Logistik auf dem Prüfstand
4PL Central Station stellt zunehmenden Trend zu 4PL-Lösungen in der Chemischen Industrie fest
Die Logistik stellt in vielen Branchen und Unternehmen keine Kernkompetenz dar. So haben sich im Markt neben den klassischen Transport- oder Lagerdienstleistern auch logistische Dienstleistungsformen herausgebildet, die innerhalb der Supply Chain steuernd und koordinierend tätig sind. Eine dieser Formen ist die Fourth Party Logistics (4PL), die nun beginnt auch in der Chemischen Industrie Fuß zu fassen. Dr. Sonja Andres sprach mit Gerald Floß, Geschäftsführer bei 4PL Central Station Deutschland über die Möglichkeiten und Chancen, die diese Form der Asset freien Logistikdienstleistung der Chemischen Industrie bietet.
CHEManager: Herr Floß, worin sehen Sie die Haupttriebfeder, sich für einen 4PL-Dienstleister zu entscheiden?
G. Floß: 25 Jahre stand ich auf Verladerseite, deshalb fällt es mir nicht schwer, zunächst die Verlader-Brille aufzusetzen. Verlader auch beispielsweise der Chemiebranche sehen Logistik nicht als ihr Kernthema. Logistik ist nicht im Fokus der Unternehmensleitung. Logistik muss funktionieren. Andere Dinge sind im Vordergrund, deshalb nimmt man sich in der Regel nicht der strategischen Ausrichtung der eigenen Logistik an.
Wenn nun so ein Bereich nie im Fokus war, wird im Laufe der Jahre ein Zustand erreicht, der den Anforderungen an eine moderne Logistik nicht mehr genügt. Das ist seitens der Verlader oft die Haupttriebfeder, sich über eine Neuausrichtung der Logistik Gedanken zu machen. Hier kommt auch die Idee einer externen Lösung ins Spiel, anstatt einen langwierigen Prozess in Gang zu setzen, um die eigene Logistik aus eigener Kraft neu auszurichten.
Greifen hier die meisten Verlader nicht einfach zu einem Logistikunternehmen, das Transport oder entsprechende Lagerung anbietet?
G. Floß: Ja, das findet man natürlich auch am Markt, zum Beispiel Kontraktlogistik- oder Lead Logistic Provider-(LLP)-Modelle. Hier bleibt oftmals unklar, wo der Dienstleister sein Geld verdient. Es besteht latent immer das Problem, dass einer, der die Aufträge eigentlich nach außen vergeben soll, sich diese dann selber gibt. Das ist unter Compliance-Kriterien für Kunden sehr umstritten.
Diese Problematik fällt weg, wenn eine wirkliche 4PL-Lösung gewählt wird. Denn ein 4PL-Unternehmen hat keine eigenen Assets und somit entfällt die Vergabe im eigenen Haus. Das ist der wesentlichste Knackpunkt zwischen einer LLP und einer 4PL-Lösung.
Sehen Sie hierin auch die Hauptstärke der 4PL-Lösung?
G. Floß: Unabhängigkeit ist Thema in nahezu allen Kundengesprächen, die wir führen, sowie 100-prozentige Fokussierung auf die Logistik aus Sicht des Verladers. Das kann ein LLP-Dienstleister selbst letztendlich nie gewährleisten, denn er steht immer unter dem Verdacht, Dinge nur anzubieten, weil er an die Transportvolumina gelangen will. Ein 3PL-Unternehmen tritt an, um seine Assets auszulasten. Die Unabhängigkeit ist deshalb die Hauptstärke in 4PL-Lösungen neben der professionellen Abwicklung durch jemanden, der nur das logistische Management macht.
Begibt sich ein Unternehmen anderseits aber nicht in große Abhängigkeit, wenn die gesamte Kontrolle über alle Warenströme - intern wie extern - fremd vergeben ist?
G. Floß: Ja, das ist ein valider Punkt. Aber auch da würde ich gerne meine alte Verlader-Brille wieder aufsetzen. Glauben Sie mir aus eigener Erfahrung und auch aus unzähligen Gesprächen mit Kunden, es ist für ein Unternehmen wesentlich einfacher bei einem Underperforming den Dienstleister zu wechseln als die eigene Abteilung auszutauschen. Sie sind von einer eigenen Abteilung wesentlich abhängiger als von einem externen Dienstleister. Ein externer Dienstleister lässt sich in Bezug auf Qualität auch ganz anderes steuern und mit ganz anderen Mechanismen in einer hohen Qualität halten als eine eigene Abteilung.
Chemielogistik ist eine sehr sensible Logistik. Im Bereich der Gefahrstoffe und Gefahrgüter übernimmt der 4PL-Dienstleister viel Verantwortung. Wie wählen Sie die geeigneten Partner für die einzelnen Logistikleistungen aus?
G. Floß: Die Verantwortung für die Leistungen des gewählten Dienstleistungspartners übernehmen wir nicht, aber wir gehen natürlich sehr sensibel mit den Anforderungen unserer Kunden um. Zu Anfang einer neuen Kundenbeziehung investieren wir erst einmal sehr viel in die Dokumentation der Leistungsanforderungen. Da wir einen langjährigen Chemiebackground als 4PL-Unternehmen haben, wissen wir auch worauf zu achten ist. Das wird sehr genau mit Standard Operating Procedures - SOP - dokumentiert.
