Nachhaltige Lösungen müssen gesteuert werden
Interview mit Jan-Peter Sanders, Leiter des Personal-Care-Geschäfts der BASF in Europa
Für immer mehr Verbraucher spielt die Nachhaltigkeit eines Produkts eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung. In der Kosmetikindustrie nimmt die Tendenz zu, sich zu differenzieren und mit einem passenden Angebot im Markt zu positionieren. Entsprechende Anforderungen stellt die Industrie auch an die Nachhaltigkeit der Zulieferprodukte. Sei es, dass sie die anspruchsvollen Vorgaben der Ökolabel erfüllen, leicht biologisch abbaubar sind oder zu möglichst 100% auf nachwachsenden Rohstoffen basieren. Wie BASF diesen Anforderungen des Marktes gerecht wird, erläutert Jan-Peter Sander, Leiter des Personal-Care-Geschäfts der BASF in Europa. Die Fragen stellte Dr. Birgit Megges.
CHEManager: Herr Sander, wie gehen Sie vor, um die Nachhaltigkeit Ihrer Produkte zu steigern?
J.-P. Sander: Wir steuern unser Portfolio anhand von einheitlichen Nachhaltigkeitskriterien. Dazu hat BASF ein spezielles, extern validiertes Verfahren entwickelt – Sustainable Solution Steering. Mithilfe dieser Methode haben wir zuerst die wesentlichen Nachhaltigkeitskriterien und Herausforderungen in der Kosmetikindustrie ermittelt. Danach haben wir jedes der mehr als 2.000 Produkte in unserem Personal-Care-Portfolio analysiert und bewertet, welchen Beitrag es in seiner spezifischen Anwendung zur Nachhaltigkeit leistet. Jedes der bewerteten Produkte konnte so einer von vier Nachhaltigkeitskategorien zugeordnet werden. Accelerator – die Top-Kategorie – leisten einen besonderen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette. Ein gutes Accelerator-Beispiel ist Cetiol Ultimate: eine leicht flüchtige, naturbasierte Ölkomponente. Anders als Silikonöle ist es leicht biologisch abbaubar und nach Ecocert, Cosmos und Natrue zertifiziert. In den kommenden Jahren wollen wir den Anteil solcher Accelerator-Lösungen an unserem Umsatz weiter erhöhen.
Die neue Methode hilft übrigens auch unseren Kunden: Mit Sustainable Solution Steering können wir genauer erfassen, welchen Beitrag unsere Produkte zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele unserer Kunden leisten können und gemeinsam mit ihnen entsprechende Aktionspläne entwickeln. Unsere Kunden erhalten so mehr Transparenz über das Nachhaltigkeitsprofil der Inhaltsstoffe, die sie für ihre Formulierungen verwenden und können sie konsequent nachhaltiger gestalten.
Können Sie die drei wichtigsten und aktuellsten Nachhaltigkeitsziele für das Personal-Care-Geschäft der BASF definieren?
J.-P. Sander: Der wichtigste nachwachsende Rohstoff für unser Geschäft ist das Palmkernöl. Pro Jahr verarbeitet BASF global mehr als 400.000 t palmbasierte Rohstoffe zu Inhaltsstoffen für Körperpflegeprodukte, Wasch- und Reinigungsmittel. Deshalb beziehen sich unsere drei wichtigsten und aktuellsten Nachhaltigkeitsziele auf diese Rohstoffe: Erstens: Unser erklärtes Ziel ist es, ausschließlich Palmöl und Palmkernöl zu beziehen, das durch den Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) zertifiziert wurde. Zweitens: Bis 2020 wollen wir Prozesse etablieren, mit denen sich das von BASF eingekaufte Palmöl und Palmkernöl bis zur Ölmühle zurückverfolgen lässt. Drittens: Bis dahin wollen wir alle Öle und bis zum Jahr 2025 auch wesentliche Derivate auf Basis von Palmöl und Palmkernöl nur aus nachhaltigen, durch den RSPO zertifizierten Quellen zu beziehen. Ein weiterer Baustein ist unsere Selbstverpflichtung zur nachhaltigen Beschaffung von Palmöl und Palmkernöl. Die darin enthaltene Beschaffungsrichtlinie umfasst Anforderungen zum Schutz und Erhalt von Wäldern und Torfland sowie zur Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in Entscheidungsprozesse.
Welche Hindernisse gilt es, bei der Umsetzung dieser Ziele zu überwinden?
