Innovationen in Gefahr
Der schmale Grat zwischen Kooperation und Technologiediebstahl
In der heutigen dynamischen Geschäftswelt sind Kooperationen zwischen innovativen Start-ups und etablierten Unternehmen oft der Schlüssel für den Markteintritt der Innovation sowie wachsende Umsatzzahlen. Diese Partnerschaften bergen immer wieder auch Risiken, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen der jungen Unternehmen.
Ein aktueller Fall zwischen dem Elektroflugzeug-Start-up Zunum Aero und Boeing verdeutlicht, wie schnell der schmale Grat zwischen Zusammenarbeit und Technologiediebstahl möglicherweise überschritten werden kann. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen, die junge Unternehmen in solchen Kooperationen bewältigen müssen, und gibt Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Der Fall Zunum Aero vs. Boeing
Am 14. August 2023 entschied ein amerikanischer Bundesrichter in Seattle, dass das 72-Millionen-Dollar-Urteil einer Jury zugunsten von Zunum und gegen Boeing in einem Prozess um die unrechtmäßige Nutzung von Informationen, die von Zunum als Geschäftsgeheimnis angegeben wurden, rechtlich keinen Bestand hat. Der Nachweis, dass die Informationen, die Boeing angeblich missbraucht hat, tatsächlich „geschützte Geschäftsgeheimnisse“ betrafen, gelang Zunum nach Ansicht des Richters nicht. Zunum äußerte ihre Enttäuschung über diese Entscheidung und kündigte an, in Berufung zu gehen. Boeing hingegen zeigte sich dankbar für die gründliche Prüfung der Beweise.
Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Kooperationen
Häufig ist nicht bekannt, dass zur Geltendmachung von Geschäftsgeheimnissen, auch als Know-how bezeichnet, ein Unternehmen angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen muss, wie auch Unternehmen zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse in Kooperationen. Der rechtliche Rahmen sieht vor, dass Informationen nur dann als Geschäftsgeheimnisse gelten, wenn sie geheim gehalten werden und wirtschaftlichen Wert besitzen.
Dafür müssen die folgenden Voraussetzungen kumuliert für ein Geschäftsgeheimnis vorliegen:
- Geheimhaltung: Geheime Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist;
- Wirtschaftlicher Wert: Information mit wirtschaftlichem Wert;
- Geheimhaltungsmaßnahmen: Angemessene Maßnahmen zum Schutz der Geheimhaltung der Information;
- Zugangsbegrenzung: Der Zugang zu der Information muss auf autorisierte Personen beschränkt sein. Dem Erfordernis der „angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Geheimhaltung“ kommt die größte Bedeutung zu.
Fraglich ist, ob sich der Umfang der Schutzmaßnahmen auch an der Größe und der Historie des Unternehmens orientiert, also ob es sich um ein gewachsenes Unternehmen oder ein Start-up handelt. Dabei gilt: Kann ein Unternehmen keine geeigneten Schutzmaßnahmen vorweisen, besteht kein gesetzlicher Schutz.
Geeignete Geheimnisschutz-Schutzmaßnahmen vor einer Tech-Transaktion
In der Vorphase, also der Anbahnung einer Kooperation oder einer Tech-Transaktion, müssen das Start-up und seine Berater sich intensiv mit den im Start-up vorhandenen Know-how-Schutzmaßnahmen befassen und nach Wichtigkeit und Gefährdungspotenzial kategorisieren. Übliche Kategorien der Geschäftsgeheimnisse sind Schlüsseltechnologie, wichtiges Know-how und sensible Informationen, für die eigene Konzepte an Schutzmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Zu nennen sind hier organisatorische, technische und rechtliche Maßnahmen, die von einem Geheimnisschutzbeauftragten flankiert werden. Eine regelmäßige Kontrolle der Einhaltung der Maßnahmen und deren Aktualität ist notwendig.