Wenn wir dann für einen Kunden die Dienstleisterbeschaffung, das heißt, das Tendermanagement übernehmen, fließen diese gesamten SOPs in die Ausschreibung mit ein. Die Qualität der eingesetzten Dienstleister wird von uns auch peinlichst genau dokumentiert. Hierfür haben wir mit dem Non Conformance Report eigene Prüfkriterien geschaffen. Dieser untermauert die Qualitätskennzahlen, die wir monatlich für alle Kunden erheben. Weil wir eine nachhaltige, vernünftige Logistiklösung bieten wollen, ist uns diese Qualitätsdokumentation sehr wichtig.
Insgesamt ist ganz sicherlich Transparenz in den Abläufen nötig, damit 4PL funktionieren kann. Welches IT-Umfeld begünstigt die Zusammenarbeit? Sind Cloud-Lösungen praktikabel?
G. Floß: Die Cloud-Lösung ist die perfekte Lösung, denn sie ist weltweit einsetzbar. Wir haben unser TMS-System cloudbasiert aufgestellt. Bei unserer Lösung liegt die Stärke im Schnittstellen-Management. Das System ist darauf ausgelegt, sich ganz schnell an die ERP-Systeme unserer Kunden andocken zu können und eine Medienbruchfreie Kommunikation mit den Logistikdienstleistern herzustellen. Gerade im Chemieumfeld ist es extrem wichtig, dass Gefahrgutdaten unverfälscht vom Verlader zum Dienstleister gelangen. Das stellen wir mit unserer TMS-Lösung sicher durch die Datenanbindung an das ERP und die Gefahrgutdaten des Verladers und eine EDI-Anbindung zu den meisten unserer Dienstleister. So können wir einen unterbrechungsfreien Transport von Gefahrgutdaten herstellen. Das ist eine unserer größten Stärken.
So hat Ihnen die Möglichkeit einer Cloudlösung in die Hände gespielt, Ihre Abläufe sicherer zu machen?
G. Floß: Der Vorteil liegt hier nicht so sehr in der Cloudlösung selbst. Der Vorteil in unserer Lösung liegt vielmehr darin, dass wir sehr schnell in der Lage sind, Kundensysteme anzubinden und aufgrund der Cloudlösung sowie der Ausbildung unserer Mitarbeiter die Kundenspezifischen Anpassungen rasch realisieren zu können.
Bislang waren viele der Chemieunternehmen sehr vorsichtig und zurückhaltend im Umgang mit der Fremdvergabe logistischer Leistungen. Lediglich im Transport besteht zwischenzeitlich eine höhere Tendenz. Stellen Sie fest, dass Chemieunternehmen vermehrt 4PL-Dienste in Anspruch nehmen? Falls ja, welche Beweggründe vermuten Sie dahinter?
G. Floß: Seit nun etwa zwei Jahren stellen wir einen ganz klaren Trend in der Chemischen Industrie fest. Wir hatten noch nie so viele Anfragen aus dieser Branche wie in den letzten zwei Jahren. Und was wir nie erwartet hätten, dass es mittlerweile auch große, internationale Chemiekonzerne sind, die sich aktiv um 4PL-Lösungen bemühen, teilweise sogar mithilfe namhafter Unternehmensberatungen. Eine solche Nachfrage hat es in den Jahren zuvor nie gegeben.
Die Beweggründe dahinter sind schwer greifbar. Aber da der Kostendruck in allen Bereichen der chemischen Industrie steigt, vermuten wir, dass alles auf den Prüfstand kommt - letztendlich jetzt die Logistik. Sie gehört in einem Chemieunternehmen nicht zum absoluten Kernbereich, aber dort sind die Anforderungen stetig gewachsen und die Kosten nicht unerheblich. Teilweise geht es um mehrstellige Millionenbeträge, die im Logistikumfeld verantwortet werden. Auch diese kommen nun auf den Prüfstand.
Wird es für das Chemieunternehmen denn tatsächlich günstiger mit einem 4PL-Logistiker zusammenzuarbeiten?
G. Floß: Unsere Erfolgsbilanz zeigt erhebliches Einsparpotenzial, das im Durchschnitt bei 20% liegt. Das ist belegbar. Dies weckt natürlich Begehrlichkeiten. Im Großindustrieumfeld kommen die Themen „Fokussierung auf Kernbereiche", Outsourcing, Abschaffung von Remanenzkosten, Variabilisierung von Fixkosten hinzu, alles Schlagworte, die quasi einer 4PL-Lösung entsprechen. Das bringen wir alles bei hoher Messbarkeit mit: Transparenz, Kostenreduzierung, Flexibilität, Fokussierung auf die Logistik. Diese Themen haben die Unternehmen mittlerweile stark im Blickfeld.
Für welche Unternehmen der chemischen Industrie sehen Sie „4th Party Logistics" als besonders geeignet an?
G. Floß: Ich kann hier eigentlich nur mit einem antworten: für alle. KMUs haben das Problem, dass die Logistik immer anspruchsvoller wird. Fast jeder Mittelständler ist zwischenzeitlich damit behaftet, Logistik weltweit zu betreiben. Sei es, um neue Rohstoffquellen zu erhalten. Hier fehlt im Handling sehr häufig die Expertise. Sie holen über die 4PL-Lösung ganz klar diese Expertise, die sie alleine nicht aufbauen können. Die Großunternehmen haben eine andere Motivation. Da geht es vielleicht wirklich um Kostenreduzierung, Variabilisierung von Fixkosten, Transparenz, Messbarkeit und diese Dinge. Sie wollen sich noch weiter verbessern, aber Bereiche, die nicht mehr zum Kerngeschäft gehören, auch nicht mehr selbst führen. Es gibt also sehr unterschiedliche Motivationen unterschiedlicher Gruppierungen innerhalb der chemischen Industrie. Aber letztendlich haben wir Lösungen für jede dieser Gruppierungen.