Hydraulisches Stellgliedkonzept spart Treibhausgasemissionen
Energieeffizienz und Dekarbonisierung aller Pipeline-Applikationen
Energieintensive Industriebranchen – wie bspw. petrochemische Betriebe – stehen aktuell mehr denn je im Fokus, wenn es um das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen („Net-Zero“) geht. Eines dieser Ziele besteht darin, den ökologischen Fußabdruck und somit die Dekarbonisierung voranzutreiben. Der Ausstoß von Emissionen, die den Treibhauseffekt verstärken und die globale Erderwärmung verursachen, ist möglichst einzugrenzen.
Um welche Treibhausgase geht es
Die Diskussion über die Dekarbonisierung und die damit verbundene Reduktion von Kohlendioxid und Methan ist bei vielen Firmen im vollen Gange. Doch welche Emissionen von Treibhausgasen gibt es noch, und welche davon haben negative Auswirkungen auf unser Klima?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen flüchtigen Emissionen (fugitive emissions) und fluorierten Emissionen. Flüchtige Emissionen entstehen durch Verbrennung oder durch Abgase, wozu Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), und Lachgas (N2O) zählen. Emissionen fluorierter Treibhausgase („F-Gase“) werden i.d.R. bewusst produziert, weshalb in diesem Artikel nicht gesondert darauf eingegangen wird.
Die Industrie insgesamt hat 2022 rund 196 Mio. t Klimagas ausgestoßen – weniger als vor zwanzig Jahren, allerdings etwas mehr als 2010. Bis 2050 soll diese Menge nun drastisch reduziert werden – eine Herausforderung für alle Branchen.
Emissionsausstoß in petrochemischen Anlagen und Pipelines
Allein die Öl- und Gas-Pipelines, welche das Produkt zur Weiterverarbeitung in die Raffinerien transportieren, geben pro Jahr fast 50 t Emissionen an die Atmosphäre ab, die chemische Prozessindustrie zusätzliche 25 t pro Jahr. Methan, mit 6 % anthropischen Treibhausemissionen beteiligt, ist ein Hauptbestandteil des Rohöls. Dies ist bis zu 30-mal schädlicher als Kohlendioxid. Emissionsaustritte in petrochemischen Anlagen, insbesondere in der mehrstufigen Rohölverarbeitung, sind dank strenger Messungen und Überwachung sehr gering, was die Gefahr für Mensch und Natur in unmittelbarer Nähe reduziert. Um das Medium jedoch vorab in die Verarbeitung zu bringen, muss dies durch das Rohölfernleitungsnetz, welches bspw. bei uns in Deutschland eine Gesamtlänge von 2.400 km ausmacht, transportiert werden. Obwohl der Pipelinetransport als eine besonders sichere und effektive Transportform betrachtet werden kann, ist diesem durchweg für fast alle energieintensiven Branchen ein gemeinsamer kritischer Punkt zu eigen, welcher oftmals zum potenziellen Emissionsaustritt führt: der Ausstoß von Gasen des in der Rohrleitung beförderten Mediums. Dies geschieht jedoch nicht durch die Pipeline selbst, sondern durch notwendige, eingesetzte Komponenten.
Um entstehende Druckverluste ausgleichen zu können und somit den Volumenstrom zu regeln, kommen Verdichterstationen (Kompressorstationen) zum Einsatz. Und zur Verteilung und Absperrung des Mediums werden automatisierte Industriearmaturen mit großen Nennweiten und Druckstufen verwendet. Hierbei können – bedingt durch die Art der Armaturen und deren zugehörigen Antrieb – unbeabsichtigte, flüchtige Emissionen in die Atmosphäre austreten. Spröde gewordene Dichtungen oder Leckagen in der Packung der Industriearmatur können zum Emissionsaustritt führen.
