"Kontrolltürme" revolutionieren Wertschöpfungskette
Mit Kontrollturm-Konzept globale Supply Chains pharmazeutischer Unternehmen optimal kontrollieren
Die Wertschöpfungskette von Unternehmen in der Pharmazie und im Gesundheitswesen ist äußerst komplex und gekennzeichnet von vielen Stakeholdern. Die vorgelagerte Wertschöpfungskette erweist sich als eher übersichtlich (Chemische Wirkstoffe und Verpackung). Die nachgelagerte Verteilung mit diversen Stakeholdern ist komplizierterer und geprägt von langen Wegen und Absatzkanälen, die sich von privaten Apotheken über Discounter bis hin zu Online Shops oder Krankenhäusern erstrecken. Die pharmazeutische Wertschöpfungskette beinhaltet auch produkt- und fallspezifische Unterketten, wie solche für klinische Studien, die rücklaufende bzw. „reverse" Supply Chain, die etwa bei Produktrückrufen aktiviert wird, oder etwa wie die Kühlkette für biologische Produkte oder Impfstoffe.
Da sich die Vertriebskanäle zunehmend diversifizieren, unterscheiden sich auch die Verteilungsmuster von Land zu Land und beinhalten so z.B. die Wege direkt zum Patienten, direkt zur Apotheke sowie voll versorgende oder reduzierte Großhändler-Modelle. In europäischen Ländern hat die Streuung von Preisregulierungen parallele Verteilungswege geschaffen und die Umverpackung findet dann lokal statt.
Die pharmazeutische Industrie wächst derzeit durchschnittlich zwischen 3 und 7% in Industrieländern und um rund 20% in Schwellenländern. Dies ist vor allem der steigenden Weltbevölkerung geschuldet sowie dem stetig zunehmenden Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Da der Patentschutz vieler Blockbuster-Medikamente derzeit ausläuft, müssen Produktportfolios erweitert, Investitionen in F&E gestärkt und potentielle Targets für Übernahmen gesichtet werden. Zugleich drücken Generika-Hersteller die Margen der forschungsstarken Unternehmen und auch professionelle Fälschungen von Medikamenten drücken messbar die Ergebnisse der Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Reduzierung der Kosten der globalen Supply Chain an Bedeutung. Folgende Herausforderungen machen ein Handeln dringend erforderlich:
- Anstieg staatlicher Interventionen u.a. bei Preisfindung oder Produktbewertungen
- Globalisierung erfordert das Abstecken regionaler Märkte mit jeweils ganz spezifischen Erwartungen und Arzneimitteln
- Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle: Jedes Geschäftsmodell benötigt eine individuelle Weiterentwicklung der Organisation
- Fusionen & Übernahmen
- Integration und Anstieg unkonventioneller pharmazeutischer Distributionswege, inkl. online
- Interne Organisation der Logistik vs. Auslagerung unter höherem Risiko, Opfer von Medikamentenfälschungen zu werden
- Stärkere Sicherungsanforderungen an die Supply Chain
- Gut vernetzte und daher besser informierte Kunden lassen Bedeutung von proaktivem Marketing steigen
Anforderungen an die Supply Chain
Angesichts dieser Herausforderungen sind Lösungen zu finden, die die betriebliche Effizienz steigern. Obwohl fast alle Unternehmen der Branche bereits auf zielorientiertes Outsourcing, kontinuierliche Lean-Sigma-Verbesserungsprogramme und Sales & Operations Planning-Prozesse setzen, wird dies künftig nicht mehr ausreichen. Es gilt, grundlegende Veränderungen anzustoßen, um die allgemeine Belastbarkeit, Kundenorientierung und Agilität zu stärken.
Beratungsfirmen beziehen sich dafür oftmals auf den Reifegrad und Best Practices, um die aktuelle Situation eines Unternehmens zu bewerten und als Ausgangsbasis, um Verbesserungsansätze zu identifizieren. Doch auch dies ist zu kurz gedacht, denn: Das traditionelle Supply Chain Management ist in den letzten zehn Jahren gereift, mit Fokus auf neue Konzepte wie globale Sichtbarkeit, globale Synchronisation und Multi-Partner-Risk Management. Das von Gartner eingeführte sogenannte „Consumer Driven Value Network" kann als Orientierungshilfe dienen, um innovative Prozesse für die pharmazeutische Supply Chain zu stimulieren. Dabei operiert der Ansatz durch Verbrauchernachfrage in einem „Pull Modus", und steht damit im Gegensatz zum traditionellen Ansatz, der Push-to-Market Planung und Verteilung betont.
Die Synchronisierung der Supply Chain stützt sich dabei auf die gemeinsamen Sichtbarkeit der Abläufe und des Produkt-Durchgangs (inklusive durchgehender Rückverfolgbarkeit) und einer engen Koordination von Nachfrage, Bereitstellung und Produktveränderbarkeit. Sie beinhaltet zudem das Management zeitkritischer Informationen, Management-by-Exception, dynamische Verbesserung von übergreifenden Prozessen sowie die Koordination und Weiterentwicklung des involvierten Personals. Gleichzeitig ermöglicht die Cloud-Technologie unternehmensübergreifende Lösungen sowie die durchgängige Integration aller Beteiligten, unabhängig von den aktuell bestehenden Systemen.