Der rechtliche Schutz wird üblicherweise mittels NDAs mit dem Ansatz vertrauenswürdige externe Dritte als sog. „Clean Team“ oder als „Black Box“ in Due Diligence flankiert, um nur gefilterte und somit freigegebene aggregierte Informationen in ein größeres Team, das einem NDA unterliegt, weiterzuleiten.
Aber wie kann dieser aufwendige Geheimnisschutz in Kooperationen umgesetzt werden, wenn eine Zusammenarbeit von zwei kooperierenden Teams notwendig ist? Denn, Informationen sind als Geschäftsgeheimnisse u. a. nur solange und soweit geschützt, wie diese Information nicht öffentlich sind oder ein Reverse Engineering vertraglich ausgeschlossen wurde. Auch die eigenständige Entdeckung oder Schöpfung eines Dritten führt zum Verlust des Geschäftsgeheimnisses. Gerade in Kooperationen, bei denen es um hochinnovative Informationen geht, bspw. ein Kooperationspartner bringt technisches Know-how und ein anderer Produktionswissen für die Serienfertigung ein, sind diese Aspekte die kritischsten.
In der Vorphase ist es sinnvoll, mit technischer und rechtlicher Kompetenz ein zielgenaues NDA abzufassen, das sehr genau die jeweiligen Kompetenzen der Kooperationspartner definiert und vorzugweise auch den Umgang mit potenziellen Erfindungen detailliert regelt. Auch gut geplante Vororttermine, die durch ein solches NDA abgesichert wurden, bieten sich in Kooperationen oder bspw. einem Code Review von Software an.
Beachtet werden muss auch der Aspekt, dass ein Kooperationspartner, selbst mit Dritten Forschungs- und Entwicklungsverträge oder Kooperationen abgeschlossen haben kann. Ein unachtsamer Umgang dieses Kooperationspartners mit geschützten Informationen der Vertragspartner löst Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus.
Risikomanagement mit gewerblichen Schutzrechten
Der gewerbliche Rechtsschutz bietet dazu ein breites Portfolio, um Geschäftsgeheimnisse in abstrahierter Form im Vorfeld einer Kooperation sorgfältig zu sichern. Dies sind Patente, Marken, Designs und Urheberrechte. Zur Vermeidung von Technologiediebstahl bei weniger finanzstarken Start-ups als das vorgenannte, sollte die Forderung laut werden, dass Start-ups oder Partner in Kooperationen grundsätzlich besser vor Technologiediebstahl geschützt werden müssen.
Dies könnte erfolgen, indem sowohl die Schutzmaßnahmen für den Geheimnisschutz sowie deren Durchsetzung gegenüber den nicht beachtenden Kooperationspartnern oder Dritten gefördert werden, wenn geeignete Schutzkonzepte nachgewiesen werden. Gleichfalls sollte die Durchsetzung von Patenten von Start-ups oder mittelständischen Unternehmen bei Nachweis geeigneter Schutzvorkehrungen erleichtert oder gefördert werden, um einen zuverlässigen Rechtsschutz von in der Regel öffentlich geförderten Start-ups und deren Markteintritt aufgrund eines wirtschaftlichen Gefälles zwischen den Kooperationspartnern nicht zu behindern.
Tanja Bendele, Patentanwältin, Ruhr-IP Patentanwälte, Essen
________________
ZUR PERSON
Tanja Bendele ist Gründungspartnerin der Kanzlei Ruhr-IP Patentanwälte und vertritt Mandanten in den Bereichen Chemie, Pharmazie, Life Sciences, Medizintechnik, 3D-Technik, Batterietechnologie und Verfahrenstechnik. Sie vertritt internationale Konzerne sowie deutsche, mittelständische Unternehmen. Die promovierte Chemikerin ist deutsche Patentanwältin und European Patent Attorney. Sie studiert Elektrotechnik und Informationstechnik. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Vorstands der Patentanwaltskammer, Vorsitzende des Ausschusses für Patent- und Gebrauchsmustergesetz der Deutschen Patentanwaltskammer sowie Mitglied des Vorstands GRUR (Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht) Bezirksgruppe West.