Fachmännisch ausgelegte Stellglieder mit speziell zur Emissionsreduzierung konstruierten Industriearmaturen minimieren die Kosten, die entstehen, wenn ein Produkt durch undichte Industriearmaturen verloren geht. Neben den Kosten für das ausgetretene Medium, die in Hunderten von Euro pro Jahr gemessen werden könnten, verursacht das verlorene Durchflussmedium sekundäre Kosten, wie z. B. eine geringere Ausbeute an Endprodukten. Der Verlust von Durchflussmedium bedeutet zudem verlorene Energie, da Pumpen oder Kompressoren stärker beansprucht werden, um die Leckage auszugleichen. Folglich kann das Minimieren flüchtiger Emissionen durch geeignete Konstruktion und Wartung der Stellglieder eine beträchtliche Menge an Kapital einsparen.
Doch welche Elemente sind besonders „anfällig“ für Gasaustritte? Überraschenderweise werden Emissionsaustritte in Prozessanlagen hauptsächlich durch Stellglieder verursacht.
Normen bieten grundlegende Richtlinien
Grundlegende Richtlinien zu flüchtigen Emissionen bei Stellgliedern bieten Normen wie unter anderem die TA-Luft (VDI 2440), welche den Einsatz geeigneter Dichtungen für Flanschverbindungen und Armaturen sicherstellt. Die Hochwertigkeit wird durch den Verweis auf die VDI 2440 und eine spezifische Leckagerate definiert. Letztere muss durch eine Bauartprüfung im Labor nachgewiesen werden. Die DIN EN ISO 15848-1:2017-07 trägt maßgeblich zu den Mess-, Prüf- und Qualifikationsverfahren für flüchtige Emissionen bei und geht einher mit dem Qualifikationsverfahren für die Bauartprüfung von Armaturen (ISO 15848-1:2015 + Amd.1:2017).
Speziell bei Pipeline-Applikationen im Transportbereich kommen fast ausschließlich 90°-Absperrarmaturen, aufgrund derer konstruktionsbedingter Vorteile wie bspw. einer sehr geringen Leckagerate, hoher Druckstufe und Nennweite bei einem gleichzeitig großen Temperaturbereich, zum Einsatz. Hierbei haben sich seit Jahrzehnten zwei Arten erfolgreich etabliert: Absperrklappen und Kugelhähne.
Bei Absperrklappen werden weichdichtende Armaturen oftmals für die Anforderungen einer langen Lebensdauer bei bestmöglicher Dichtung verwendet, Hochleistungsarmaturen für hohe Druck- und Temperaturanforderungen bei gleichzeitig großer Nennweite und ausgekleidete Ventile für hochkorrosive Flüssigkeiten, Gase und Schlämme. Kugelhähne bieten den vollen (oder optional reduzierten) Durchgang bei einem absolut dichten Abschluss. Diese sind somit in Bezug auf flüchtige Emissionen (ISOV 15848-1) meist die erste Wahl. Aus diesem Grund wird typischerweise eine Entweder-oder-Entscheidung gefällt.
Spezielles C-Kugeldesign bietet signifikante Vorteile in der Performance
Der Emerson AEV C-Ball Kugelhahn (Abb. 3) ähnelt einem herkömmlichen Kugelhahn, jedoch ist das Stellelement keine Kugel, sondern eine Halbkugel in Form eines „C“. Aufgrund der über die Schallwelle zugeführten Bewegungsenergie bewegt sich diese „C“-Kugelform entlang zweier Bewegungsvektoren, um gegen einen Festsitz zu schließen und abzudichten. Die beidseitig uneingeschränkt bidirektionale Armatur erfordert keine Entlüftung, was eine optimierte Rohrführung mit weniger Absperrventilen bei einem um 30 % verringerten Gewicht im Vergleich zu traditionell starr gelagerten Top-Entry-Kugelhähnen ermöglicht. Durch speziell entwickelt und getestete Dichtungen werden etwaige Emissionsaustritte ausgeschlossen bzw. auf das Minimum reduziert.
Automatisierung der Industriearmatur
Ein weiterer Aspekt des Emissionsausstoßes bei Stellgliedern liegt in der Betätigung des Absperrorgans. Aber welche Möglichkeiten der Automatisierung von Industriearmaturen stehen zur Verfügung, um ungewünschte Emissionen zu verringern und gleichzeitig die Kosten, die mit den Optimierungen verbunden sind, möglichst gering zu halten?