Was ist ein Supply Chain Kontrollturm?
Vor diesem Hintergrund soll das Konzept eines Kontrollturms vorgestellt werden - in Anlehnung an die Weitsicht eines Kontrollturms am Flughafen: Ein Supply Chain-Kontrollturm ist eine Organisation, die sich auf eine zentrale Plattform stützt und dabei über Technologien, Ressourcen und Prozesse verfügt, die schnell abrufbar sind, Daten aus der erweiterten Supply Chain auswertet und anschließend verfügbar macht. So sollen auch kurzfristig Entscheidungen weithin sichtbar und schnell kommunizierbar sein, um Entscheidungen auf fundierter Informationsbasis zu treffen und die gemeinsame Durchführung zu synchronisieren.
Die drei Säulen eines Supply Chain Kontrollturms bestehen aus Ressourcen (Organisation, Fähigkeiten und Management System), Technologie (Cloud Plattform, Data Hub, interoperable Middelware, Echtzeit-Funktionseinheiten für Warnungen und Verbreitung von Informationen) sowie drittens Prozessen (Sichtbarkeit, Überwachung, Auswertung und Synchronisation). Zu den Schlüsselprozessen, die für die die Erreichung des höheren Reifegrads erfolgsentscheidend sind, gehören:
- Eine globale Leistungskontrolle
- Integrierte gemeinsame Planung
- Die Überwachung der Supply Chain mit schneller Identifizierung von Sonderfällen und Risiken
- Management der Reaktivität bei der Umsetzung
- Kontinuierliche Prozess- und Leistungsverbesserung
Damit ermöglicht der Kontrollturm, schnell einen höheren Reifegrad zu erreichen. Zudem berücksichtigt er die gewachsene Macht von Verbrauchern bzw. Patienten und erhöht die Stabilität globaler Unternehmen. Andere Branchen, die hier früh eingestiegen sind, zeigen bereits signifikante Verbesserungen und Differenzierungen in ihren Märkten.
Erfolgsfaktoren für die Implementierung
Die typische Implementierung beinhaltet dabei vier Phasen:
- Die strategische Definition von Prioritäten, Schlüsselprozessen, Abläufen und Akteuren, Managementsysteme, Business Cases sowie des Umsetzungsplans
- Detaillierte Entwicklung der Organisation, Prozesse und Architektur
- Anfängliche Einführung und Stabilisierung
- Onboarding von Partnern und Aktivierung des Plan-Do-Check-Act-Zyklus.
Doch sollten hierbei eine Reihe von Erfolgsfaktoren beachtet werden:
- Schlüsselpersonen sollten dieselbe Vision teilen
- Auswahl und Entwicklung adäquater Fähigkeiten im Team
- Auswahl der passenden Lösung und Architektur
- Kenntnis des erweiterten Zulieferer-Netzes.
- Berücksichtigung von Komplexität und eine eigenkritische Perspektive, um den richtigen Ansatz zu identifizieren
Um die Sicherheit für Patienten zu erhöhen und ein Bollwerk gegen Medikamentenfälscher zu errichten, ist es eine Vision für die Pharmazeutische Industrie, ein einheitliches und anschlussfähiges System aus interoperablen Kontrolltürmen zu errichten, das pharmazeutische Unternehmen und Vertriebspartner auf Staats- bzw. Regionen-Ebene umfasst. Um dieses Level einheitlicher Ausrichtung und Integration zu erreichen, spielen auch politische Institutionen eine wichtige Rolle. Anstatt Gewinnspannen und Preise zu regulieren, sollten sich diese nützlich machen, indem sie Standards schaffen, optimieren und ihre Anstrengungen auf eine robustere und verlässliche Rückverfolgbarkeit konzentrieren.
Die Technologie- und Innovationsberatung Altran rechnet in Folge der Einführung von Kontrolltürmen für die Supply Chain mit folgenden Vorteilen:
- Verbesserung der Leistung der globalen Wertschöpfungskette, durch einfachere Erfassung ihrer Veränderungen
- Reduktion des allgemeinen Risikolevels durch größere Anpassungsfähigkeit
- Die Fähigkeit, potentielle Bedarfe in profitable und koordinierte Entscheidung für die Versorgungserfüllung umzusetzen, und dabei die vorgestellten Systeme intern und extern wirksam einzusetzen.
- Es erhöht sich die Fähigkeit, verschiedene Produktlinien und Kanäle mit adäquaten Strategien und betrieblicher Überwachung effektiv zu managen
- Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen wie kürzerer Time-to-Market und geringeren Order-to-cash Zykluszeiten, globale Flexibilität, schnellere Problemlösung sowie schnellere Produktanlaufzeiten
- Schnellere und kontinuierliche Verbesserung über die erweiterte Supply Chain
- Beschleunigter Innovationszyklus
- Bessere Lernerfolge in der Organisation
- Größerer Markenschutz und effizientere Abwicklung von Produktrückrufen
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