Mükromüde
29.05.2012 -
CITplus - Es gibt mit absoluter Sicherheit wichtigere Themen als dieses. Aber nach Jahren mit Tagungen, Konferenzen und Gesprächen muss es einmal gesagt werden: Es geht um das „µ", die griechische Vorsilbe, das Vorsatzzeichen gemäß DIN 1301-1 für das 10-6fache einer Einheit. Es wird in der Mechanischen Verfahrenstechnik sicherlich am häufigsten als µm (Mikrometer) zur Angabe von Partikelgrößen verwendet, auch wenn sich die moderne Verfahrenstechnik zunehmend für Abmessungen im Bereich von Nanometern (nm) interessiert, und damit eine, wie der folgende Text zeigen wird, weit weniger problembehaftete Einheit als „µm" benutzt.
Wo liegt nun das Problem, so es denn überhaupt eines ist? Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Vortragssaal und jemand berichtet von Messungen oder Experimenten, und plötzlich hören Sie „µm". Nun sagt die vortragende Person aber nicht, wie man erwarten sollte, „Mikrometer", nein, sie sagt „Mükrometer". Das wäre auch nicht so schlimm, wenn es nur selten vorkommen würde. Aber die gefühlte Mükro-Quote liegt deutlich über 50 %. Es hat sich eingebürgert.
Ich weiß nicht, wo die Ursache liegt. Meine Recherchen bei Wikipedia haben wenig zu Tage gefördert. Das Wort „mikro" stammt aus der griechischen Sprache, wo es „μικρóς" (mikrós) heißt, was klein oder eng bedeutet. Dabei wird das „ι" (iota) hinter dem „µ" in μικρóς als „i" ausgesprochen. Also kein „ü". Außerdem habe ich herausgefunden, dass es das gleiche Phänomen in der Elektrotechnik gibt („Mükrofarad").
Ich glaube, dass dieser Sprechirrtum dadurch entsteht, dass man zunächst die Einheit vor Augen hat: µm. Nun will man es sprechen, die Lippen sind zunächst flach zusammengepresst, um das „M" von „Mikro" zu formen, dann müsste sich der Mund in die Breite ziehen und leicht öffnen, um das „i" hervorzubringen, aber der Blick auf das „μ" verhindert dies offensichtlich und bringt eine Art Kussmund hervor, aus dem dann ein „ü" erschallt. Damit ist es geschehen.
Was kann man tun? Man könnte den Weg der Rechtschreibreform gehen, wo in einigen Fällen Schreibweisen, die viele nicht beherrschten, als falsch erklärt wurden, und dafür die vorher falschen Schreibweisen nun als richtig gelten. Da damit aber auch die vorher in der Rechtschreibung sattelfesten Personen verunsichert wurden, erscheint dies als wenig hilfreich. Außerdem würde eine konsequente Einführung des „Mükro" eine sicherlich nicht beabsichtigte Komik erzielen („Mükrowelle" oder „Mükrometerschraube").
Sprechübungen erscheinen mir als bessere Lösung. Hat man von sich selbst das „Mükro" gehört, oder wird das „Mükro" im Umfeld häufig benutzt, so könnte man sich durch regelmäßige Sprechübungen kurieren bzw. gegen Ansteckung immunisieren. „Als geeignete Übungen erscheinen z. B. die Wortreihen „Mikroskop - Mikrowelle - Mikrometer" oder „Mikrofon - Mikroprozessor - Mikrometer".
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