J.-P. Sander: Die Palmöl-Lieferkette ist komplex und mit vielen Herausforderungen verbunden, insbesondere auf den Gebieten Umweltschutz, Menschenrechte, Wirtschaft in Entwicklungsländern und internationaler Handel. Gegenwärtig gibt es einen Mangel an zertifiziertem nachhaltigem Palmkernöl und seinen Derivaten. Und die weltweite Nachfrage steigt weiter an. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf uns. Denn es bedeutet, dass wir unseren Gesamtbedarf an Palmkernöl 2015 nicht vollständig aus nachhaltigen, zertifizierten Quellen decken konnten. In diesem Jahr wollen wir hier einen großen Schritt weiterkommen. Dazu müssen wir intensiv mit den Unternehmen zusammenarbeiten, von denen wir unsere Rohstoffe beziehen. Wir wollen uns stärker in die Palmöl-Lieferkette vom Kleinbauern bis hin zum Endverbraucher einbringen und uns mit den Konsequenzen auseinander setzen, die der Verbrauch und Verkauf von palmbasierten Produkten mit sich bringt.
Palmkernöl ist ein wichtiger Rohstoff für Kosmetika. Unter welchen Voraussetzungen ist der Einsatz nachhaltig?
J.-P. Sander: Zertifizierung und Nachverfolgbarkeit sind der Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit im Palmölsektor: Wir setzen dabei auf den RSPO und seinen Zertifizierungsprozess und gehen in unserer Beschaffungsrichtlinie darüber hinaus. Dieser Prozess stellt weltweit sicher, dass Prinzipien und Kriterien in der Lieferkette eingehalten und Palmölprodukte nachhaltig hergestellt und verarbeitet werden. Eine der Anforderungen lautet zum Beispiel: Es dürfen nur Flächen genutzt werden, auf denen bereits seit 2008 Palmöl produziert wurde. Wenn es sich um Torf- oder Feuchtgebiete handelte, dürfen sie seit 2008 nicht entwässert worden sein. Nur dann bekommen die beteiligten Unternehmen ein entsprechendes Zertifikat. Wir sind von diesen Kriterien überzeugt. Deshalb ist es unser Ziel, ausschließlich Palmöl und Palmkernöl zu beziehen, dass durch den RSPO zertifiziert wurde.
Was können Sie tun, um nicht nur die Produkte, sondern auch die Lieferketten nachhaltig zu gestalten?
J.-P. Sander: Wir sehen, dass die Entwicklung von Palmölplantagen zu Abholzung und dem Verlust von Biodiversität und Torfland führen kann und wir teilen die Sorge über die negativen Einflüsse der Palmölproduktion auf die Umwelt. Deshalb setzen wir uns dafür ein, sie zu reduzieren. Aber das allein reicht nicht. Zusammen mit unseren Partnern und Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette müssen wir eine Lösung für die nachhaltige Herstellung, Verwendung und Rückverfolgbarkeit von Palmölprodukten entwickeln. Auch die RSPO-Zertifizierung unserer Produktionsstandorte für kosmetische Inhaltsstoffe treiben wir weltweit voran: Elf unserer Werke in Europa, Asien, Nord- und Südamerika erfüllen bereits die Kriterien. Schon heute bieten wir ein umfangreiches Portfolio an Inhaltsstoffen auf Basis von zertifiziertem, nachhaltigem Palmöl und Palmkernöl für die Kosmetikindustrie und die globale Wasch- und Reinigungsmittelindustrie. Dazu gehören zum Beispiel Tenside für Kosmetikformulierungen oder Haushaltsreiniger und Ölkomponenten für die Hautpflege.
In der von BASF entwickelten Seebalance-Methode bewerten Sie alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Welche Ergebnisse bekommen Sie hier für Ihre palmölbasierten Produkte?
J.-P. Sander: Sie meinen die von BASF entwickelte Sozio-Ökoeffizienz-Analyse: ein intelligentes Instrument, das es ermöglicht, neben der Umweltbelastung und den Kosten auch die sozialen Auswirkungen verschiedener Produkte und Herstellverfahren zu bewerten und vor allem zu vergleichen. Wir haben unsere palmölbasierten Produkte nicht mit der Seebalance-Methode bewertet. Denn es gibt aus unserer Sicht aktuell keine Alternative zum von uns hauptsächlich eingesetzten Palmkernöl. Weil Ölpalmen pro Hektar die höchsten Erträge im Vergleich zu allen anderen Ölfrüchten erbringen, würden Alternativen wesentlich mehr Fläche benötigen. Uns ist wichtig, dass dieses Palmkernöl aus nachhaltigen, zertifizierten Quellen stammt, deshalb haben wir uns entsprechende Ziele gesetzt.
Sind Ihre Kunden bereit, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen?
J.-P. Sander: Sagen wir es so: Wir zahlen schon jetzt deutlich höhere Preise für die zertifizierten, nachhaltigen Rohstoffe, aus denen wir unsere Produkte herstellen. In der weiteren Lieferkette gibt es jedoch bislang zu wenige Abnehmer, die bereit sind, uns für diese Produkte höhere Preise zu bezahlen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Ich bin überzeugt, dass wir hier nur vorankommen, wenn sich alle Teilnehmer der Lieferkette an den Mehrkosten beteiligen. Dazu gehören auch der Handel und die Verbraucher.