Chemie & Life Sciences

High-Tech Gründerfonds will Erfindungen marktfähig machen

Altana unterstützt junge Technologieunternehmen bei der Entwicklung vermarktungsfähiger Lösungen

23.11.2011 -

Ende Oktober startete der Gründerfonds II. Auch der Spezialchemiekonzern Altana beteiligt sich. Interview mit Dr. Georg F.L. Wießmeier und Dr. Andreas Jerschensky.

CHEManager: Herr Dr. Jerschensky, welche Bedeutung hat die Beteiligung am HTGF II für Altana?

Dr. Andreas Jerschensky: Für Altana sind die Erweiterung von Kompetenzen und das Erschließen neuer Märkte über Innovation und externes Wachstum zwei wesentliche Komponenten der Unternehmensstrategie. Die Beteiligung am HTGF II passt sich hier nahtlos ein: Wir erhalten Zugang zu interessanten Technologieplattformen sowie die grundsätzliche Möglichkeit, uns an jungen, innovativen Unternehmen zu beteiligen. Zudem stellt der High Tech Gründerfonds eine attraktive Finanzierungs- und Förderungsplattform für Unternehmen bereit, die sich - noch - nicht für die Eingliederung in ein größeres Unternehmen eignen. Hier können Ideen zunächst in einem geeigneten Umfeld erprobt werden. Später können und wollen wir mit unseren Kompetenzen bei der operativen Umsetzung dieser Ideen in vermarktungsfähige Lösungen helfen. Gleichzeitig fördern wir mit unserem Engagement junge Technologieunternehmen und stärken die Innovationskraft in Deutschland

Herr Dr. Wießmeier: Haben Sie konkrete Erwartungen was bestimmte Technologiefelder angeht oder wollen Sie sich bewusst von den eingereichten Ideen überraschen lassen?

Dr. Georg F.L. Wießmeier: Da wir hinsichtlich des Wissens über neue Technologien auf dem neuesten Stand sind, rechnen wir nicht mit großen Überraschungen. Die für uns interessanten Technologiefelder stehen im Fokus unserer Technologie-Früherkennung bzw. des Technologie-Monitorings. In den Rahmen dieses Screenings fallen auch Technologie-Start-ups.

Welche Technologien sind denn für Altana besonders interessant?

Dr. Georg F.L. Wießmeier: Insbesondere die Technologiefelder, die unsere übergreifenden Technologie-Plattformen Nanotechnologie, Industrielle Biotechnologie und Gedruckte Elektronik betreffen, sind von Interesse. Auch im Bereich Batterien und Energiespeicher sind wir aktiv und daher interessiert.

Altana verfügt über fast 50 Service- und Forschungsstandorte weltweit und baut gerade am Hauptsitz Wesel ein neues F&E-Gebäude. Wie viel investieren Sie in Forschung & Entwicklung?

Dr. Georg F.L. Wießmeier: Im Jahr 2010 betrugen unsere Ausgaben für F&E 82 Mio. €, Tendenz steigend. Damit beträgt unsere Forschungsquote mehr als 5 %, d.h. mehr als 5 % unseres Umsatzes investieren wir in Innovation. Auch in Krisenzeiten haben wir diese Quote nicht zurückgenommen und weiter in die Zukunft investiert. Da wir unseren Kunden in erster Linie technische Problemlösungen anbieten, verkaufen sich unsere Produkte - und das ist typisch für die Spezialchemie - im Wesentlichen über deren Performance und weniger über deren chemische Spezifikation, wie z.B. in der Feinchemie. Aus diesem Grunde ist unser Geschäft sehr stark Know-how getrieben und Innovation daher entscheidend für unseren Erfolg und für unser Wachstum. Jeder unserer Geschäftsbereiche ist in unterschiedlichen Nischenmärkten tätig und benötigt daher auch die Freiheit, den eigenen Innovationsprozess optimal daran anzupassen.

