Neues aus dem VAA - Industriepolitik: Quo Vadis?
24.11.2011 -
Die Aufrechterhaltung hoher Industrialisierung bestimmt über die Zukunftschancen der deutschen Wirtschaft. In diesem Ziel waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Industriepolitik - Quo Vadis?" am 1. November im Industriepark Wolfgang einig. In Anbetracht der Energiewende war bei den aus Wirtschaft, Politik und Verbänden kommenden Persönlichkeiten der richtige Weg indes umstritten. Zu der Diskussion eingeladen hatte die Landesgruppe Hessen der Führungskräfte Chemie mit VAA-Vorstandsmitglied Dr. Martin Bewersdorf an der Spitze.
Strategische Forschungsförderung
Dr. Thomas Fischer, 1. Vorsitzender des VAA, wies auf den Zusammenhang zwischen dem Erhalt einer starken industriellen Basis und einer strategischen Förderung der industriellen Forschung durch Steuererleichterung hin. Er sprach sich in diesem Zusammenhang dagegen aus, zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Großunternehmen zu differenzieren. Das führe nur zu Scheinausgründungen bei den Großunternehmen, um die ausgelobte steuerliche Förderung zu erlangen.
Dr. Thomas Gambke, Bundestagsabgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen und langjähriger leitender Angestellter bei Schott, wandte ein, die Konzerne zahlten im Vergleich mit den KMU 7-8 % weniger Steuern. Jede Subvention der Großindustrie führe dort zu Einsparungen in etwa der gleichen Höhe, während bei KMU jeder Euro Forschungsförderung zu weiteren 30 Cent Investitionen führe. Daher stimme er zu, dass es der Förderung bedarf. Er halte das Geld jedoch bei KMU für gut aufgehoben.
Prof. Dr. Heinz Riesenhuber, ehemaliger Bundesforschungsminister und Mitglied des Bundestages der CDU, sprach sich dagegen aus, ausschließlich KMU zu fördern. Vielmehr setzte er sich dafür ein, dass die KMU doppelt so stark gefördert werden wie die Unternehmen der Großindustrie, da die Markteintrittsschwelle für KMU höher sei.
Die Vizepräsidentin der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Prof. Dr. Barbara Albert, warnte in diesem Zusammenhang vor einer Verengung der forschungspolitischen Zielsetzungen. Die Universitäten müssten um der Innovationsfähigkeit willen zur Grundlagenforschung in der Lage sein, wären aber dramatisch unterfinanziert. Industriepolitik müsse daher stets im Zusammenhang mit umfassend verstandener Forschungspolitik begriffen werden.
Kritik an der Energiewende
Als Vizepräsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) und Vorstandsvorsitzender von Merck übte Dr. Karl-Ludwig Kley Kritik an der Energiewende: „Wir haben den Ausstieg aus dem Ausstieg zur Kenntnis genommen. Jetzt müssen wir das Beste daraus machen." Ihn irritiere der Glauben an die Planbarkeit dieses Prozesses bis ins Jahr 2050. „Selbst die Chinesen stellen nur Zehnjahrespläne auf", bemerkte Kley spitz. Die Energiewende könne nur bei effizientem Monitoring gelingen, forderte Kley nachdrücklich. Der VAA-Vorsitzende Fischer bekräftigte: „Wir brauchen die Energie nicht nur nachhaltig zu wettbewerbsfähigen Preisen - wir brauchen auch Versorgungssicherheit 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag!"
Interessenorientierte Zuwanderungspolitik
Kley forderte in Hinsicht auf den demografischen Wandel Bewegung von den Parteien bei einer interessenorientierten Zuwanderungspolitik: „Die CDU muss sich bewegen und die Grünen müssen von Multikulti runter." Gambke retournierte: „Wir sind nicht auf Multikulti zu reduzieren: Lassen Sie uns, was wir schon lange fordern, die Zuwanderung von Facharbeitern ab einem Jahreseinkommen von 40.000 € möglich machen. Sie wissen, wer das parlamentarisch blockiert!"
Technikaufgeschlossenheit fördern
Kley und Riesenhuber forderten zudem mehr Zuversicht und Technikaufgeschlossenheit. Kley: „Ich hoffe, dass der Kartoffel „Fortuna" mehr Glück beschienen ist als der „Amflora"!" Gleichzeitig mahnte er: „Wir sollten uns, vor die Wahl gestellt zwischen einem lenkenden, staatserzieherischen Konzept der Industriepolitik und einem Konzept der rahmensetzenden Ermöglichung der Industrie, immer für die zweite, die freiheitliche Variante entscheiden."
Zum Abschluss der Veranstaltung bekräftigte VAA-Vorstandsmitglied Bewersdorf, dass es den Diskussionsteilnehmern gelungen sei, die richtigen und in der Frage der Industriepolitik dringend notwendigen Impulse zu setzen und zum Nachdenken anzuregen. Eindringlich warnte er davor, die öffentliche Akzeptanz für die Industrie als Basis des Wohlstandes und die Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandortes Deutschland zu riskieren.