Mikroalgen als Problemlöser
Fotobioreaktoren zur Mikroalgenkultivierung als nachhaltige Lösung zur Erzeugung von Wertstoffen
Der größte Teil der fossilen Brennstoffe ist aus Mikroalgen entstanden. Sie wachsen bis zu zwanzigmal schneller als andere Pflanzen. Aus Mikroalgen lassen sich hochwertige Wertstoffe gewinnen, z.B. für die menschliche Ernährung oder die Pharmazie sowie Tiernahrungszusätze, chemische Grundstoffe und Energie. Es liegt daher nahe, diese biologische Quelle stärker zu nutzen.
Bei der Kultivierung von Mikroalgen in geschlossenen Systemen werden kaum Wasser und keine Pestizide benötigt. Durch die gezielte Zufuhr von CO2 aus der Abluft von Emittenten wird CO2 zum Rohstoff, weshalb sich die Mikroalgenkultivierung hervorragend in Kreislaufprozesse einbinden lässt.
Nutzung von Mikroalgen
Mikroalgen (Plankton) sind der Ursprung der Nahrungskette in unseren Ozeanen. Fisch enthält nur deshalb Omega-3-Fettsäuren, weil sich Fische direkt oder indirekt von Mikrolagen ernähren. Demnach sind die Mikroalgen der eigentliche Produzent der ungesättigten Fettsäuren.
Mikroalgen erzeugen das effizienteste bekannte Antioxidationsmittel Astaxanthin, welches durch seine rote Farbe bekannt ist. Es wird von Mikroalgen als Eigenschutz erzeugt, wenn diese unter Stress geraten. Dieser Effekt lässt sich in geschlossenen Fotobioreaktoren gezielt steuern, weshalb bereits heute sehr große Anlagen wirtschaftlich betrieben werden, um Astaxanthin zu produzieren.
Mit Hilfe von Mikroalgen lassen sich sehr viele weitere Wertstoffe herstellen, die bspw. für vegane Nahrungsmittel von Interesse sind. Zu erwähnen wäre hierbei das Vitamin B12. Die Liste der mit Hilfe von Mikroalgen produzierbaren Wertstoffe ist nahezu unendlich. Viele Forscher und Entwickler arbeiten weltweit an weiteren Produkten, welche diese Liste noch verlängern.
Kultivierung von Mikroalgen
Damit Mikroalgen jetzt und in der Zukunft einen nennenswerten Anteil zur Versorgung der Weltbevölkerung mit Rohstoffen beitragen können, müssen derartige Anlagen sehr groß sein. Die am verbreitetsten Varianten der geschlossenen Fotobioreaktoren bestehen aus transparenten Röhren, welche eine Gesamtlängen von mehreren hundert Kilometern pro Anlage aufweisen. Die meist nur wenige Tausendstel Millimeter großen Pflanzen schwimmen in der Kultivierflüssigkeit und werden mit dieser fortlaufend durch das Röhrensystem gepumpt. Hierbei bewirkt Licht, dass sie sich durch Fotosynthese vermehren. Das hierfür notwendige CO2 entnehmen die Mikroalgen der Flüssigkeit, in der sie sich befinden, und geben dabei den entstehenden Sauerstoff an diese ab. Nach einer gewissen Verweildauer entweicht der Sauerstoff und frisches CO2 muss eingebracht werden.
Wie bei allen anderen Pflanzen auch, ist das Licht der Antrieb für das Wachstum. Mikroalgen lassen sich sowohl mit natürlichem als auch mit künstlichem Licht kultivieren. Insbesondere für die Produktion von preiswerten Basismaterialien werden die Reaktoren mit natürlichem Licht betrieben.
Innovative Technologie zur Herstellung von Fotobioreaktoren
Der betriebswirtschaftliche Nutzen der industriellen Mikroalgenkultivierung hängt von den Kosten der Anlagenbeschaffung sowie von deren Betrieb ab. Folglich mussten Möglichkeiten gefunden werden, wonach diese so günstig wie möglich zu erstellen sind und dennoch hoch effektiv bleiben.
Bisher wurden herkömmliche Fotobioreaktoren aus Rohren zusammengesetzt, die meist eine Länge von 5,5 m aufweisen. Diese werden in einer Fabrik gefertigt, in riesige Kisten verpackt und an den Ort verbracht, an dem der Reaktor entstehen soll, um dort mit Hilfe von zigtausend Verbindungselementen zu Teilstrecken von 50 oder 100 m zusammengesetzt zu werden.
Diesen gewaltigen Aufwand konnten wir reduzieren, in dem wir die Rohre vor Ort mit Hilfe einer mobilen Fabrik herstellen. Folglich können wir nicht nur die Verpackung und den Transport, sondern vor allem die zigtausend Verbindungselemente einsparen, da die Rohre mit einer Länge von 50 oder 100 m einteilig sind. Da alle Verbindungselemente entfallen, können wir aus einem gewöhnlichen Rohr ein Profil erstellen, das weitere Funktionen wie z. B. eine Haltevorrichtung bietet. Durch diese weltweit patentrechtlich geschützte Technik ist es möglich, die Wandstärken der Rohre von meist 3 mm auf 1 mm zu reduzieren. Insgesamt werden so auch 60 % des benötigten Rohmaterials zur Herstellung der transparenten Rohre eingespart.
