Forschung & Innovation

Megatagung für Megatrends

Gemeinsame Jahrestagungen von ProcessNet und Dechema-Fachgemeinschaft Biotechnologie

11.09.2014 -

Die gemeinsamen Jahrestagungen von ProcessNet und der Dechema-Fachgemeinschaft Biotechnologie präsentieren in Aachen mit 280 Vorträgen und 300 Postern ein Mammutprogramm.
Von „Megatrend" zu sprechen, war in den letzten Jahren schon fast selbst ein Mega-trend. Keine Konferenz, kein Politikforum, kein Industriekonzern, der sich nicht darauf berief, seine Strategie an Megatrends auszurichten. In den populären Medien wurde aber auch gerne der Bubble Tea oder der Keilabsatz zum „Megatrend" ausgerufen. Ist „Megatrend" also ein ausgelutschtes Buzz-Wort, das man hinter sich lassen und sich ernsten Dingen zuwenden sollte?
Auf keinen Fall. „Megatrends" sind nach gängiger Definition Entwicklungen, die über einen langen Zeitraum - der „Vater" des Begriffs, John Naisbitt, sprach von sieben bis zehn Jahren oder länger - wirken und dabei unser Weltbild, unsere Werte und unser Denken beeinflussen beziehungsweise verändern. Der Bubble Tea scheidet damit aus.

Fragen, die im Grundsatz noch nicht gelöst sind
Es bleiben Themen wie die Wasserversorgung, der Zugang zu Ressourcen, Lebensmitteln und Gesundheitsversorgung, die Energieversorgung oder die Mobilität. Alles nicht ganz neu, denkt da mancher - aber genau das macht Megatrends aus. Und trotz der vielen Fortschritte, die in den letzten Jahren auf all diesen Gebieten erzielt worden sind, sind die Fragen im Grundsatz noch nicht gelöst.
Stichwort Rohstoffe: Das Ziel einer nachhaltigen biobasierten Wirtschaft ist formuliert, und Politik, Forschung und Industrie haben sich auf den Weg dorthin gemacht. Doch gleichzeitig dürfte Shale Gas die am meisten diskutierte Ressource sein; China setzt auf Kohle, und auch der Abbau von Ölsanden geht unvermindert weiter. Wir sind noch weit davon entfernt, von fossilen Rohstoffen unabhängig zu sein. Wie könnte man sie aber effizienter gewinnen und veredeln? Auch konventionelle Lagerstätten sind im Fokus, denn mit Standardtechnologien werden nur etwa 40 - 50 % des Erdöls gefördert. Bei der „Microbially enhanced oil recovery" (MEOR) wandeln Mikroorganismen Öl oder Kohle in leichter zu förderndes Methan um. So können bis zu 90 % der Rohstoffe einer Lagerstätte erschlossen werden - im Zusammenspiel zwischen Biotechnologie und Verfahrenstechnik. Oder man könnte Rohstoffe direkt vor Ort chemisch umsetzen und so nicht nur die Lagerstätten besser ausbeuten, sondern sich auch viel Logistik und Transport ersparen.

Schlacken, Aschen und Halden als ­Wertstoffdepots
Definitiv nicht durch Biomasse ersetzbar sind die vielfältigen anorganischen Rohstoffe vom Selten-Erd-Metall bis zum Phosphat, die unsere Wirtschaft benötigt. Die interessantesten Lagerstätten liegen längst nicht mehr unter der Erde oder auf Vogelinseln im Ozean, sondern häufig genug mitten in Deutschland: Schlacken, Aschen und Halden entstanden teils zu einer Zeit, als diese Rohstoffe noch nicht so interessant waren oder keine Verfahren zur Verfügung standen, um sie zurückzugewinnen. Heute sind die Gehalte in diesen Quellen oft höher als in den noch verfügbaren Primärlagerstätten. Gleiches gilt für „verbrauchte" Katalysatoren; was drin ist, weiß man, doch wie bekommt man es - großtechnisch und wirtschaftlich - wieder heraus?
Auch ein Megatrend: Die Vernetzung oder „Interkonnektivität". Unter dem Stichwort „Industrie 4.0" ist sie in aller Munde und auch Thema auf den Jahrestagungen. Doch auch andere Entwicklungen lassen sich unter dem Aspekt der Vernetzung betrachten: Die Modularisierung und Standardisierung von Anlagen, die je nach Bedarf neu zusammengestellt, erweitert oder umgebaut werden, setzt ein neues Verständnis von Anlagen voraus. Nicht die lineare Abbildung eines Prozesses steht dabei im Vordergrund, sondern die Anlage als Netzwerk aus verschiedenen Komponenten. Dieser Trend geht einher mit Visionen einer dezentralen Wirtschaft - dezentrale Energieversorgung, dezentrale Verarbeitung von Rohstoffen, die wie Biomasse dezentral in der Fläche anfallen. Natürlich steht dahinter nicht nur eine technische Lösung, sondern die weitergehende Frage: Wer betreibt die Anlage zur Gewinnung von Phytoextrakten oder Polymilchsäure, die auf dem Bauernhof steht?

