Mikroreaktionstechnik im World-Scale-Maßstab
Ehrfeld, Encos und DMT bieten Advanced Process Control und Turn-Key-Konzept für Flow-Chemistry
Nach einer anfänglichen Euphorie stagnierte der Einsatz der Mikroreaktionstechnik, doch nun ist sie auf dem Weg, sich in der Produktion zu etablieren. In China wird derzeit eine World-Scale-Anlage aufgebaut, die die Miprowa-Technologie von Ehrfeld Mikrotechnik nutzt.
In der Anlage in der Nähe von Shanghai wird ein Zwischenprodukt für einen Wirkstoff zur Förderung des Pflanzenwachstums hergestellt werden. Die bisherige Planung sieht eine World-Scale-Anlage zur Produktion von etwas mehr als 100.000 t Zwischenprodukt pro Jahr vor. Damit bekommt die Flow-Chemistry bzw. die Mikroreaktionstechnik (MRT) mit der Miprowa -Technologie in Asien neben der bisherigen Präsenz in Anlagen der Spezial- und Feinchemie, der Pharmachemie oder der Produktion von Lithiumbatterien ein neues Flaggschiff. Aber auch in Europa und in den USA gibt es bei namhaften Chemiekonzernen neben zahlreichen Entwicklungsprojekten auch konkrete Planungen für Produktionsreaktoren.
Im Verbund der Firmen Ehrfeld Mikrotechnik, Quast, DMT und Encos stehen jetzt neben der verfahrenstechnischen Basistechnologie auch Leistungen zur Software-Simulation der Reaktoren bis hin zur schlüsselfertigen Lieferung der Reaktoren inklusive modernster Automatisierung mit Advanced Process Control (APC) zur Verfügung. Der Kundennutzen besteht hier aus dem integrierten Ansatz von Reaktorexpertise, Prozess-und Automatisierungs-Know-how und internationaler Anlagenbaukompetenz.
„Durch den Einsatz im Power-to-X-Kontext ist mit MRT
ein wertvoller Beitrag zur Dekarbonisierung möglich.“Anne Kaaden, Ehrfeld Mikrotechnik
Sicher, sauber, schnell: Aspekte der MRT
Die MRT liefert wichtige Impulse, um Anlagen der chemischen Verfahrenstechnik kompakter, effizienter und sicherer gestalten zu können. Im Vergleich zu klassischen Reaktoren ist das Verhältnis von Oberfläche zu Reaktionsvolumen sehr viel größer. Dadurch lassen sich Reaktionstemperaturen gezielt steuern, unerwünschte Nebenreaktionen unterdrücken und die Prozessdauer signifikant verkürzen. Um dabei auch produktionsrelevante Durchsätze zu realisieren, wird das Prinzip der Mikrostrukturierung auf Strukturen im Millimeterbereich übertragen.
Die von Ehrfeld Mikrotechnik am Beispiel des Miprowa-Produktionsreaktors entwickelte Technologie verbindet diese Vorteile mit einem integralen Scale-up-Konzept, das es erlaubt, alle relevanten reaktionstechnischen Parameter im Labormaßstab (LAB) sowie die produktionsrelevanten Eigenschaften (Fouling und Standzeiten) im Technikums-Maßstab (Matrix) zu ermitteln.
Eine Besonderheit dieser Technologie sind die rechteckigen Reaktionskanäle mit typischen Querschnittmaßen von 12 x 1,5 mm2 und 18 x 3,2 mm2 für Labor, Pilotstufe und Produktion, die sich mit ihrer besonders hohen Oberfläche optimal für schnelle, stark exotherme und endotherme Reaktionen eignen. Gefertigt werden diese Reaktoren aus Werkstoffen wie Edelstahl und Hastelloy, um die in der Produktion benötigte Robustheit zu gewährleisten. Das besondere Know-how für den Fertigungsprozess haben Ehrfeld und seine Partner in jahrelanger Zusammenarbeit erarbeitet und in vielen Applikationen in der Fein- und Spezialitätenchemie, Petrochemie, Polymerchemie sowie der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie umgesetzt.
