diesen Bedingungen die Qualität sichern und Kosten im Griff behalten? Auf der „CIC 2011 - Cadison International Conference 2011" mit 130 Teilnehmern aus 10 Nationen gab es Antworten auf diese Frage.
Globalisierung erhöht Druck auf Prozessindustrie
Einen interessanten Ansatz dazu hat Professor Dr.-Ing. Gerhard Schembecker von der TU Dortmund. Sein Ausgangspunkt: Durch die Globalisierung wächst der Druck auf die Prozessindustrie in Westeuropa. Speziell auch in Deutschland muss der Fokus zunehmend auf die Produktion von Spezialchemikalien und Pharmaka gerichtet werden. Diese Produktgruppen zeichnen sich durch kleine Produktionsmengen, aber viele und komplexe Reaktionsschritte aus. Dabei gilt gleichwohl: Time-to-Market wird immer kritischer.
„Dennoch planen und bauen wir noch immer so, als ginge es um Mega-Anlagen. Das dauert denn auch im Durchschnitt 10 Jahre bis zur Inbetriebnahme." In diesen vielen Jahren veränderten sich aber häufig die grundlegenden Annahmen zum Absatzpotential usw. - ganz einfach, weil sich die Märkte geändert haben. „Wir brauchen deshalb eine grundlegend andere Anlagenplanungsphilosophie", so Schembecker. Er plädiert für standardisierte Module mit einer jeweils eigenständigen verfahrenstechnischen Funktion, die im Prinzip immer wieder verwendbar sind. Diese Module werden wissensbasiert ausgewählt, z. B. über in einer Datenbank abgelegte Entscheidungsbäume. „Unser Ziel muss es sein, dass das System dem Planer bei der Entwicklung eines Piping and Instrumentation Diagram (P&ID) anzeigt, welche Variante welche Kosten verursacht."
Als Ergebnis erhalte der Planer zwar nur eine 80 %-Lösung - diese aber sehr schnell. Kann man denn eine 80 %-Lösung akzeptieren? Natürlich, sagt Schembecker: „Bei einer solchen Korridor-Planung hinsichtlich der Anlagenleistung müssen wir womöglich 10 % höhere Investitionen akzeptieren - aber das sind Peanuts gegenüber dem Kostenvorteil aufgrund des enormen Zeitgewinns. Wir fangen ja deutlich früher an zu produzieren."
Trend zur ‚digitalen Welle‘
Ajit Joshi, Geschäftsführer der IT and Factory, beobachtet im Engineering weltweit bei Anlagenplanern wie Betreibern ähnliche Entwicklungen: Als wichtigsten Technologietrend sieht er die ‚digitale Welle‘ - nicht nur hinsichtlich der Nutzung sozialer Netzwerke, auch das Cloud Computing gewinne an Bedeutung, begleitet von wachsenden Datenmengen und komplexeren Anlagen. Gute News also für Hardware- und IT-Anbieter. Selbst kleinere Engineering-Unternehmen müssen verstärkt in ihre IT-Infrastruktur investieren, weil sie mittlerweile auch Großprojekte übernehmen, so Joshi.
Praktisch alle Unternehmen beschäftigen sich mit der Durchgängigkeit von Daten im Workflow, d. h. der Interoperabilität. Nicht oder nicht ausreichend kompatible Schnittstellen sind nach wie vor ein Dauerthema in der Branche. Der gewerkeübergreifende Datenaustausch funktioniere zwar bei einem integrierten Werkzeug wie Cadison, stoße aber bei unterschiedlichen Plattformen noch immer an Grenzen.
Weil die Anlagen zum einen immer komplexer werden, zum anderen sich der globale Wettbewerb um Engineering-Aufträge verschärfe, müssen - so Joshi - alle Engineering-Dienstleister einen nicht einfachen Spagat meistern: Die Kosten senken, dabei aber ihre Produktivität erhöhen.
Wohin geht die Entwicklung?
Ketan Bakshi, CEO der Neilsoft-Gruppe und Mehrheitsgesellschafter der IT and Factory (ein weiterer Gesellschafter ist der Engineering-Dienstleister Triplan), denkt gar an einen Paradigmenwechsel im Engineering. Er fasst das unter der Forderung ‚Transform Engineering - create business value‘ (vom Engineering zur unternehmerischen Wertschöpfung) zusammen.
Bakshi: „Kunden wollen ihre Projekte schneller und mit geringeren Kosten abwickeln. Dazu suchen sie Unterstützung: Lösungsanbieter, die sie bei dieser Forderung begleiten, um das gewünschte Ziel gemeinsam zu erreichen." Sein Versprechen: „Bereits Cadison R11 erspart dem Planer bei einem durchschnittlichen Projekt rund 750 Engineering-Stunden. Beim Release R12, das wir Mitte 2012 auf den Markt bringen, wird der Ingenieur zusätzlich 1.000 Engineering-Stunden einsparen!"
Wohin werden sich die Planungswerkzeuge in den kommenden Jahren entwickeln? Bakshi: „Unser Fokus wird sich klar von der Engineering-Effizienz zur Anlagen-Effizienz wandeln, konkret: Der optimierte Energie- und Wasser-Footprint wird im Mittelpunkt stehen. Dazu werden wir Werkzeuge anbieten, die den Planer bei dieser neuen Sichtweise unterstützen - z. B. Suchassistenten, die den Planer beim Einkauf von Komponenten unterstützen. Wir werden auch verstärkt Cloud-Technologien nutzen, um die Zusammenarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette zu optimieren. Nicht zuletzt brauchen wir smarte Werkzeuge, die den Planer beim Design einer Anlage wirklich unterstützen."
Fazit
Echtes kollaboratives Arbeiten rund um den Globus ist mit einem modernen Planungswerkzeug definitiv kein Problem mehr. Letztendlich steht ein Paradigmen-Wechsel ins Haus: Planungswerkzeuge sind auf dem Weg von der Engineering-Effizienz zur Anlagen-Effizienz.