Welche Instrumente nutzen Sie, um Innovation - und damit das Wachstum des Unternehmens - voranzutreiben?

Dr. Georg F.L. Wießmeier: Eine unserer Stärken besteht darin, dass wir Synergien zwischen den Geschäftsbereichen nutzen. Dazu haben wir 2008 ein übergreifendes Gremium, das Altana Innovation Council, gegründet. Diesem Council gehören neben dem Chief Technology Officer auf Konzernebene die Forschungsleiter der jeweiligen Geschäftsbereiche an. Auch die bereits erwähnten geschäftsbereichübergreifenden Technologieplattformen dienen diesem Zweck. Ein weiteres wichtiges Instrument ist unsere jährliche, globale Innovationskonferenz, in der sich ca. 150 Forscher und Entwickler aller weltweiten Standorte zwei Tage zu einem intensiven Wissens- und Erfahrungsaustausch treffen. Im Rahmen dieser Konferenz wird der „Altana Innovation Award" verliehen. Damit werden Forscherteams ausgezeichnet, die in enger und übergreifender Zusammenarbeit ein neues Produkt entwickelt und erfolgreich in den Markt eingeführt haben.
Ein systematisches, übergreifendes Informationsmanagement unterstützt die optimale Vernetzung unserer Forscher und Entwickler. Entscheidend ist, dass Wissen im Unternehmen barrierefrei und schnell zur Verfügung steht. Kernelement des Informationsmanagements ist die intranetbasierte Altana Competence Map, in der alle technologischen Kompetenzen des Unternehmens zusammengefasst wurden.

Welche Instrumente sollte die Politik einsetzen, um den Technologie- und Innovationsstandort Deutschland auch für die Zukunft im zunehmenden internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu machen?

Dr. Georg F.L. Wießmeier: Um den Technologie- und Innovationsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähiger zu machen, muss - und das können wir hier nur wiederholen - die im Koalitionsvertrag verankerte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung auch umgesetzt werden. Vom Ziel, 3 % des Bruttoinlandsprodukts für F&E auszugeben, sind wir in Deutschland ebenfalls noch entfernt. Die derzeitige Situation auf dem Gebiet der Projektförderung durch Länder, Bund und EU ist äußerst komplex. Die Nutzung dieser Projektförderung ist mit einem extrem hohen bürokratischen Aufwand vor, während und auch noch nach Abschluss der Vorhaben verbunden. Dieser Aufwand bindet bei allen beteiligten Partnern wertvolle Ressourcen die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können. Sicherlich fördert der durch die vielfältig angebotenen Fördermöglichkeiten resultierende Wettbewerb die Qualität der Programme; auf der anderen Seite sollte sowohl der Industrie als auch den Universitäten der Freiraum gelassen werden, selbst zu entscheiden, wie mit den verfügbar gemachten Mitteln geforscht wird.
Auf Seiten der Industrie kann dem durch die erwähnte steuerliche Förderung und auf Seiten der Universitäten durch eine Erhöhung der F&E-Mittel in der Grundausstattung Rechnung getragen werden. Dies würde auch zu einer erheblichen Reduktion der Komplexität und damit zu einer besseren Nutzung unserer Ressourcen beitragen. Sicherlich sollte in diesem Zusammenhang auch die noch zu intensivierende Förderung des unternehmerischen Denkens der Studierenden und des Start-up Gedankens an Universitäten erwähnt werden. Als Benchmark lohnt sich immer ein Vergleich mit der Situation in den USA, die dieses Thema aus unserer Sicht hervorragend gelöst haben.

Der High-Tech Gründerfonds schließt auch Finanzierungslücken, bevor sich private Wagniskapitalgeber in neuen Firmen engagieren. Muss die Politik auch hier bessere Rahmenbedingungen schaffen?