Mit Teamwork von Batch zu Konti
Für den Scale-up-Schritt zum Produktionsmaßstab haben Encos und Ehrfeld im Rahmen eines gemeinsamen F&E-Projekts eine Simulationssoftware entwickelt. Der Versuchsaufwand für Prozess-Entwicklung und Optimierung kann somit deutlich reduziert werden. Im Ergebnis lassen sich Reaktoren von Laborgröße bis hin zu Produktionsreaktoren mit einer Produktionskapazität von 10.000 t/a und mehr jetzt noch effizienter skalieren. Jeder dieser Reaktoren hat einen Durchsatz von ca. 1 m³/h bei einer Nennweite von 400 mm und einer Länge von jeweils 7 m, was sie zu den größten Millistruktur-Reaktoren weltweit macht. Dabei bleiben alle Vorteile der Mikro-Reaktionstechnik erhalten.
Dies spiegelt sich vor allem in der hocheffizienten Wärmeübertragung, dem schnellen Mischen, definierten und reproduzierbaren Verweilzeiten, einfacher Prozesskontrolle und einem geringen Hold-up wider. Die präzise kontinuierliche Prozessführung, insbesondere für sonst schwer zu beherrschende Reaktionssysteme, sorgt für eine höhere Ausbeute, gepaart mit verbesserter Produktqualität und einer optimierten Anlagensicherheit. Infolge des Wegfalls von Rüstzeiten und eines reduzierten Personalbedarfs sind die Amortisationszeiten minimal. Zusätzlich ist durch den Einsatz bspw. im „Power to X“-Kontext auch ein wertvoller Beitrag zur Dekarbonisierung möglich.
„Es entsteht eine World-Scale-Anlage zur Produktion von
mehr als 100.000 Tonnen Zwischenprodukt pro Jahr.“Carmine Raffa, Ehrfeld Mikrotechnik
Wirtschaftliches Reaktorkonzept mit modularem Charakter
Das Miprowa-Reaktorkonzept kann als ein modulares System verstanden werden, insofern der Produktionsreaktor als Ganzes typischer Weise aus einer Reihenschaltung mehrerer Kerne standardisierter Länge besteht. Der Reaktordurchmesser ist abhängig vom zu leistenden Durchsatz: Als Parameter für die Durchsatz-Skalierung kann mit einer Variante des Numbering-up auch die Anzahl parallel betriebener Reaktoren variiert werden.
Encos verfügt mit MicroFit über eine bislang einzigartige Simulationssoftware für die Flow-Chemistry, die eine reaktionstechnische Reaktordimensionierung erlaubt. In Kombination mit der Verwendung von datenbankbasierten CapEx-/OpEx-Kalkulationssystemen und der teilintegrierten Auswertung von 3D-Layout-Varianten ist Encos gemeinsam mit Ehrfeld in der Lage, für eine Vielzahl spezifischer Anwendungsfälle die wirtschaftlichste Lösung zu entwickeln.
Turn-Key mit APC
Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit verfolgen die DMT-Gruppe und Encos eine Arbeitsteilung, die auf die Lieferung schlüsselfertiger Anlagen ausgerichtet ist. Encos übernimmt dabei den Großteil des Engineerings unter dem Schirm der DMT, die als Generalunternehmer neben dem Projektmanagement auch Procurement, Montagen und Inbetriebnahme verantwortet. Dies schließt das Engineering für Automatisierung und die Implementierung der Instrumentierung, Regelung und Steuerung sowie die zentrale Leittechnik mit ein. Am konkreten Beispiel der Miprowa-Technologie der Firma Ehrfeld geht die gemeinsame Hauptstoßrichtung des Anlagenbaus in Richtung Batch-to-Conti. Die Regelungstechnik stellt eine vorrangige Komponente der Automatisierung dar. Mit Blick auf Produktqualität und Energieeffizienz wird dabei verstärkt auf die adaptiv optimierende Wirkung der APC gesetzt.