Prototypen werden über Nacht gedruckt
Ob 3-D-Drucker, wie manche Zukunftsforscher meinen, in sich schon einen Megatrend bergen, lässt sich derzeit noch nicht wirklich einschätzen. Was sie vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung leisten können, ist dagegen beeindruckend: Neue Bauteile oder Prototypen werden nicht gefräst, sondern über Nacht ausgedruckt. Das macht Labore um ein Vielfaches flexibler und schneller - und vielleicht auch innovativer, denn Ideen können ohne großen Aufwand ausprobiert werden.
All diese Themen stehen nur beispielhaft für das, was sich bei den Jahrestagungen an insgesamt drei Tagen in 280 Vorträgen und auf 300 Postern abspielt - mehr Beiträge, als je zuvor bei den Jahrestagungen vorgestellt wurden. Um der Breite der Themen und der Komplexität gerecht zu werden, reichen die Formate vom „großen Ganzen" bis ins kleine Detail.

Zukunft gemeinsam gestalten
Bei der Podiumsdiskussion am Mittwoch stellen sich unter dem Titel „Verfahrenstechnik und Biotechnologie - Zukunft gemeinsam gestalten" Experten der verschiedenen Themenfelder den kritischen Fragen von Moderatoren und Publikum. Ausgangspunkt sind die Ergebnisse des Zukunftsworkshops, den ProcessNet im Juni 2013 veranstaltet hat (s.a. CITplus 7/2013, S. 6 ). Seither sind einige Projekte weiter vorangetrieben worden; anderes hat sich als weniger Erfolg versprechend erwiesen. Wie der aktuelle Stand ist, welche Erfolge und welche Lücken es gibt, soll Thema der Diskussion sein. Daran kann man sich übrigens im Vorfeld schon beteiligen: Unter processnetschafftzukunft.wordpress.com wird Anfang September die Diskussion eröffnet, die dann in Aachen ihren Höhepunkt findet.
Das bewährte Format von Tandem- und Übersichtsvorträgen, die einen Einstieg in einen Themenkomplex ermöglichen, wird diesmal mit insgesamt 40 Beiträgen abgedeckt, die sich über alle Sessions (und alle Zeitfenster) verteilen. Dazu kommen 240 Fachvorträge, die deutlich mehr ins Detail gehen.

Ein Forum für den Nachwuchs
Zum ersten Mal kommen im Rahmen der Jahrestagungen auch Posterautoren zu Wort: Ausgewählte Posterautoren können in fünf parallelen Posterworkshops zu den Themen Bioökonomie, Funktionsmaterialien, Messen oder nicht messen, Prozesstechnik und Rohstoffe und Energie am Dienstag ihre Arbeiten in Kürzestform vorstellen und so Lust auf mehr machen, die bei der anschließenden Posterparty gestillt werden kann. Das Format verlangt dem Organisationskomitee einiges ab, denn zusätzlich zum Vortragsprogramm hat es sich intensiv mit den Postern auseinandergesetzt. Es bietet aber vor allem Nachwuchswissenschaftlern eine Bühne und den Zuhörern die Möglichkeit, in kurzer Zeit eine Vielfalt von Ergebnissen wahrzunehmen.
Überhaupt, der wissenschaftliche Nachwuchs: Auch er findet bei den Jahrestagungen sein spezifisches Angebot. Die kreativen jungen Verfahrensingenieure haben ein zweitägiges Programm zusammengestellt, das Studierenden Einblicke ins Berufsleben und Hilfestellung für den Weg dorthin gibt. In der begleitenden Firmenausstellung können sie zusätzlich erste Kontakte knüpfen. Die Teilnahme für Studierende vor dem Master- / Diplomabschluss ist kostenfrei.

Dr. Kathrin Rübberdt
Leiterin Biotechnologie & Kommunikation, Dechema

Kontakt

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