Märkte & Unternehmen

Österreichs lebhafte Start-up-Szene

Forschungsinstitute sind nicht mehr nur Wissensschmieden, sondern auch Keimzellen für Jungunternehmen

22.01.2025 - Die Biotech- und Pharmabranche in Österreich hat nicht zuletzt dank ihrer international renommierten Forschungseinrichtungen einen exzellenten Ruf.

Die Biotech- und Pharmabranche in Österreich hat nicht zuletzt dank ihrer international renommierten Forschungseinrichtungen einen exzellenten Ruf. Eine ganze Reihe von Unternehmen aus dem Sektor hat sich hier für Entwicklung und Produktion niedergelassen. Das Bild eines der dynamischsten Standorte Europas wird durch die lebhafte Start-up-Szene vervollständigt.

Als ein Pluspunkt hat sich auch in Österreich die Vernetzung von Lehre, Forschung, Praxis und Umsetzung erwiesen und soll weiter ausgebaut werden. Auf dem Campus der Medizinischen Universität Wien des Allgemeinen Krankenhauses Wien sind drei Zentren – für Translationale Medizin und Therapien, für Technologietransfer und für Präzisionsmedizin – im Entstehen. Nun wird ein Institut für künstliche Intelligenz (KI) in der Biomedizin geschaffen, das auf Open Source setzt.
Mit dem Förderprogramm „Spin-off Fellowships“ haben innovative Menschen mit Unternehmergeist die Möglichkeit, an ihrer Hochschule oder Forschungseinrichtung ihre Erfindung bis zu 18 Monate so weiterzuentwickeln, dass sie danach ein Unternehmen gründen können. So können Gehaltskosten finanziert und der Zugang zu akademischen Infrastrukturen gewährleistet werden, damit Forschende ihre Zeit ausschließlich für die Entwicklung ihrer Businessideen nutzen können.

„Forschung zur künstlichen Intelligenz, besonders in den Bereichen logische Systeme, neuronale Netze, Robotik sowie sprachverstehende Systeme, wird in Österreich schon lange betrieben.“


Aithyra: Künstliche Intelligenz in der Biomedizin
Forschung zur künstlichen Intelligenz, besonders in den Bereichen logische Systeme, neuronale Netze, Robotik sowie sprachverstehende Systeme, wird in Österreich schon lange betrieben. In Wien wird auf dem Vienna BioCenter Campus in den nächsten Jahren ein neues Institut für künstliche Intelligenz in der Biomedizin entstehen. Das Institut wird den KI-generierten Namen „Aithyra“ tragen. Laut KI ist Aithyra eine Tochter der Götter Athene und Asclepios. In der griechischen Mythologie wird man dieses Götterkind allerdings vergeblich suchen, es ist eine KI-Fiktion.
Gegründet wurde das Institut im September 2024 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit Hilfe einer Grundfinanzierung für die ersten zwölf Jahre in Höhe von 150 Mio. EUR von Seiten der gemeinnützigen deutschen Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS). Da die Mittel nicht von dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim selbst stammen, bleibt Aithyra unabhängig.
Die BIS bescherte Österreich so die größte jemals erhaltene private Forschungsförderung. Die Stiftung entschied sich nach ihren Angaben bei der Standortwahl für Wien und gegen eine Reihe internationaler Mitbewerber als einen Hotspot für die Lebenswissenschaften mit vielfältigen akademischen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, forschenden Unternehmen und Start-ups.
Die Arbeit am Aithyra soll unter Leitung von Michael Bronstein, Professor an der Universität Oxford in England und KI-Koryphäe, darauf abzielen, biomedizinische Zusammenhänge und damit Erkrankungen besser zu verstehen. Die Erwartung sind zuverlässigere Diagnosen und neue Therapien für derzeit unheilbare Krankheiten. Zu diesem Zweck sollen Roboter biomedizinische Daten, die sich besonders für maschinelles Lernen eignen, erzeugen.
Dies soll in einer neuen Art der Zusammenarbeit geschehen: KI-Forschende sind von Anfang an in die biomedizinische Forschung, in Experimente und in die Auswertung der Daten miteinbezogen. Es soll ein Umfeld geschaffen werden, in dem sich die besten Forschungsansätze aus der Welt der Lehre, forschender Unternehmen und Start-ups verbinden und sich mit universitären und außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen aus dem In- und Ausland eng vernetzen.
Aithyra wird dabei als eine gemeinnützige Institution der Grundlagenforschung seine Ergebnisse und Daten allen Forschenden weltweit nach dem Open-Access-Prinzip zugänglich machen. Andererseits ermöglicht es die Rechtsform des Instituts als GmbH, wie ein Unternehmen auf Lizenzierungsangebote großer Firmen zu reagieren oder Spin-offs zu gründen. Die Forschenden sollen sich hier auch als Gründer verwirklichen können.