Dr. Andreas Jerschensky: Ja! Eine noch stärkere Förderung der Bereitstellung von Wagniskapital wäre eine weitere wichtige Maßnahme. Die Initiierung und Förderung des High Tech Gründerfonds stellt hier einen wichtigen Eckstein dar. Allerdings stellen für private Wagniskapitalgeber die steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen immer noch einen wesentlichen Hemmschuh dar. Ohne eine Verbesserung dieser Rahmenbedingungen wird sich die Summe an privatem Wagniskapital nicht signifikant steigern lassen. Dieser Beitrag ist aber zwingend erforderlich, um eine breite und flexible Finanzierung von jungen, innovativen Unternehmen - auch in späteren Phasen mit einem höheren Mittelbedarf - zu ermöglichen. Eine staatliche direkte finanzielle Förderung allein wird nicht möglich bzw. nicht ausreichend sein und wäre aus Allokationssicht wahrscheinlich auch nicht immer effizient. 


Startschuss für den High-Tech Gründerfonds II
Der gerade gestartete zweite High-Tech Gründerfonds, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gemeinsam mit der KfW und Partnern aus der Industrie auflegt, hat ein Volumen von 288,5 Mio. €. Der Fonds stellt kapitalsuchenden High-Tech-Unternehmen eine Erstfinanzierung von bis zu 500.000 € als Risikokapital bereit und unterstützt sie so dabei, Erfolg versprechende Forschungsvorhaben unternehmerisch umsetzen zu können. Neu gegründete Unternehmen verfügen dadurch über ausreichendes Kapital, um eine Anlaufphase von ein bis zwei Jahren zu überbrücken. In der Regel gelingt es bis dahin, eine Anschlussfinanzierung durch private Kapitalgeber einzuwerben oder auf Grundlage eigener Umsätze zu wachsen.
Ernst Burgbacher, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, erklärte beim Startschuss: „Unsere Wirtschaft braucht neue innovative Unternehmer, damit sie erfolgreich bleiben kann. Eine Unternehmensgründung ist aber oft kein Spaziergang. Gerade Gründer neuer Technologieunternehmen haben es schwer, trotz brillanter Ideen einen Finanzier zu finden. Denn selbst private Wagniskapitalgeber engagieren sich heute lieber erst dann, wenn die Unternehmen den ersten Markttest bestanden haben. Diese Finanzierungslücke schließt der High-Tech Gründerfonds."
Hauptinvestor bleibt auch beim Gründerfonds II das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit 220 Mio. €, gefolgt von der KfW Bankengruppe mit 40 Mio. €. Das Markenzeichen des High-Tech Gründerfonds, die öffentlich-private Partnerschaft, wird noch ausgeweitet. Mit zwölf Unternehmen sind diesmal doppelt so viele Investoren aus der Industrie beteiligt wie noch beim ersten Fonds. Dazu gehören z.B. Altana, BASF, Qiagen, B.Braun, Bosch, Deutsche Post DHL, Deutsche Telekom oder RWE. Staatssekretär Burgbacher: „Von einer Beteiligung der Industrie profitieren Gründerinnen und Gründer immens. Die Investoren stammen aus ganz unterschiedliche Branchen und Technologiefeldern. Dies bietet für die finanzierten Gründerteams große Chancen für Kooperationen und zur Akquise von Aufträgen aus den beteiligten Unternehmen."
Bestätigung für die Auflage eines zweiten Fonds waren die guten Erfahrungen und Erfolge des ersten Fonds. Seit seiner Gründung ist der High-Tech Gründerfonds I rund 250 Beteiligungen an jungen Technologieunternehmen eingegangen; über 2.300 zukunftsfähige Arbeitsplätze sind entstanden. Darüber hinaus konnten 335 Mio. € überwiegend private Mittel für Anschlussfinanzierungen eingeworben werden, doppelt so viel Geld wie der High-Tech Gründerfonds selbst investiert hat. Er gilt heute als Qualitätssiegel und hat den brach liegenden Markt für risikobehaftete Gründungsfinanzierungen neu belebt.
http://www.high-tech-gruenderfonds.de/

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