Pipeline-Applikationen und somit meist sehr hohe erforderliche Drehmomente schließen generell konventionelle, pneumatische oder elektrische Antriebstechnik oftmals aus, da der erforderliche Steuerdruck und/oder die Spannungsversorgung nur durch zusätzlichen Aufwand und Kosten gewährleistet werden können.
Zudem sind pneumatisch betätigte Stellantriebe i.d.R. so konstruiert, dass ein geringer (permanenter) Austritt von Steuerluft unabdingbar ist. Aus diesen Gründen kommen speziell in Öl- und Gas-Pipelines vier grundlegende Betätigungsarten von Stellantrieben in Frage: Gasmotoren, eigenmediumbetriebene Stellantriebe, (elektro-) hydraulische Antriebstechnik oder intelligente emissionskontrollierte Antriebstechnologien.
Gasmotoren, eine Untergruppe der Verbrennungsmotoren, verwenden das komprimierte Pipelinegas zum Antrieb pneumatischer Stellantriebe, die die Armatur betätigen. Gasmotoren sind jedoch mit aktueller „Valve Automation“ nicht mehr vergleichbar. Obwohl Gasmotoren keine elektrische Energie benötigen, kommen diese u.a. durch deren erheblichen Ausstoß an Methan nur noch sehr selten zum Einsatz. Größere Armaturen, speziell solche, welche sich schnell bewegen müssen, benötigen jedoch ein entsprechend großes Losbrech-, Lauf- und Endmoment, um die gewünschte Funktion sicher zu erzielen.
Hierzu haben sich eigenmediumgesteuerte Systeme (Gas-über-Öl Antriebe) als beste Option herauskristallisiert. Sie bieten den Vorteil, dass hierzu keine separate Versorgung erforderlich ist. Die Stellglieder finden ihren Einsatz in Pipelines, welche in der Regel Hunderte von Kilometern durch unterentwickelte Gebiete durchlaufen, in denen keine pneumatische Niederdruck-Instrumentenluft- oder Hochdruck-Hydraulik-Versorgungsleitungen verfügbar sind. Die Rohrleitung an sich steht unter hohem Druck und stellt somit eine „eigene“ Versorgungsquelle für eigenmediumgesteuerte Systeme dar. Leider sind auch hier Emissionsausstöße nicht zu 100 % vermeidbar.
Eine weitere, tatsächlich fast emissionsfreie Option zur Armaturenautomation bietet der Einsatz von elektrischer oder elektrohydraulischer Antriebstechnik. Bei der elektrohydraulischen Alternative findet die Gasrückgewinnung dank des Ersatzes der vorhandenen pneumatischen und/oder hydraulischen Komponenten statt. Diese werden zusätzlich mit „smartem“ Zubehör automatisiert, also mit elektropneumatischen Komponenten, welche zu einer geringeren Methanlüftung führen und (zeitweise) Mediumaustritt verringern. Erste erfolgreich installierte Solarzellen und Batteriespeichersysteme haben den Einsatzbereich dieser Alternative, besonders bei elektrischen Stellantrieben, erfolgreich vorangetrieben. Um die Hydraulikflüssigkeit bei der elektrohydraulischen Lösung unter Druck zu setzen und damit das Stellglied einfach- oder doppelwirkend zu betätigen, muss sichergestellt werden, dass die Spannungsversorgung des Motors ununterbrochen aufrechterhalten wird.