„In Wien wird auf dem Vienna BioCenter Campus in den nächsten Jahren ein neues Institut für künstliche Intelligenz in der Biomedizin entstehen.“


Technologie könnte unheilbare Krankheiten heilbar machen
Viele junge Unternehmen in Österreich starten als Spin-off der Universitäten und Institute. Ein Spin-off des Center for Molecular Medicine (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist das 2020 gegründete Wiener Biotech-Start-up Proxygen, das an Wirkstoffmechanismen für Medikamente, die gegen Krebs oder Alzheimer helfen könnten, forscht. Molekulare „Glue Degrader“ sollen den Abbau von krankheitsauslösenden Proteinen verursachen. Die Technologie eröffnet die Möglichkeit, schwer behandelbare Krankheiten auf eine neue Art und Weise anzugehen. So könnten Tumore bekämpft werden, die von den am häufigsten mutierten, krebserzeugenden Proteinen hervorgerufen werden. Der US-Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme (in den USA: Merck & Co.) sowie die deutschen Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim und Merck sehen offenbar Potenzial in den Glue Degradern und unterhalten strategische Partnerschaften mit Proxygen.
Solgate, ein Spin-off des CeMM in Zusammenarbeit mit dem Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg nahe Wien, hat sich zur Aufgabe gesetzt, Medikamente auf Basis der Proteinfamilie der Solute-Carrier-Proteine (SLC) zu entwickeln. Die 450 verschiedenen SLC transportieren Nährstoffe oder Abfallprodukte zu und von den Zellen. Diese Vorgänge sind bei Krankheiten wie Krebs, Stoffwechselerkrankungen oder neurologischen Entwicklungsstörungen beeinträchtigt. Um diesen Ansatz für die Forschung zu öffnen und Synergien zu nutzen, setzt Solgate auf eine firmeneigene experimentelle Plattform, auf der Erkenntnisse aus organischer Chemie, Molekular- und Zellbiologie zusammenfinden sollen.
Andere Erwartungen weckt Cellectric Biosciences, ein Spin-off der größten außeruniversitären Forschungseinrichtung in Österreich, des Austrian Institute of Technology (AIT), das sich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Industrie sieht. Zwei Wissenschaftler des AIT gründeten nach zehn Jahren Forschungsarbeit an den elektrischen Eigenschaften von Zellen 2021 das Start-up. Mittlerweile gibt es ein 25-köpfiges Team aus einer Vielzahl von Nationen. Cellectric nutzt die elektrische Ladung von Zellmembranen, um auf innovative Weise mit Zellen zu arbeiten. Die Membran jeder Zelle verfügt über eine spezifische elektrische Ladung. Bei einer Stammzelle entscheidet diese Ladung, ob sie bspw. zu einer Muskel- oder einer Knochenzelle wird. Cellectric kann die Ladung auf den Zellmembranen in einer Blutprobe so weit erhöhen, dass die Humanzellen platzen, Bakterien und Pilze aber bestehen bleiben und sichtbar werden. So lassen sich Blutvergiftungen wesentlich schneller als bislang diagnostizieren. Auch Krebszellen können zum Platzen gebracht werden, ohne gesunde Zellen zu zerstören.
Aus dem ISTA ausgegründet wurde auch das Medizintechnikunternehmen Syntropic Medical. Das Unternehmen hat eine Art Brille entwickelt, die die Neuroplastizität des Gehirns mittels Lichtblitzen verbessern soll. Durch die Lichtstimulation kann das Gehirn vorübergehend in einen Zustand einer frühen Entwicklungsphase, wie dem in der Kindheit, zurückversetzt werden. So könnten sich schädliche Strukturen leichter verändern und neuropsychiatrische Störungen wie Depressionen besser behandeln lassen.

Eine neue Zulassungsstelle soll für Beschleunigung sorgen
So schnell auch ein Produkt zur Marktreife gebracht wurde, es muss durch das Nadelöhr der Zulassung. Mit der EU-Verordnung 2017/746 hat sich die Anzahl der zulassungspflichtigen Produkte auf dem Gebiet der In-vitro-Diagnostika (IVDR) vervielfacht. Für das Konformitätsbewertungsverfahren stehen in der EU aktuell nur 13 sog. „Benannte Stellen“ bereit. Österreich hat mit QMD Services inzwischen wieder eine eigene nationale Zulassungsstelle. Damit können Labortests für Blut- und Harnproben, Schwangerschafts- und Blutzuckertest und vieles mehr direkt in Österreich zertifiziert werden. Und auch für das Verfahren nach der Medizinprodukte-Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) ist QMD Services nun eine benannte Stelle.

René Tritscher, Geschäftsführer, Austrian Business Agency (ABA), Wien, Österreich

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