Dieses innovative Produktionsverfahren bietet im Vergleich mit herkömmlichen Systemen einen weiteren Vorteil: Jedes Verbindungselement stellt eine potenzielle Quelle für Kontaminationen dar. An diesen Stellen bilden sich Toträume, die im Falle einer mechanischen Reinigung durch Molche nicht erreicht werden. Dieses Problem kennt die Lebensmittelindustrie nur zu gut, weshalb dort alle Rohre mit aseptischen Flanschen (z.B. DIN 11853) ausgestattet sind. Aseptische Flansche sind aber nur dann realisierbar, wenn sie fest mit den Rohren verschweißt werden. Im Rahmen der üblichen Technik, bei der 5,5 m lange Rohre verwendet werden, ist dieses nicht möglich, bzw. erfordert einen hohen Aufwand. Unser Produktionsverfahren benötigt nur alle 50 oder 100 m einen Flansch, den wir aufgrund des verwendeten Materials anschweißen können. Daher ist Algoliner weltweit der einzige Hersteller von Fotobioreaktoren, der aseptische Flansche verwendet.
Die aseptischen Flansche erlauben eine rein mechanische Reinigung, weshalb wir intensiv an Molch-Reinigungssystemen arbeiten. Die Kombination unserer Systeme erlaubt eine Vollautomatisierung der Reinigung, wodurch sich die Betriebskosten deutlich reduzieren.
Materialauswahl bedingt Nachhaltigkeit
Damit die aus Mikroalgen gewonnene Biomasse in einem großen Umfang eingesetzt werden kann, muss die gesamte Produktionskette hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit betrachtet werden. Hierbei spielen insbesondere die Rohre eine große Rolle, da sie mit Abstand die bedeutendste Komponente der Reaktoren darstellen. Für uns war es daher wichtig, den benötigten Materialeinsatz so niedrig wie möglich zu halten und nur Materialien einzusetzen, die einfach und nachhaltig recycliert werden können. Mit dem Material Plexiglas (Polymethylmethacrylat, PMMA) der Firma Röhm haben wir dieses gefunden.
Plexiglas ist ein transparenter thermoplastischer Werkstoff, der mehr als 30 Jahre UV-stabil und sehr kratzbeständig ist. Es lässt sich gut verschweißen und erlaubt die Herstellung von Bauteilen durch Extrusion und Spritzguss. Somit lassen sich die Bauteile preiswert herstellen, wobei immer das gleiche Material verwendet wird.
Ganz wesentlich ist dessen Rezyklierbarkeit. Plexiglas lässt sich hervorragend mechanisch recyclieren, ohne hierbei ein nennenswertes Downgrading seiner Eigenschaften zu erfahren. Noch wichtiger ist aber die Tatsache, dass sich das Material durch eine Erwärmung auf ca. 400 °C depolymerisieren lässt. Das so zurückgewonnene Monomer (MMA) lässt sich erneut zu PMMA polymerisieren, um wieder zu einem Fotobioreaktor verarbeitet zu werden. Das im Rohmaterial Plexiglas eingebundene CO2 bleibt somit auf unbestimmte Zeit gebunden. Es ist uns gelungen, alle unsere Komponenten aus Standard-Plexiglas zu realisieren. Die Flansche müssen daher auch nicht von den Rohren getrennt werden, wenn diese recycliert werden.
Nutzung von ariden Flächen
Aufgrund des Klimawandels gehen der Landwirtschaft weltweit immer mehr Flächen verloren, da es an Wasser fehlt. Bei der Kultivierung von Mikroalgen in geschlossenen Systemen verdunstet kein Wasser. Da die Systeme abgeschlossen sind, werden auch keine Pestizide für die Kultivierung benötigt. Mikroalgen in geschlossenen Systemen lassen sich daher auch in Wüsten kultivieren, was bereits an mehreren Stellen erfolgt. Die für den Umlauf benötigte Energie zum Antrieb der Pumpen und der Steuerung, lässt sich einfach mit Hilfe von Fotovoltaik gewinnen.
Folglich hat die Kultivierung von Mikroalgen in Verbindung mit der von uns entwickelten nachhaltigen Technologie das Potenzial, in der Zukunft einen großen Beitrag zur Versorgung der Weltbevölkerung mit Nähr- und Wertstoffen zu leisten.
Autor: Hans Väth, CEO, Algoliner GmbH & Co. KG, Messel
„Der betriebswirtschaftliche Nutzen der industriellen Mikroalgenkultivierung hängt von den Kosten der Anlagenbeschaffung sowie von deren Betrieb ab.“
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Zur Person
Hans Väth absolvierte nach einer kaufmännischen Lehre und der Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt ein Studium der Kunststofftechnik an der Fachhochschule Darmstadt. Durch seine über 25-jährige Berufserfahrung in der Automobilindustrie erlangte er das Fachwissen, woraus sich die Algoliner-Produktionstechnik für Fotobioreaktoren ableitet. 2013 gründete Väth – zunächst nebenberuflich – die Firma Algoliner, die er seit 2019 in Vollzeitig leitet.