Der Einsatz von reinen DC-Elektro-Antrieben und somit die Auswahl der Komponente mittels Batteriepaket und Solarsystem schließt auf der einen Seite etwaige Leckagen komplett aus, jedoch sind die schnell zu realisierenden Anforderungen an die Schließzeiten zu beachten, was meist einen Ausschluss unter hohen Druckstufen und Nennweiten zur Folge hat. Außerdem sind Aspekte wie eine fehlende Handpumpe, welche die Armatur im Notfall – auch ohne Spannungsversorgung – in eine sichere Position bewegt, und vor allem die zwingend erforderliche Spannungsversorgung (Sonnenkraft bei Solarpanel) zu bedenken. Gleiches gilt auch für eine mit Elektromotor betriebene Ölpumpe, die Öl aus dem Öltank in den Blasen- oder Kolbenspeicher pumpt. Bei Erreichen des für die Anlage benötigten Druckes schaltet sich die Pumpe automatisch aus. Sobald eines von zwei Magnetventilen (entweder für Öffnen oder für Schließen) ein Signal von der Steuerung bekommt, öffnet es die entsprechende Leitung, und Hydrauliköl strömt vom Speicher in den Hydraulikzylinder. Emissionen sind bei der Betätigung im Vergleich zu anderen Arten deutlich verringert, können jedoch nicht komplett ausgeschlossen werden.
Emissionskontrolle bei eigenmediumbetriebener Stellantriebstechnik
Besteht die Möglichkeit, die Armaturenbetätigung für Erdgaspipelines mit allen Vorteilen eigenmediumbetriebener (gasbetriebener) Stellantriebe durchzuführen, jedoch dabei gleichzeitig Emissionen zu überwachen – analog dem zuvor beschriebenen Emerson AEV C-Ball Kugelhahn?
Eine komplett smarte emissionskontrollierte Lösung wird durch das Emerson Shafer ECAT System (Emissions Controlled Actuation Technology) sichergestellt. Prinzipiell ist dieses Antriebssystem ähnlich aufgebaut wie ein Gas-Öl-Hydrauliksystem und bietet daher alle o.g. vollumfänglichen Vorteile des eigenmediumbetriebenen Antriebs, besonders für Anwendungen in ökologisch sensiblen Bereichen. Zusätzlich punktet dieses im direkten Vergleich zu konventioneller Antriebstechnik, insbesondere im Hochdruckbereich.
Der vorhandene Druck des Mediums wird entweder durch Scotch-Yoke- oder Drehschieber-Varianten genutzt. Emissionsfreie, elektrohydraulisch automatisierte Armaturen verwenden eine Kombination aus einem Elektromotor und einem federrückstellenden, hydraulisch angetriebenen Stellantrieb, um eine ausfallsichere Ventilbetätigung zu gewährleisten. Sobald der Hub jedoch abgeschlossen ist, wird die integrierte Pumpe durch einen (solarbetriebenen) Elektromotor angesteuert, um die Hydraulikflüssigkeit umzukehren und somit das Gas unmittelbar für die nächste Betätigung zurück in die Rohrleitung zu befördern.
Bei vielen bestehenden erprobten Antriebskombinationen kann der mechanische Stellantrieb selbst erhalten bleiben und nur das vorhandene Gas-Öl-Hydrauliksystem durch das patentierte ECAT ersetzt werden. Diese Nachrüstung eliminiert nachweislich mehr als 99 % aller Gasemissionen bei kurzfristigem Return on Investment.
Fazit
Mit dem europäischen Klimagesetz („Fit für 55“) wird die Realisierung des Klimaziels der EU, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu senken, zu einer rechtlichen Verpflichtung.
Stellglieder in Pipelines sind nachweislich zu 60 % am Treibhausausstoß beteiligt. Pipelineanwendungen werden durch die Netto-Null-Ziele der Politik noch stärker in den Fokus rücken, was nicht nur bestehende Pipeline-Netze und petrochemische Anlagen betrifft, sondern auch neue Investitionen erfordert.
Die emissionskontrollierte Technologie (ECAT), bietet zusätzlich zu allen vorhandenen Vorteilen der eigenmediumgeführten Antriebstechnik signifikante Lösungen zur Vermeidung von Emissionen. Insbesondere durch die Nachrüstbarkeit sowie in Verbindung mit dem für diese Anwendung konstruierten C-Kugelhahn stellt das Stellglied die beste Lösung für Hochdruck-Pipeline-Applikationen dar, die dem Anspruch höchster Zuverlässigkeit, Erfahrung und Lebensdauer genügt.
Autor:
Knut Riegel, Sr. Sales Manager, Emerson Final Control Germany